Corona-Experte Lamprecht
Lockerung gerechtfertigt – an "andere Normalität" gewöhnen

Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan an der Medizinischen Fakultät der JKU und
wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns. | Foto: Kepler Universitäts Klinikum
  • Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan an der Medizinischen Fakultät der JKU und
    wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns.
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Es herrscht Jubelstimmung, von „Freiheit“ ist mit dem Ende vieler Beschränkungen die Rede. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Arzt und Epidemiologe, warnt jedoch davor, zu glauben, dass die Sache mit Omikron erledigt ist. Im BezirksRundSchau-Interview erklärt Corona-Experte Primar Bernd Lamprecht, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie an der Johannes Kepler Uni, dass er die aktuellen Lockerungen für gerechtfertigt hält, aber eine Rückkehr zur "Normalität" vor Corona nicht in Sicht ist.

Lauterbach sagte im deutschen Fernsehen: „Die Welt ist durch das Corona-Virus schlechter geworden. Wir haben ein zusätzliches Virus, das nicht mehr weggehen wird, und das ansteckender und gefährlicher als die Grippe ist. Es wird nicht so sein, dass das jetzt einmal durchläuft, und dann sind wir wieder, wo wir waren. Die Idee, dass das immer harmloser wird, demnächst eine Erkältungskrankheit, das ist eine ganz gefährliche Legende, das mag in 30, 40 Jahren so sein, aber nicht für die nächsten zehn Jahre."

Überlastung der Spitäler droht nicht

Herr Primar Lamprecht, wie sehen Sie vor dem Hintergrund der Aussagen des deutschen Gesundheitsministers die Lockerungen? Und: Wird es niemals wieder wie vor Corona?
Lamprecht: Es wird wohl eine neue beziehungsweise andere Normalität, an die wir uns gewöhnen müssen. Eine erhebliche Mehrbelastung der Spitäler durch Corona ist zwar weiterhin gegeben, aber eine versorgungskritische Situation beziehungsweise Überlastung besteht oder droht aktuell nicht. Die schrittweise Lockerung der einschränkenden Maßnahmen ist daher gerechtfertigt.


Einige Menschen noch völlig schutzlos

Was sind Ihre Prognosen für die Entwicklung, speziell was den nächsten Herbst und Winter betrifft?
Lamprecht: Es werden weitere Varianten des Coronavirus auftreten und gerade in der kälteren Jahreszeit ist mit einem verstärkten Infektionsgeschehen zu rechnen. Bei einigen Menschen besteht noch gar kein Schutz, bei anderen nimmt die durch Genesung oder Impfung erlangte Immunität über die Zeit wieder ab, Auffrischungen des Schutzes werden zumindest für besonders empfindliche beziehungsweise gefährdete Personen bestimmt in einer gewissen Regelmäßigkeit erforderlich sein. Je nachdem wie gut und weitreichend dies gelingt, wird der nächste Winter verlaufen.

Der deutsche Simulationsexperte Thorsten Lehr hat davon gesprochen, dass die deutschen dreistufigen Lockerungen dazu führen würden, dass sich die Infektionszahlen zuerst auf einem hohen Niveau einpendeln und dann mit den großen Lockerungen Ende März ein starker Anstieg in der Prognose zu sehen ist: „Der könnte stärker sein als das, was wir bisher hatten. Das würde auf den Intensivstationen gut gehen, wir müssten aber schon wieder mit einem deutlichen Anstieg der täglichen Todeszahlen rechnen, ungefähr einer Verdoppelung oder Verdreifachung.“
Lamprecht: Mit und durch die Lockerung der Maßnahmen ist eine Zunahme des Infektionsgeschehen zu erwarten, unsere gemeinsame Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich der überwiegende Teil dieser Infektionen nicht in schwere Erkrankungen übersetzt. Das wirksamste Instrument ist in diesem Zusammenhang die Schutzimpfung.

