EU-Wahl 2019 - Spitzenkandidaten im Gespräch
Werner Kogler: "Grüne Idee war nie treffender"
EU-Spitzenkandidat Werner Kogler im Interview mit Bezirksblätter Chefredakteur Oswald Hicker und P3tv Chefredakteur Rudolf Vajda.
Die Grünen haben lange gebraucht um einen Spitzenkandidaten zu küren. War unklar, wer sie nach Europa führen soll?
WERNER KOGLER: Für grüne Verhältnisse war es eigentlich sehr früh klar. Wir versuchen alles auf eine Karte zu setzen. Es geht bei dieser Wahl nicht nur um Europa – es geht auch um die Grünen selbst.
Schaut es nicht so aus, als ob man für den Kogler einen Versorgungsjob in Brüssel braucht?
Na ja, das mit der Versorgung wäre nicht notwendig, da ein Gehaltsverzicht nicht mehr notwendig ist. Wir wollen schon erst mal reinkommen, peilen das zweite Mandat an und wenn alles super läuft, dann sind es drei.
Kann man heute mit derselben Einstellung grüne Politik machen wie vor vier Jahrzehnten?
Die Fragen, die die Grünen richtigerweise immer gestellt haben, werden heute immer drängender und wichtiger. Aber es müssen dickere Bretter gebohrt werden. Das Plakat "Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt", war nie treffender als heute.
Es schaut aber auch so aus, als haben ihnen andere Parteien die Butter vom Brot gestohlen. Diese ökologischen Themen sind keine Erbpacht der Grünen mehr.
Die Frage ist ja: Wer treibt denn das Ding an? Oft wird nur darüber geredet, wobei auch das gut ist, weil es wohnzimmerfähiger wird. Man muss aber schon den Realitätscheck machen, auch was benachteiligte Regionen betrifft. Etwa den Flughafenausbau in Schwechat derart hochzuloben, das verstehe ich nicht. Soll der Flugverkehr wirklich um ein Drittel steigen? Und was bedeutet das für die Leute die dort wohnen, in Wien und der Region?
Stichwort Waldviertelautobahn: Ein klares Nein der Grünen.
Ich bin nicht gegen jeden Straßenausbau, aber man muss sich schon überlegen, wie viele Autobahnen man noch bauen will. Eines weiß ich: Mit der Hälfte des Geldes, das in den Straßenbau fließt, können wir den doppelten Effekt beim öffentlichen Verkehr bewirken.
Wie müsste sich das Leben nach Ihrem Konzept verändern?
Die Politik soll ja nicht das Leben der Menschen verändern wollen, sondern die Situation der Menschen. Ich bin zum Beispiel ein Vielfahrer mit der Eisenbahn. Wir sagen: Alles, was zwischen 500 und 1.000 Kilometer ist, da gehört in Hochgeschwindigkeitszüge investiert. Das sichert Arbeitsplätze und Know-how.
Ist es nicht aber so, dass die Menschheit lieber Geschäft auf Kosten der Umwelt macht?
Ich gebe Ihnen da völlig recht. Was hat die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf diesem Planeten mit Niederösterreich zu tun? Wenn die Lösung ist, dass Wirtschaft und Umwelt stets unbezwingbare Gegensätze sind, dann haben wir verspielt. Auf Dauer kann nur überlebt werden, wenn die Wertschöpfung auf Dauer nicht gegen sondern mit der Natur geschieht.
Glauben Sie, werden E-Autos das CO₂-Problem im Individualverkehr lösen?
Die Politik sollte in erster Linie nicht eine einzelne Technologie vorgeben, sondern bestimmte Standards. Wir plädieren für einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor (Anmerkung: Neuzulassungen) bis 2030. Bis 2050 würde sich das System dann totlaufen.
Ist "Klima" Ihre Antwort auf alles? Wenn wir über Migrationspolitik sprechen, sagen die Grünen: "Wir müssen den Klimawandel stoppen". Ihre NÖ-Kollegin Krismer hat gemeint, unser Gesundheitssystem sei so schlecht, weil wir uns zu wenig auf die kommende Malaria-Welle vorbereiten. Gibt es nicht auch andere Themen?
Bis zum Jahr 2050 haben wir 200 Millionen Klimaflüchtlinge – eine Studie der Weltbank. Bei der Mi-#+grationsfrage wurde uns Grünen immer alles Mögliche vorgehalten, meist falsch. Wir stehen zur Kontrolle der europäischen Außengrenzen, das wird auch was mit Schutz zu tun haben. Wenn man ehrlich hinschaut, sind die Flüchtlingszahlen so gering wie seit 2010 nicht mehr.
Sie werden es ziemlich sicher ins Europaparlament schaffen. Kann man eine Partei von Brüssel aus sanieren?
Wir sind schon saniert, die Versammlungen sind gut besucht, wir haben viele junge Leute. Und ich werde leidenschaftlicher Parlamentarier in Straßburg sein. Bis zur Nationalratswahl sind es noch drei Jahre, Beispiel deutsche Grüne: Die treten immer mit Doppelspitzen oder Vierfachspitzen an. Ich werde mit Sicherheit nicht Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl sein.
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