"Müssen digitalen Analphabetismus bekämpfen"
In Zell am See wurde der 67. Österreichische Städtetag würdig eröffnet. Die Teilnehmer setzen sich mit digitalen Herausforderungen der Zukunft auseinander.
ZELL AM SEE. Der rote Teppich war ausgerollt, die Stadt schön herausgeputzt und die Zeller Vereine sind aufmarschiert für den Empfang des Bundespräsidenten - aber Alexander van der Bellen musste in Wien den neuen Vizekanzler angeloben und konnte nicht wie geplant zur feierlichen Eröffnung des Österreichischen Städtetages nach Zell am See kommen.
Bürgermeister Peter Padourek hieß die mehr als 1000 Gäste aus ganz Österreich beim Empfang im Ferry Porsche Congress Center herzlich willkommen. Mit einem Film wurden Zell am See und die vielfältigen Aufgaben der Kommune vorgestellt. Padourek erläuterte die Herausforderungen bei der Verwaltung der Stadt, allen voran die Bereitsstellung der Infrastruktur für 9800 Einwohner und 2,5 Millionen Nächtigungen. "Vor dem Vergnügen kommt die Arbeit" erklärt der Bürgermeister die Aussage des Film. Egal ob es um das Schwimmbad, den Seezauber, die Eishalle, Schlittschuh laufen am See etc. geht: Nur durch den Einsatz der Stadt können die Bewohner diese Angebote nutzen.
Digitaler Wandel
Unter dem Motto "Stadt neu denken – Digitalisierung meistern" diskutieren die Teilnehmer der Veranstaltung drei Tage lang über die Herausforderungen, die Städte durch die Bereitstellung von Daten, durch Online-Handel und die digitale Kommunikation erwarten. "Wir müssen dem Innenstadt-Sterben entgegentreten", erklärt Michael Häupl, Wiener Bürgermeister und Präsident des Städtebundes. "Wer sich Lebensmittel im Internet bestellt ist selber schuld", sieht er für diese Branche keine große Gefahr. Textil- und Buchhandel hätten aber sicher große Schwierigkeiten. "Eine Stadt funktioniert nur, wenn der Einzelhandel funktioniert", daher müsse man Bedingungen schaffen, damit sich die Betriebe gegen Online behaupten können.
Auch der Bildungssektor ist für Häupl ein zentrales Anliegen, was die Digitalisierung betrifft. "50 Prozent der Arbeitslosen in Wien haben keine digitalen Kenntnisse, wir müssen den digitalen Analphabetismus bekämpfen", fordert der Wiener Bürgermeister. Jeder Einzelne müsse in Zukunft digital ausgebildet werden und so wie alle Bürger als Individuen an Digitalität teilnehmen, müssten das auch Gemeinden und Städte tun. "Wer heute ein Bauvorhaben einreichen will, braucht dazu nicht mehr persönlich auf ein Amt gehen, das sind große Chancen für die Bürger", nennt er eins der zahlreichen positiven Beispiele der Veränderungen durch den digitalen Wandel.
Mehr Qualität durch Quantität
Die Vorteile von "Big Data" betonte schließlich Viktor Mayer-Schönberger in seinem Festreferat. Der in Oxford lehrende Professor stammt aus Zell am See und folgte der Einladung des Bürgermeister ebenso wie ORF-Moderatorin Lisa Gadenstätter, die die Moderation übernommen hatte. In einem zugleich informativen, spannenden und unterhaltsamen Vortrag erklärte er anschaulich die positiven Auswirkungen von großen Datenmengen. "Daten erlauben uns das was wir tun schneller und effizienter zu tun", schildert der Professor. Das sei jedoch nicht genug, sondern wie der "Wüde auf der Maschin': "I woass zwar nit wohin, dafür bin i schneller dort". Geschwindigkeit allein reicht nicht - man müsse wissen, was man erreichen will. "Daten bieten neue Perspektiven, sie helfen uns bessere Entscheidungen zu treffen", so Mayer-Schönberger. Der Mensch habe immer schon versucht, die Welt zu verstehen, indem er sie beobachtet, bisher standen dafür aber zu wenig Informationen zur Verfügung", wie er schildert. "Jetzt steigt die Menge enorm, und die neue Quantität bringt eine neue Qualität".
Der Professor erklärt diese Auswirkungen und ihre Nutzen anhand anschaulicher Beispiele, wie der Berechnung des Ausbruchs von Grippewellen durch die Suchanfragen bei Google. Mit "Big Data" könne zudem viel individueller auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen werden, z. B. in den Schulen. "Wir müssen unsere Werkzeuge sinnvoll einsetzen. Schulen können unterschiedliche Zugänge passend für jedes Kind schaffen, damit können auch jene verbessert werden, die sich schwer tun."
Auf die Schattenseiten der Datenflut geht der Professor ebenfalls ein. "Wir müssen auch die Sorgen ernst nehmen und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten pflegen. Wir entscheiden, wie wir uns in Zukunft den Daten nähern".
Lob des Landeshauptmanns
Wilfried Haslauer richtete als Gemeindereferent und Landeshauptmann lobende Worte an die versammelten Bürgermeister, Stadträte und ihre Mitarbeiter.
"Als Gemeindereferent des Landes Salzburg sehe ich jeden Tag, welche besondere Bedeutung die Kommunen für unser Land haben. Sie bieten die Rahmenbedingungen für Ehrenamt, Sicherheit, Zusammenhalt und stehen für den Erhalt der regionalen Kultur", betonte Landeshauptmann Wilfried Haslauer bei der Eröffnung. Es sei notwendig, den Ländern, Städten und Gemeinden das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen, betonte Haslauer. "Daher ist das Ergebnis der schwierigen und langwierigen Finanzausgleichsverhandlungen aus dem Vorjahr sehr zu begrüßen und dem immensen Einsatz der Verhandlungspartner zu danken. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang auch die Initiative der Bundesregierung, zusätzlich ein Budget in Höhe von 175 Millionen Euro für kommunale Investitionen aufzustellen. Die Ziele, damit die lokale Wirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, unterstützen wir mit Nachdruck", so Haslauer.
Kernaufgaben des Städtebundes
Der Österreichische Städtebund und seine Mitglieder stehen für Solidarität und Zusammenarbeit auf lokaler Ebene und einen fairen und nachhaltigen Interessenausgleich zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften. Ziel des Österreichischen Städtebundes ist die aktive und dynamische Mitwirkung der Kommunen an Zukunftsfragen Österreichs und der Europäischen Union.
Der Österreichische Städtebund setzt sich für den Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung ein. Ebenso zählt die gesellschaftliche Verantwortung der Städte und Gemeinden für die Daseinsvorsorge zu den Kernthemen des Österreichischen Städtebundes. Mit seinem großen kommunalen Erfahrungsschatz und als Kompetenz-Netzwerk ist der Österreichische Städtebund eine starke Interessenvertretung an der Seite seiner Mitglieder.
Das höchste Gremium des Österreichischen Städtebundes ist der Österreichische Städtetag, in dem jede Mitgliedsgemeinde Sitz und Stimme hat. Die Leitung der Arbeiten obliegt dem Hauptausschuss, der aus rund 60 Vertreterinnen und Vertretern aus 39 Städten besteht. Die Erledigung der wichtigen Geschäfte erfolgt auf Grund der Entscheidungen der aus 20 Personen bestehenden Geschäftsleitung.
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