Neue Varianten nicht immer harmloser

Was die Varianten nach Omikron betrifft, so sei ein Comeback der Delta-Variante mit ihren deutlich schweren Folgen denkbar. Sehr oft gibt es ja die Mutmaßung, dass ein Virus mit jeder Mutation harmloser werde - das war bei Corona zumindest am Anfang gar nicht so, könnte es jetzt so sein?
Lamprecht: Nachfolgende Varianten müssen nicht zwangsläufig immer harmloser sein, allerdings ist zu erwarten, dass der durch wiederholten Kontakt mit Virus und/oder Virusmerkmalen (in Impfstoffen) hergestellte Schutz auch gegenüber zukünftigen Varianten einen zumindest weitreichenden Effekt haben wird.

"Normalität kommt nur mit Immunität"

Einhellig ist die Kritik aller Experten, dass nur noch von „Freiheit“ geredet werde und nicht mehr über die Impfung - mit der Folge, dass der Immunisierungsgrad bis zum Herbst sinken dürfte. Erwarten Sie ein Déjà-vu, vergeigen wir es wieder und müssen im Herbst/Winter wieder mit Lockdown & Co. rechnen?
Lamprecht: Ja, Normalität kommt und bleibt nur mit Immunität, deshalb ist konsequentes Bemühen um Ausbau und Aufrechterhaltung einer hohen Quote an Geschützten sehr bedeutsam.

Obwohl es heißt, dass eine dritte Impfung vor schweren Folgen von Omikron gut schützt, erkranken viele dreifach Geimpfte zumindest aus subjektiver Sicht schwer: hohes Fieber, schwere Glieder- & Kopfschmerzen etc. Sie berichten auch über Wochen von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schweißausbrüchen beim Stiegensteigen und insgesamt einer deutlich verringerten Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Auch deshalb gibt es Zweifel an der Sinnhaftigkeit der dritten Impfung.
Lamprecht: Die Impfung verfolgt primär das Ziel sehr schwere Erkrankung und damit Krankenhausaufenthalte zu verhindern. Dies gelingt offensichtlich sehr gut, andernfalls würden wir so hohe Infektionszahlen, wie sie derzeit zu beobachten sind, in den Spitälern unmöglich aushalten.

Andererseits tut sich die Frage auf, ob die Durchseuchung mit Omikron, die im Gange ist, einen Teil der Bevölkerung mit deutlichen Einschränkungen in ihrer Leistungsfähigkeit hinterlässt - kann Long Covid aus ihrer Sicht gesellschaftlich und volkswirtschaftlich ein gravierendes Problem werden?
Lamprecht: Long Covid, also Beschwerden, die auch mehr als vier Wochen nach der Erkrankung weiter bestehen, wird zweifellos eine relevante Herausforderung und Belastung für den Gesundheitsbereich. Dies kann neben individuellem Leid natürlich auch eine volkswirtschaftliche Auswirkung haben. Der derzeit beste Schutz gegenüber Long Covid ist immer noch die Impfung.

Empfehlung zur Maske in Öffis

Was sind die Vorsichtsmaßnahmen, die Sie trotz all der Lockerungen weiterhin empfehlen würden?
Lamprecht: Ich empfehle den persönlichen Schutz sicherzustellen, das gelingt einerseits mit der Impfung und kann in bestimmten Bereichen – etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo Abstände kaum möglich sind – mit der Maske ergänzt werden.

Wie sinnvoll ist vierte Impfung?

Weil die vierte Impfung Thema ist: Laut einer aktuellen israelischen Studie sinkt der Schutz nach der vierten Impfung wieder auf das Level, das ohnehin nach der dritten Impfung länger besteht - heißt: Sie bringt also nicht viel für die breite Masse. Besser also auf die an Omikron angepasste Variante warten?
Lamprecht: Eine weitere beziehungsweise vierte Impfung kann wieder jenes Schutzniveau herstellen, welches wenige Wochen nach der dritten Impfung bestanden hat. Da der Schutz nach der dritten Impfung über die Zeit nachlässt, wird eine solche weitere Impfung als Auffrischung zumindest für Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko sinnvoll sein. Mit welchem Impfstoff vor dem Herbst/Winter 2022 eine Auffrischung angeboten werden soll, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.

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