Gastronomie
"Das Boot ist extrem leck und der Motor ist auch hin"
Bislang galten die Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Salzburg als krisensicher, durch die Coronakrise ist diese Überzeugung ins Schwanken geraten. Von den finanziellen Folgen sind mittlerweile nicht nur Gastronomie und Hotellerie betroffen.
ST. JOHANN. Hotellerie und Gastronomie sind von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise am stärksten betroffen. Die Möglichkeiten, einen Betrieb aufrecht zu erhalten, sind sehr eingeschränkt. Nur Geschäftsreisende dürfen noch in Hotels einquartiert und bewirtet werden und die Gastronomie hilft sich mit Lieferservice und Take-Away-Angeboten. Petra Nocker-Schwarzenbacher, Spartenvertreterin der Tourismus- und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Salzburg, gibt Einblick in die momentane Lage und spricht auch mögliche Probleme in der Zukunft an. Mitte Februar soll das Vorgehen für Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe erneut evaluiert und dann weitere Schritte bekannt gegeben werden.
Unsicherheit trifft alle
"Man rechnet jetzt mit einer Öffnung im März. Aber wenn man sich die Situation gerade ansieht, was sich in Tirol oder bei uns in Salzburg tut, muss man ganz ehrlich sagen, dass die Zahlen es unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ob wir wollen oder nicht", sagt Nocker-Schwarzenbacher, selbst Betreiberin des Hotels Brückenwirt in St. Johann. Für die Gastronomie hängt vieles davon ab, wie die Zahlen sich jetzt durch die Öffnung des Handels entwickeln. "Wir wollen alle wieder aufsperren, aber so unsicher wie jetzt war es für uns noch nie", sagt die Unternehmerin. Planungssicherheit habe es für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft nie gegeben, aber die jetzige Situation sei besonders unklar. "Diese Unsicherheit trifft auch die Mitarbeiter, die nicht wissen, ob sie noch in dieser Wintersaison arbeiten können oder nicht", betont die Chefin von 22 Mitarbeitern.
"Planungssicherheit hat es hier nie gegeben. Wir hatten zwar Termine, aber die sind fünfmal nach hinten verschoben worden. Da kann ich nicht mehr von Planungssicherheit sprechen." – Petra Nocker-Schwarzenbacher
Mitarbeiter gehen verloren
Petra Nocker-Schwarzenbacher denkt bei den Fach- und Hilfskräften in ihrer Branche auch an die Zukunft. Viele Betriebe hätten ihre Mitarbeiter nicht halten können und es sei unsicher, ob diese nach den Öffnungen wieder zurück kommen würden. "Mitarbeiter, die solange 'stempeln' sind auch in einer Notlage. Wer kommt schon mit 55 Prozent seines normalen Gehalts auf Dauer aus? Viele suchen sich ein anderes Beschäftigungsfeld und die verlieren wir dann. Es ist ja nicht so, dass man das durchzieht, bis die Gastro wieder aufsperrt", zeigt Nocker-Schwarzenbacher Verständnis für Umsteiger. Bereits vor einem Jahr habe es schon einen Arbeits- bzw. Fachkräftemangel im Tourismus gegeben, nächstes Jahr wird sich dieser Mangel vermutlich verdoppelt haben. Einige Betriebe versuchen ihre Angestellten mit Hilfe der Kurzarbeitsregelung zu halten, doch ist dieses Modell eher für die Industrie geeignet, wenn es zu Umsatzeinbrüchen bis zu 40 Prozent käme. "Aber niemand hat bisher das Modell angewendet, wenn 100 Prozent des Umsatzes eingebrochen sind", zeigt Nocker-Schwarzenbacher das Problem des Modells in der Gastronomie auf.
Lösungsansätze
Für Nocker-Schwarzenbacher funktioniert das Modell der Kurzarbeit im Brückenwirt noch. Durch die Erlaubnis Geschäftsreisende einzuquartieren können zur Zeit 45 Zimmer belegt werden und somit eine Auslastung von 70 und 40 Prozent erreicht werden. "Es ist ein minimaler Betrieb, aber es ist ein Betrieb", sagt die Unternehmerin. Für ihre Mitarbeiter ist die Situation auch annehmbar, jedoch schätzt sie nicht in jedem Betrieb die Lage so gut ein. "Man muss es sich auch leisten können auf Dauer mit 80 bis 95 Prozent seines Gehaltes alle Kosten decken zu können", räumt sie ein. Zusätzliche Arbeit gibt es im Brückenwirt durch das sonntägliche Take-Away-Angebot. "Wir haben Leute aus Schwarzach, Bischofshofen, Goldegg, St. Veit und nicht nur die St. Johanner. Wir haben uns auf diese Backhendl spezialisiert das es zwischen 11.30 und 14 Uhr gibt", sagt Nocker-Schwarzenbacher. Bereits im ersten Lockdown 2020 hat man im Brückenmwirt im April damit begonnen. Als im Oktober der zweite Lockdown angekündigt wurde ging es bereits am 2. November damit weiter.
Stabilität und Sicherheit
Die Schwierige Lage der Gastronomie und Hotellerie träfe auch die Zulieferer, betont Nocker-Schwarzenbacher. Erst jetzt würde Vielen bewusst wie weitreichend der Tourismus die Wirtschaft beeinflusse. "Unser Bäcker beliefert uns 20 bis 15 Mal pro Monat mit kleinen Bestellungen, bei denen es im Endeffekt zu einer Monatsrechnung von gerade 80 Euro kommt", sagt Nocker-Schwarzenbacher. Mit diesem Beispiel will sie verdeutlichen, dass Zulieferer wenig rentable Aufwände auf sich nehmen um jede Möglichkeit auszuschöpfen ihrer Arbeit nachzugehen und ihre Kunden zu halten. Die Öffnung der Gastronomie und Hotellerie würde somit auch anderen Branchen entscheidend helfen.
Die Wünsche der Hotelierin für die Zukunft wären: "Dass man sich wieder an die Normalität herantastet, dass man wieder eine gewisse Stabilität und ein Gefühl der Sicherheit hat." Aber vor allem wünscht sie sich, dass alle so geimpft werden, dass der Virus in den Hintergrund gedrängt würde. "Die Bundesländer verteilen die Gelder, die der Bund beschafft, so gut es geht. Doch hängt der Bund wiederum von der EU ab. Die sitzen ja auch alle in einem Boot, aber momentan ist das Boot extrem leck, schlecht aufgestellt und der Motor ist auch gerade hin", findet sie drastische Worte für die Ist-Situation.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.