WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer im Interview
"Das Image der Lehre ist hervorragend"

Wirtschaftskammer OÖ-Präsidentin Doris Hummer zu den KV-Verhandlungen: "Man tut den Betrieben und Arbeitnehmern nichts Gutes, wenn man überschießend unterwegs ist. Denn das wird zu verstärkten Freisetzungen führen." | Foto: BRS/Siegl
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  • Wirtschaftskammer OÖ-Präsidentin Doris Hummer zu den KV-Verhandlungen: "Man tut den Betrieben und Arbeitnehmern nichts Gutes, wenn man überschießend unterwegs ist. Denn das wird zu verstärkten Freisetzungen führen."
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Die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Doris Hummer, spricht im Interview mit der BezirksRundSchau über die Lehre, die konjunkturelle Entwicklung im Land, Kinderbetreuung, Windkraft und die KV-Verhandlungen. 

Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Seit vielen Jahren wird gekurbelt, um das Image der Lehre zu verbessern. Trotzdem ist in der Wahrnehmung der Lehre noch immer Luft nach oben. 
Hummer:
Es hat sich in der letzten Zeit wirklich sehr viel verändert. Jeder zweite junge Mensch in Oberösterreich entscheidet sich für eine Lehre. Es ist die beliebteste Ausbildungsform. Und man sieht, dass wir mit der Lehre, etwa beim Euroskills-Wettbewerb, wirkliche Weltmeister stellen. So gesehen ist das Image der Lehre heute hervorragend. Und wir zeigen auch mit der Dualen Akademie, welche Karrierepfade, Chancen und welches Können die Lehre vermitteln kann.

Inwiefern verlaufen die Lehrberufe entlang spezifischer Rollenbilder – Mädchen werden Frisörin, der junge Mann lernt am Bau?
Man sieht Veränderung, aber es gibt Berufe, die stark mädchenlastig sind – andere sind stark burschenlastig. Aber die Nummer vier der Lieblingsberufe bei den Mädchen ist Metalltechnikerin. Es hat sich also schon viel getan und in der Berufsorientierung oder in der Potenzialanalyse unterstützen wir, nicht in Stereotypen zu denken und nicht danach zu entscheiden, was Eltern oder Freunde machen – sondern nach den eigenen Talenten.

Viele Betriebe locken Lehrlinge mittlerweile mit Goodies. Wird das für die Arbeitgeber in Zukunft ein Wettrennen?
Jeder Arbeitgeber wird sich bemühen, möglichst attraktive Rahmenbedingungen anzubieten. Employer Branding ist zentral – und hat sich auch für uns als Wirtschaftskammer zu einer ganz wichtigen Beratungsleistung für unsere Mitglieder entwickelt. Andererseits wird es mit Goodies alleine, wie etwa einem Mopedführerschein, nicht gelingen. Es geht den jungen Menschen um den Sinn ihrer Tätigkeit und um Sicherheit. Früher haben die Unternehmer „nur“ Berufe angeboten – Spengler, Metalltechniker oder Bürokauffrau. Heute geht es für die jungen Menschen viel stärker darum, was man eigentlich grundsätzlich macht und welchen Beitrag man zur Entwicklung des Unternehmens leistet.

Foto: BRS/Siegl

Eigentlich ein konservativer Zugang – mit der Betonung auf Sicherheit.
Ja, man sieht in vielen Jugendstudien, dass konservative Werte wieder wichtiger werden. Es ist auch nicht überraschend, dass dieses Sicherheitsdenken stärker wird, wenn man sieht, wie sich die Gesellschaft verändert und auch die zahlreichen Krisen, die ständig aufpoppen. Die Jugend erlebt das natürlich komplett anders. Für die Generationen davor war der Weg immer klar nach oben. Aber viele junge Menschen fragen sich heute schon, wie es mit Klimawandel, Pandemie und Co. weiter geht. Dementsprechend spielen solche Faktoren auch eine Rolle bei der Berufswahl.

