Oberösterreich in Fernost
"Wir sollten die Chancen in China sehen und nutzen"
So lautete das Resümee von Landesrat Markus Achleitner nach seiner ersten China-Reise, bei der er mit einer oberösterreichische Delegation die chinesische 28 Millionen Einwohner-Metropole Shanghai und umliegende Städte erkundete. Zusammen mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft besuchte er Niederlassungen oö. Betriebe, chinesische Vorzeigeunternehmen und unterzeichnete Kooperationsvereinbarungen mit zwei Wirtschafts- und Technologieparks, um die Beziehungen zwischen OÖ und China weiter zu intensivieren.
Von Thomas Winkler aus Shanghai
SHANGHAI, LINGANG, NANTONG, OBERÖSTERREICH. 290 österreichische Unternehmen haben sich bereits in und rund um Shanghai im sogenannten Yangtze-Fluss-Delta angesiedelt. Es steht als führende Region für ein Drittel der Wirtschaftsleistung Chinas und wäre auch durch seine Ausrichtung auf Automobilbau und Erneuerbare Energie mit Oberösterreichs Rolle in Österreich vergleichbar – abgesehen vom zigfach größerem Maßstab. "Die pure Größe ist gefährlich, aber auch das Tempo der chinesischen Entwicklung macht Sorgenfalten", sagt Wirtschaftslandesrat Achleitner nach seiner ersten Reise ins Land der Mitte. "Entwicklungsabteilungen arbeiten hier teilweise im Dreischichtbetrieb. Wir müssen in Oberösterreich um das innovativer sein, was wir teurer sind, und so nachhaltig einen Schritt vorausbleiben." Es sei deshalb kein Zufall, dass Oberösterreichs Forschungsbudget heuer erstmals die 100 Millionen Euro-Grenze überschreitet. Achleitner fordert aber wegen der in Österreich besonders stark gestiegenen Energie- und Personalkosten "steuerliche Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen, weil die Wettbewerbsfähigkeit massiv gestärkt werden muss".
Angriff als beste Verteidigung
Sich angesichts der wirtschaftlichen Übermacht Chinas "zuhause einzuigeln, war noch nie ein gutes Konzept", warnt Starlim Sterner-Geschäftsführer Thomas Bründl, der auch Vizepräsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich ist. "Wir sind in den chinesischen Markt gegangen, damit China uns nicht nach Europa entgegenkommt. Und immer, wenn wir ins Ausland gegangen sind, ist auch Österreich dadurch gewachsen." Denn: Die Kunden des chinesischen Starlim Sterner-Werks hätten Tochterunternehmen in Europa, die in der Folge oft als Abnehmer gewonnen werden könnten. Deshalb hat Starlim Sterner auch groß in ein neues Werk in Nantong investiert, das mit Passivhaus- und Niedrigenergie-Standard für chinesische Maßstäbe revolutionär sei, so Bründl. Er rät heimischen Unternehmen, den "Schritt nach China eher einen Tag zu früh als zu spät zu machen". Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung wie in Europa derzeit zäh laufe.
Wirtschaftsflaute und Überalterung
Das zeigte ein Besuch der oö. Delegation, die oberösterreichische Delegation, der auch Industriellenvereinigung OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch sowie Wirtschaftskammer-Direktor Gerald Silberhumer und der Chef der Standortagentur Business Upper Austria, Werner Pamminger, angehörten, in einem Werk des mit Abstand größten chinesischen Autoherstellers SAIC: Außer dem Empfangskomitee war kein Personal zu sehen, und die Bänder standen wegen fehlender Aufträge still. Obwohl dort das weltweit erste E-Auto mit Feststoffbatterie vom Band läuft, die eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometern ermöglichen soll. Neben der aktuellen Wirtschaftsflaute steht China vor dem Problem einer massiven Überalterung durch die langjährige Ein-Kind-Politik: Bleibt es bei der derzeitigen Geburtenrate, sinkt die Bevölkerung von aktuell gut 1,4 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2100 um die Hälfte. Bis dahin sei die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aber ein "unglaublicher Markt, der sich noch weiter entwickeln wird", so Wirtschaftslandesrat Achleitner.
Chinesen rollen roten Teppich aus
Achleitner ruft die oberösterreichischen Unternehmen auf: "Wir sollten die Chancen in China für Oberösterreich sehen und nutzen." China bemühe sich aktuell mehr denn je um ausländische Investitionen: "Die Chinesen rollen unseren Firmen den roten Teppich aus, damit sie sich ansiedeln", war Achleitners Eindruck nach der Unterzeichnung von Kooperationsvereinbarungen mit dem Wirtschaftszentrum "Su-Tong Ökopark" in Nantong und der Pilotregion "Lingang Special Area". Diese sollen weiteren oö. Unternehmen den Einstieg in China erleichtern. Dass der Schritt nach China richtig und wichtig war, auch um den Heimstandort in Oberösterreich abzusichern, davon sind die Vertreter der chinesischen Niederlassungen von Miba, Starlim Sterner, Ebner, Stiwa, Lecapell, Engel und B&R überzeugt, wie sich bei den Besuchen der oö. Delegation zeigte.
Chinesen fragen nicht nur nach dem Preis
Trotz der Wirtschaftsflaute laufe das Geschäft in China gut – dank innovativer Produkte, für die chinesische Unternehmen auch mehr bezahlen, wie B&R China-Chef Weirong Xiao bestätigt: "Dass Chinesen immer nur nach dem Preis fragen, stimmt nicht." Die Chinesen seien als Kunden zwar sehr preissensibel, aber der Preis spiele keine Rolle, wenn die Innovation entsprechende Vorteile verspreche.
Lehre als Exportschlager
Um auch in den chinesischen Niederlassungen Produkte mit entsprechendem Qualitäts- und Innovationsvorsprung erzeugen zu können, hat der Schwertberger Spritzgussmaschinenhersteller Engel bereits 2013 zusammen mit dem Vorarlberger Kunststoffspezialisten Alpla und mit kräftiger Unterstützung des Wifi die österreichische Lehrlingsausbildung nach China gebracht. "Das Wifi ist in der Lage, in allen Regionen der Welt die Lehrlingsausbildung zu begleiten", so Oberösterreichs Wirtschaftskammer-Direktor Gerald Silberhumer. Von den 1000 Engel-Mitarbeitern in den zwei chinesischen Werken sind inzwischen 78 Lehrlinge – Tendenz stark steigend. Seit längerem kooperiert auch die chinesische Stiwa-Niederlassung mit Engel bei der Lehrlingsausbildung, Starlim Sterner will sich demnächst anschließen, denn: "Ohne gut ausgebildete eigene Leute wirst du die notwendige Qualität nicht erreichen", so Bründl. "Damit wird auch die duale Ausbildung dank oberösterreichischer Unternehmen zum Exportschlager", freut sich Wirtschaftslandesrat Achleitner.
Achleitner nimmt von seinem ersten Besuch in China auch die Erkenntnis mit, dass nicht nur in Europa Richtlinien und Vorschriften den Unternehmen das Leben schwer machen: Viele Auflagen seien in China auf EU-Niveau oder sogar darüber, wie etwa beim Brandschutz oder angesichts des Umstands, dass Starlim Sterner für sein Werk 220 Parkplätze schaffen musste, obwohl dort in der Endausbaustufe wegen des hohen Automatisierungsgrades maximal 150 Personen arbeiten werden. Auch in China schlägt also Bürokratie manchmal den Hausverstand ...
Hinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria, die die Kosten dafür übernommen hat.
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