Hausärztemangel im Saalachtal: "Will mich nicht kaputt machen"

Dr. Gunther Schlederer in seiner Ordination | Foto: Carolina Auer Photography
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LOFER. Der Allgemeinmediziner Gunther Schlederer hat vor fast zehn Jahren die Praxis seines Vaters Manfred übernommen. Damals gab es noch einen zweiten Hausarzt in Lofer. Dessen Nachfolger hat nun seine Tätigkeit völlig überraschend beendet und arbeitet in einem Krankenhaus.

Im Interview mit den Bezirkblättern erzählt Dr. Schlederer wie er die neue Herausforderung meistert und warum er kein Verständnis für den Mangel an Hausärzten hat.

Bezirksblätter: Wie geht's jetzt weiter?
GUNTHER SCHLEDERER: Wir müssen schauen, wie sich das einpendelt. Meine Ordination war schon bisher sehr gut ausgelastet und jetzt ist Hauptsaison, aber ich denke, es braucht sich niemand Sorgen machen, die Leute sind gut versorgt. Sie haben jetzt zwar weniger Wahlmöglichkeit, aber es gibt auch Ärzte in Saalfelden, Waidring und Unken.

Wie können Sie den Zuwachs an neuen Patienten bewältigen?
Ich habe die Stunden meiner Mitarbeiterinnen aufgestockt und wir versuchen die Abläufe in der Praxis noch besser zu organisieren. Natürlich wäre es optimal, wenn auch die Patienten ihren Beitrag leisten und z. B. ihre alten Befunde mitbringen und bereits an der Rezeption konkret schildern, was sie brauchen. Das ist sehr hilfreich und spart viel Zeit.

Gibt es auch Probleme in dem Beruf?
Nun ja, es gibt Patienten, die erwarten, dass man rund um die Uhr zur Verfügung steht. Ich finde es auch schade, dass viele Patienten es vorziehen zu einem Facharzt zu gehen, bevor sie den Hausarzt konsultieren. Manche Eltern sind mit ihren Kindern für Routineuntersuchungen beim Kinderarzt, aber wenn ein Kind hohes Fieber hat, kommen sie zu mir, weil ich näher bin und Hausbesuche mache. Das ist eigentlich nicht im Sinne der Patienten, die ich dann oft gar nicht kenne, und die in so einer Situation verständlicherweise Angst vor dem fremden Arzt haben. Zudem kann ich den Zustand eines Patienten natürlich besser beurteilen, wenn mir seine Vorgeschichte vertraut ist.

Was sind Ihre Hauptaufgaben?
Ich bin eigentlich ein Berater und muss in die Patienten gut hineinhören. Der Großteil meiner Patienten ist chronisch krank, sei es altersbedingt oder aufgrund von Tumoren etc. Leider gibt es Patienten, die nicht offen sind, und dem Arzt nicht sagen, wenn sie mit einer Behandlung nicht einverstanden sind, oder ein Medikament nicht nehmen wollen. Ich bin ein klarer Typ und wünsche mir das auch von den Patienten. Sie können mir ruhig sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Als Hausarzt habe ich auch nicht den Anspruch alles zu können und auf alles spezialisiert zu sein, aber ich weiß, wie und wo den Leuten geholfen werden kann.

Können Sie nachvollziehen, warum kaum noch jemand als Hausarzt arbeiten will?

Den Mangel an Hausärzten verstehe ich überhaupt nicht. Für mich ist das ein sehr schöner Beruf, den ich sehr gern ausübe. Die Arbeit in einem Krankenhaus wäre mir zu anonym und monoton. Man sieht die Patienten in der Regel nur einmal, während ich sie nicht nur behandeln, sondern auch begleiten kann. Ich kenne meine Patienten, ihre Familien und ihre Umgebung über Jahrzehnte. Es spielt eine wichtige Rolle, den Mensch in seiner Ganzheit wahrzunehmen, das ist ein wesentlicher Aspekt an dem Beruf.