Was erwarten Sie für die nächsten Monate in konjunktureller Hinsicht, eine Rezession?
Es kommen schwierige Zeiten auf Oberösterreich und Österreich zu. Der oberösterreichische Wirtschaftsraum hängt stark an der Industrie und stark am Export – und beide Bereiche stecken bereits in der Rezession. Noch dazu kommt, dass mit Deutschland der wichtigste Exportpartner schwächelt. Wir sehen jetzt schon steigende Arbeitslosenzahlen, wir sehen, dass die Umsätze in einigen Branchen zurückgehen. Und da spreche ich jetzt nicht nur von der besonders betroffenen Bauwirtschaft. Wir befinden uns also in schwierigen Zeiten, aber trotzdem bleibe ich optimistisch. Ich bin überzeugt, dass wir dieses Tal auch Mitte nächsten Jahres wieder durchschritten haben.

Viele Experten sagen, der Kardinalfehler war, dass man nicht direkt bei den Energiepreisen eingegriffen hat. Sehen Sie das auch so?
Ja, es war eine Forderung von uns, dass die Politik in die Regulatorik eingreift. Wir haben ein eigenes Modell entwickelt, das die tatsächlichen Erzeugungskosten der Energie mit einem Gewinnaufschlag abgegolten hätte. Österreich hat aus Angst einen anderen Weg gewählt, den wir jetzt teuer zahlen. Das war ein Fehler!

Sind Sie eigentlich für ein Ende der KIM-Verordnung (für Immo-Kredite, Anm.)?
Ja, die gehört weg. Diese Verordnung brauchen wir derzeit überhaupt nicht mehr, da die Zinssituation ohnehin den Rahmen vorgibt. Diese Verordnung macht die Situation in einer ohnehin schwierigen Zeit noch schwieriger.

Das Land OÖ tänzelt seit einiger Zeit um den Ausbau der Windenergie herum. Die WKOÖ hat sich klar deklariert und fordert 340 zusätzliche Windräder. Warum?
Die Forderung fusst auf einer Expertenempfehlung. Die Experten haben uns klar gezeigt, wo man regional Strom produzieren kann. Uns als WKOÖ geht es darum, dass wir alle Chancen nutzen, die uns ein Stück Autarkie und vernünftige Energiekosten bringen, damit der Wirtschaftsstandort nicht gefährdet ist. Wir appellieren an Land OÖ und den Bund, jede Möglichkeit zu nutzen, damit wir bei den Energiekosten und im Hinblick auf die Versorgungssicherheit gut aufgestellt sind.

FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hat schon öfters angekündigt, weitere Windkraftprojeke in OÖ bekämpfen zu wollen. Ist das ein Problem für den Standort?
Ich sehe es als Problem für den Standort, wenn wir einerseits etwas gegen den Klimawandel tun wollen, aber andererseits keine Windräder aufgestellt werden dürfen. Natürlich gehört kritisch geprüft, wo man Windräder hinbauen kann. Aber eine generelle Aussage gegen Windräder halte ich für falsch.

Die WKOÖ hat zuletzt auch beim Ausbau der Kinderbetreuung das Land kritisiert und mehr Geld dafür gefordert. Reicht Ihnen der zuletzt angekündigte Ausbaukurs?
Ich bin schon mal sehr dankbar für die klare Zielsetzung von Land und Bund – unser Druck hat geholfen und trägt Früchte. Das Commitment für den Ausbau der Kinderbetreuung ist da, die Finanzierung mit den angekündigten 4,5 Milliarden Euro scheint jetzt auch gesichert. Jetzt braucht es konkrete Maßnahmen, die Gemeinden müssen entsprechende Kostensicherheit haben, denn die müssen schlussendlich auch die Gruppen schaffen und betreiben. Nachdem Oberösterreich bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen Schlusslicht ist, haben wir in diesem Bereich unsere Kräfte zu bündeln.

Foto: BRS/Siegl

Der Hintergedanke von Ihrer Forderung ist: Je mehr Stunden Mütter arbeiten können, desto kleiner das Fachkräftedilemma?
Selbstverständlich. Es stellt sich einfach die Frage, wo es noch Ressourcen gibt, wenn es um das Arbeitskräftepotenzial geht. Die Demografie macht einfach den Kuchen kleiner, unser aktuelles Steuersystem bestraft eigentlich die Vollzeit- und Mehrarbeit. Andererseits haben wir noch Potenzial bei den Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, aber oft an der mangelnden Kinderbetreuung scheitern. Hinzu kommt noch, dass es sich für viele Mütter steuerlich nicht auszahlt, fünf Stunden mehr pro Woche zu arbeiten. Grundsätzlich soll sich jeder frei entscheiden, wieviele Stunden man arbeiten möchte. Aber das Thema darf nicht lauten: „Ich kann nicht, weil…“, oder „es zahlt sich nicht aus“. Da muss es eine klare Strategie von Bund und Land geben, um diese Probleme zu lösen.

