Zivilcourage stärken
"Notruf einmal zu oft, als zu wenig absetzen"

- Das Auto brannte völlig aus.
- Foto: Foto: FF Helfenberg
- hochgeladen von Sarah Schütz
Das Auto geht in Flammen auf und niemand hilft. So ging es kürzlich einer Frau in Helfenberg.
BEZIRK ROHRBACH. "Ich brachte eine Freundin meiner Tochter nach Hause. Bei der Rückfahrt begann das Auto plötzlich zu rauchen, kurz darauf schlugen schon Flammen aus der Motorhaube. Das alles ging rasend schnell", berichtet die Autofahrerin. Mutter und Tochter konnten sich mit Mühe noch rechtzeitig in Sicherheit bringen und alarmierten die Feuerwehr. Während die beiden am Straßenrand auf die freiwilligen Helfer warteten, fuhren trotz nächtlicher Stunde insgesamt vier Autos am Unfallort vorbei. "Keiner ist stehen geblieben. Niemand hat gefragt, ob wir Hilfe benötigen. Es hätte sogar sein können, dass jemand verletzt ist", beschreibt die Frau die Situation. Die Mutter möchte das Verhalten dieser Autofahrer nicht anprangern. Sie will die Menschen aber wachrütteln und aufrufen, zu reagieren, anstatt wegzuschauen. "Man sollte dieses Handeln nicht vorschnell verurteilen. Es hätte uns aber gut getan, wenn zumindest jemand stehen geblieben wäre und gefragt hätte, ob wir Hilfe brauchen. Wir wissen jedoch nicht, was in den Köpfen dieser Menschen vor sich ging. Vielleicht haben sie gar nicht realisiert, in welcher Notlage wir uns befinden oder hatten einfach nur Angst." Die Autofahrerin bittet die Bevölkerung trotz allem, sich ein Herz zu fassen und Personen, die möglicherweise Hilfe benötigen, Unterstützung anzubieten. Nicht nur, aber gerade auch in Zeiten wie diesen, sei Zusammenhalt wichtig.
"Falsch ist es, nichts zu tun"
"Wir predigen in den Erste Hilfe Kursen immer wieder, wie wichtig es ist, zu helfen", sagt Bezirksrettungskommandant Johannes Raab. Er vermutet, dass die Menschen in solchen Situationen oft überfordert sind und Angst haben, etwas falsch zu machen. "Falsch ist es aber nur, nichts zu machen", betont Raab. Er glaubt, dass der Vorfall in Helfenberg eine Ausnahme war. "Im Bezirk Rohrbach gibt es sehr viele engagierte Personen, die in Vereinen wie bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Roten Kreuz tätig sind. Es wundert mich daher, dass niemand angehalten hat." Raab appelliert an die Bevölkerung, den Menschen, die sich in einer Notsituation befinden, zu helfen. "Wenn sich jemand nicht zutraut, den Personen zu helfen, so sollte man zumindest den Notruf absetzen", sagt der Bezirksrettungskommandant.
Moralische Pflicht
Vor einigen Jahren wurde im Burgenland ein Verkehrsunfall inszeniert. Das Auto lag auf dem Dach, der Fahrer saß in der Wiese und stütze seinen Kopf mit der Hand. Das erschreckende Ergebnis: 85 Prozent der Autofahrer seien vorbeigefahren, ohne zu helfen. "Die restlichen 15 Prozent sind stehen geblieben. Diese waren verständlicherweise sehr betroffen und nervös", berichtet Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Auch sie findet, dass der Notruf abgesetzt werden soll, wenn man sich nicht in der Lage fühlt, direkt zu helfen. "Anderen zu helfen, ist nicht nur eine gesetzliche, sondern auch eine moralische Pflicht", ist Seidenberger überzeugt.
Lieber zu oft, als zu wenig
Diese Meinung teilt auch Bezirkspolizeikommandant Martin Petermüller: "Hilfe muss nicht geleistet werden, wenn sie der Person nicht zuzumuten ist. Diese muss aber dann für fremde Hilfe sorgen." Die Einsatzkräfte sind zu rufen. "Der Notruf soll lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig abgesetzt werden. Solange der Anrufer die Einsatzkräfte nicht ohne Grund in der Gegend herumschickt, wird dieser auch nicht belehrt oder geschimpft. Es muss sich also niemand fürchten, etwas falsch zu machen", so Petermüller.
Nicht vorschnell urteilen
Ich hätte es sicher besser gemacht. Das denken sich viele, wenn sie von einer Notsituation erfahren, bei der niemand geholfen hat. Es sollten aber keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Wie man selbst in solch einer Situation reagiert, kann im Vorhinein niemand sagen. Was in den Köpfen der vorbeifahrenden Autofahrer vorgeht, weiß auch keiner. Vielleicht realisieren sie gar nicht, in welcher Notlage sich verunfallte Menschen befinden oder haben einfach nur Angst. Angst, etwas falsch zu machen. Falsch ist es aber nur, gar nichts zu unternehmen. Unfälle oder sonstige Notsituationen sind nichts Alltägliches, deshalb ist es auch völlig normal, nervös zu sein. Trotz der Angst und der Nervosität sollte man sich ein Herz fassen, anhalten und Unterstützung anbieten. Denn wer kann schon sagen, ob nicht er der Nächste ist, der Hilfe von seinen Mitmenschen braucht?
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