Alles eine Frage des Engagements: Über die Evaluierung der Neuen Mittelschulen

Die Hauptschulen sollen sukzessive in Neue Mittelschulen umgewandelt werden, auch die AHS-Unterstufen sind eingeladen, sich an diesem Projekt zu beteiligen. | Foto: Foto: contrastwerkstatt Fotolia
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  • Die Hauptschulen sollen sukzessive in Neue Mittelschulen umgewandelt werden, auch die AHS-Unterstufen sind eingeladen, sich an diesem Projekt zu beteiligen.
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BEZIRK (anh). Die Ergebnisse der vom Unterrichtsministerium in Auftrag gegebenen Evaluierung sind ernüchternd: Zwar hätte es demnach eine Verminderung von Gewalt an Schulen gegeben, die Leistungen wären jedoch nicht gestiegen – Grund genug, um sich bei den Schulen der Region umzuhören.

Weniger Stress und Druck
Im Bezirk gibt es mittlerweile drei Neue Mittelschulen und einige, die es bald werden. Die Vorreiter-Schule auf diesem Gebiet ist die Neue Mittelschule Aigen-Schlägl, unter der Leitung von Direktorin Elfriede Söllner-Babes. Sie wurde vor vier Jahren als erste Hauptschule des Bezirks zur Neuen Mittelschule. Für die Schulleiterin hat sich dadurch sehr wohl einiges zum Positiven gewendet: "Die Lernkultur sowie das Klima an unserer Schule haben sich eindeutig verbessert. Die Schüler arbeiten sehr viel mehr im Team und bewältigen Aufgaben verstärkt durch Arbeitsteilung. Wertschätzung und Wohlbefinden stehen klar im Vordergrund." Diese Entwicklungen können auf zwei der wichtigsten Eckpfeiler des Konzeptes der NMS zurückgeführt werden: das Team-Teaching und die offenere Form des Unterrichts. Die Direktorin der Hauptschule Haslach, Elisabeth Reich, sieht vor allem im Auflösen der Leistungsgruppen eine große Chance: "Die Klassen der NMS sind heterogener, das heißt die Schüler werden endlich nicht mehr in Leistungsgruppen aufgeteilt oder danach beurteilt. Stress und Druck fallen von ihnen ab, was sich positiv auf die Unterrichtsqualität, sowie die Schul- und Lernkultur auswirkt. Es ergibt sich dabei kein Nachteil für die Besseren und eine Vielzahl an Vorteilen für die Schlechteren."

Individualität als Leitmotiv
Die Hauptschule St. Martin ist wie viele andere gerade mitten im Umstellen. Für Direktor Manfred Spenlingwimmer ist die Neue Mittelschule weit mehr als nur eine alternative Organisationsform: Es sei eine Veränderung der Schullandschaft hin zu mehr Individualität. "Es geht darum, dass die Bedürfnisse eines jeden Mädchens oder Burschens erfasst werden und man so jedem Schüler individuell entgegen kommt. Die Entwicklung der sozialen Kompetenz ist dabei das oberste Gebot. Natürlich sollen die Schüler auch fachlich gut ausgebildet werden, für mich zählt jedoch viel mehr, dass die Mädchen und Burschen nach vier Jahren 'gstandene Leute" sind. Sie sollen vor allem wissen, wie man sich fachliches Wissen aneignet und woher man Informationen bezieht. So können sie sich auch nach der Schulzeit professionell weiterbilden", sagt der Schulleiter und ergänzt: "Diese neue Schulform bemüht sich, nicht alle über einen Kamm zu scheren – meines Erachtens ein guter, pädagogischer Ansatz."

Pädagogische Förderung braucht Zeit
Eine negative Beurteilung bekam die NMS auch in Bezug auf den Personalaufwand, der in dieser neuen Schulform höher ist als in den AHS. Bundesrätin Elisabeth Reich hat eine simple Erklärung für dieses Faktum: "Es gibt unterschiedliche Klassenschülerzahlen und es gibt die zusätzlichen Stunden für die NMS. Daher sind die Stunden und die Personalressourcen nicht vergleichbar. Außerdem sind die Schüler der AHS ausgesucht, meist leistungsstark und mit gutem familiärem Background. In der NMS sitzen natürlich auch Kinder, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben, vielleicht nicht ganz so leistungsstark sind und/oder schwierigen familiären Background haben."