Also Sie sind für ein Ende der Nachmittagsgebühr?
Ja, da habe ich eine andere Sichtweise als das Land. Ich bin der Meinung, dass es keine Nachmittagsgebühr braucht.

Thema KV-Verhandlungen: Die Metaller-Gewerkschaft fordert 11,6 Prozent mehr Lohn. Wie sehen Sie den Spielraum?
Ich werde den KV-Verhandlern keine Empfehlungen ausrichten, aber ich sehe in den exponentiell gestiegenen Personalkosten ein Problem. Im Vorjahr hatte ein Unternehmen aus der metallverarbeitenden Industrie im Schnitt zehn Prozent höhere Löhne zu zahlen. Wenn das heuer nochmals kommt, muss das natürlich in die Produkte hineingerechnet werden, und dann wird es in Zeiten einer konjunkturellen Rezession wirklich eng.

Sehen Sie die Lohnkosten als Standortnachteil?
Ja, das ist so, weil Deutschland viel geringere Lohnabschlüsse hatte. Das Produzieren nach Lohnstückkosten ist in Österreich teurer als in Deutschland. Das heißt aber nicht, dass bei den Menschen nicht netto mehr ankommen soll – dort liegt auch die Lösung. Wir müssen schauen, dass die Kaufkraft gesichert werden kann und dafür braucht es mehr Netto vom Brutto.

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Die KV-Verhandlungen laufen auf Basis eines bestimmten Modells mit rollierender Inflation und Produktivitätszuwachs. Sollte man diese Systematik überdenken?
Ja, weil die Inflationsberechnung nicht mehr mit dem zusammenstimmt, was bei den Menschen spürbar ist. Es wurden viele staatliche Maßnahmen zur Abfederung der Inflation getroffen, aber das zählt bei den KV-Verhandlungen nicht und der Lohn muss alles nochmal abdecken. Es braucht eine ehrliche Herangehensweise, wir tun den Betrieben und Arbeitnehmern nichts Gutes, wenn man überschießend unterwegs ist. Denn das wird zu verstärkten Freisetzungen führen. Gerade die großen Konzerne, die den Aktionären verpflichtet sind, werden das tun.

Also Sie fordern eine Anrechnung von staatlichen Transferleistungen in die Lohnabschlüsse?
Im Endeffekt dämpft das die Inflation. Wir müssen uns die Kerninflation, die wirklich bei den Menschen ankommt, ansehen. Wenn wir auf dieser Basis eine Formel finden, bin ich überzeugt, dass es ein guter Abschluss wird.

Und Sie rechnen mit Kündigungen im Frühjahr, wenn es hohe Lohnabschlüsse gibt?
Nicht erst im Frühjahr – wir sehen jetzt schon, dass Leasingkräfte zurückgestellt werden, das ist immer ein Frühindikator. Außerdem gibt es viel weniger offene Stellen. Und wir wissen aus der Kurzarbeitsberatung, dass es in einigen Branchen bereits jetzt zu Kündigungen kommen wird. Ein Betrieb, der es sich leisten kann, wird die Mitarbeiter sicher halten, aber gerade bei den großen Betrieben wird es bestimmt zu Freisetzungen kommen.

Bis vor kurzem galt, dass der Arbeitsmarkt ein Arbeitnehmermarkt ist – ist das nun definitiv vorbei?
Die Betriebe berichten uns, dass es wieder Bewerbungen gibt und die Anzahl der offenen Stellen zurückgegangen ist. Das ist in einer solchen Phase der Konjunkturabkühlung eigentlich ganz normal, es ist noch nicht alarmierend. Denn grundsätzlich haben wir – rein aufgrund der demographischen Entwicklung – eine Lücke. Aber wenn man jetzt falsche Maßnahmen setzt, wie etwa überschießende Lohnabschlüsse oder wenn man nichts bei der  Steuerquote tut – dann wird es im nächsten Jahr gefährlich.

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