Halten Sie Primärversorgungszentren für hilfreich?

Von solchen Zentren am Land halte ich nichts, denn dem Ärztemangel kann man damit nicht entgegenwirken. Im Gegenteil, dadurch bräuchte man sicher noch mehr Ärzte, denn wer dort angestellt ist, arbeitet sicher nicht so viel wie ein Arzt für die eigene Praxis. Ich bin ja ein selbstständiger Unternehmer und habe Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeitern, meiner Familie und meinen Patienten. Aber natürlich hat auch niemand etwas davon, wenn ich arbeite, bis ich umfalle.

Wie könnte eine Lösung des Problems aussehen?
Eine geeignete Lösung wäre für mich, wenn ich in meiner Praxis einen Kollegen als Mitarbeiter anstellen könnte. Das ist derzeit aber leider nicht erlaubt, obwohl ich überzeugt davon bin, dass man dadurch viel mehr Ärzte als Allgemeinmediziner am Land gewinnen könnte. Viele, die mit der Ausbildung fertig sind, scheuen das Risiko, eine eigene Praxis zu eröffnen. Denen sind Sicherheit und Freizeit lieber. Ich hätte das sicher auch nicht gemacht, wenn ich nicht die Ordination meines Vaters übernehmen hätte können.

Gibt es Möglichkeiten, die Ärzte zu motivieren?
Ich denke, die Politik und die Universitäten müssen sich etwas einfallen lassen und die Rahmenbedingungen ändern. Charmeoffensiven für den Beruf müssen bereits vor der Ausbildung ansetzen. Das Problem beginnt dann mit den Aufnahmetests an den Unis. Hier wird nur abgefragt, ob jemand ein guter Wissenschaftler ist. Der wird aber nicht unbedingt ein guter Hausarzt. Da werden die falschen Leute ausgewählt. Ich kenne einige geeignete Personen, die den Test nicht geschafft haben, und es dann nicht noch einmal versuchen. Zudem ist der Verdienst in anderen Ländern viel besser, die werben massiv unsere Ärzte ab.

Daten zum Ärztemangel:

2016 waren laut Statistik Austria in Salzburg 958 Allgemeinmediziner tätig. (In Österreich 13.834). Von den insgesamt 1588 Ärzten (Fach- und Hausärzte) sind 884 älter als 50 Jahre. Bis 2020 wird knapp ein Drittel, bis 2030 werden drei Viertel der Allgemeinmediziner 65 oder älter sein. Durch diese Altersstruktur wird sich das Problem des Mangels an Hausärzten noch verschärfen, denn die frei werdenden Stellen am Land können kaum noch nachbesetzt werden.

Laut einer groß angelegten Studie der Medizinuniversität Graz in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) wollen nur zwei Prozent der Medizinstudenten Allgemeinmediziner werden. Der Großteil der Befragten ist durch die Bedingungen im Kassensystem abgeschreckt: zu wenig Zeit für Patienten, zu viel Bürokratie und zu geringes Einkommen im Vergleich zu Fachärzten. Auch dem Medizinstudium wird ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: „man fühlt sich nicht gut vorbereitet auf die Arbeit als Hausarzt".

Auch in Lofer ist die Stelle eines praktischen Arztes ausgeschrieben - bisher erfolglos. Immer mehr Gemeinden locken daher interessierte Kandidaten damit, dass sie die Mediziner finanziell und logistisch unterstützen, indem sie z. B. die Praxis zur Verfügung stellen. Manche helfen auch bei der Wohnungssuche und übernehmen die Miete. Der Beruf hat jedoch ein schlechtes Image, viele scheuen das wirtschaftliche Risiko und die langen Arbeitszeiten. Vor allem für Frauen ist es eine Herausforderung, eine eigene Praxis zu übernehmen, die sich mit einer Familie nur schwer vereinbaren lässt.

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