Differenzierteres Betrachten
Die Ergebnisse der Evaluierung scheinen also mit der persönlichen Erfahrung der Schulleiter des Bezirks wenig gemeinsam zu haben. Was ist der Grund für diese Inkongruenz?
Manfred Spenlingwimmer plädiert für ein differenzierteres Betrachten der Ergebnisse: "Es kommt immer darauf an, welche Schulen befragt worden sind bzw. welche Region dieser Bericht eigentlich repräsentiert. Am Land ist vieles anders als in der Stadt, schon alleine die Zusammensetzung der Schüler: In den Neuen Mittelschulen am Land haben wir ein gemischtes Verhältnis aus Schülern mit AHS-Reife und jenen, die eine Hauptschule besuchen würden. In Wien zum Beispiel fällt die erste Kategorie schon fast komplett weg, was sich auf das Leistungsniveau auswirken kann." Hinzu kommt, dass es sich bei der ersten Phase hauptsächlich um Brennpunktschulen handelte, die eine spezielle Stellung innerhab der Hauptschulen einnehmen und somit mit der Masse kaum verglichen werden können.
Für Bundesrätin Elisabeth Reich kam der Evaluierungsbericht viel zu früh: "Jede Änderung braucht Zeit und ich denke, dass die Erwartungshaltungen nach einer so kurzen Zeit einfach zu hoch waren. Außerdem kann man hier nicht alle Schulen in einen Topf werfen: Der Erfolg einer jeden Schulform hängt vom Engagement der Lehrer ab. In Modellschulen wurde sehr wohl nicht nur das Klima sondern auch die Leistung gesteigert. Im Evaluierungsbericht sind die großen Unterschiede hinsichtlich Qualität und Umsetzung des Konzepts übrigens dezidiert angegeben. Je vollständiger und engagierter die Richtlinien der NMS umgesetzt wurden, desto größere Leistungssteigerungen waren auch zu bemerken."

Angst vor Neuem
Die Kritik seitens der Medien und Teilen der Bevölkerung sieht Elfriede Söllner-Babes vor allem als Angst vor Neuem. "Aller Anfang ist natürlich schwer und es wird wie überall, wenn ein Projekt entsteht, zu Fehlern kommen. Aber nur aus Fehlern lernt man. Es braucht eine gewisse Zeit der Schulentwicklung bis sich neue Methoden etabliert haben oder bis man weiß, was funktioniert und was man wieder verwerfen sollte. Auch die innere Differenzierung – von der Hauptschule zur Neuen Mittelschule – braucht ihre Zeit. Es müssen die Lehrer, genauso wie die Eltern und Schüler mitgenommen werden und es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden. Die Menschen müssen sich trauen, Altbekanntes aufzugeben, ihre Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen"

Genügend Autonomie
Bis 2015/16 sollen alle Hauptschulen umgestellt werden und sich dem einheitlichen Konzept anpassen. Für Manfred Spenlingwimmer ist es jedoch wichtig, dass den einzelnen Neuen Mittelschulen trotzdem noch genügend Freiheit und Autonomie eingeräumt wird: "Nicht jede NMS ist gleich – das hängt zum einen schon einmal damit zusammen, dass wir mit Menschen, also Individuen zusammenarbeiten, die nun einmal keine homogene Masse sind. Zum anderen spielt auch der Standort einer jeden Schule eine große Rolle. Man sollte also vor Ort entscheiden können, welche Regeln für die jeweilige Ausbildungsstätte ratsam sind und welche nicht."
In der Neuen Mittelschule Aigen-Schlägl wird es in Kürze auch eine erste Schülerbefragung zur neuen Schulform geben. "Uns ist die Meinung der Schüler sehr wichtig, vor allem möchten wir auch wissen, wie sie das Team-Teaching erleben. Die Ergebnisse dieser Befragung werden zukunftweisend sein", sagt Elfriede Söllner-Babes.

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