Bürgerbeteiligung
Zeit der Ortskaiser sollte vorbei sein
Wie wird man eine liebenswerte Gemeinde? Antworten auf diese Frage versucht seit 2019 eine Broschüre der Abteilung Raumordnung des Landes Oberösterreich Gemeindeverantwortlichen näherzubringen – überall ist die Botschaft aber noch nicht angekommen.
In zwei kurzen Comic-Strips wird die "Dorfentwicklung mit Bürgerbeteiligung dem "Herkömmlichen Expertenmodell" gegenübergestellt. Beim "Expertenmodell" ergibt die "Analyse im stillen Kämmerlein" einen Plan des Experten, der unzufriedene Bürger hinterlässt, Die Dorfentwicklung mit Bürgerbeteiligung sorgt dagegen dank gemeinsamer Analyse der Probleme mit den Betroffenen für einen Plan mit dem Ergebnis "Bürger sind zufrieden".
Nicht mal direkte Anrainer werden informiert
So einfach, wie in der Broschüre dargestellt, wird es in der Praxis meist nicht sein – aber die Botschaft ist klar: Die Zeit der Ortskaiser, die glauben, besser als alle anderen zu wissen, was für die Gemeinde gut ist, sollte vorbei sein. In allen 438 oberösterreichischen Gemeinden ist diese Erkenntnis aber bisher nicht gereift. Da werden etwa immer noch überdimensionierte Wohnprojekte in kleinteilige Siedlungsstrukturen geplant und nicht einmal die direkten Anrainer informiert, bevor alles auf Schiene ist. Kritik der Bürger an der mangelnden Information wird mit einem "Wir haben uns ans Gesetz gehalten" weggewischt.
Braucht es Gemeindepolitik?
Dass zwischen gesetzeskonformem Vorgehen und moderner Gemeindepolitik ein haushoher Unterschied ist, sollte aber auch den "Ortskaisern" schön langsam dämmern. Denn wenn es nur ums Einhalten der Gesetze geht, braucht es keine Lokalpolitik sondern nur die Gemeindeverwaltung.
Die Gemeindepolitik ist dazu da, nicht nur liebens- sondern lebenswerte Gemeinden zu entwickeln – unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Nimmt sie diese Aufgabe wahr, ist der Aufschrei berechtigt, den es gab, als Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Vorjahr die Gemeinden als Beitrag zum Klimaschutz bei der Raumordnung entmachten wollte. Sorgt sich die Gemeindepolitik dagegen mehr um die Rechtssicherheit für die Betreiber großer Wohnprojekte als um die Anliegen der Gemeindebewohner, dann verliert sie ihre Daseinsberechtigung.
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