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Teuerungen sorgen für steigende Anfragen bei "Armut teilen"
Die Anfragen von Menschen, die finanzielle Hilfe brauchen, nehmen beim Projekt "Armut teilen" stark zu. Das berichtet der Projektleiter Thomas Neureiter.
SALZBURG. Pandemie, Inflation und steigende Lebenserhaltungskosten - dass immer mehr Salzburger von diesen Teuerungen betroffen sind, spürt man auch beim Projekt "Armut teilen", wie Projektleiter Thomas Neureiter im Interview schildert. "Armut teilen" ist ein Projekt der Erzdiözese, bei dem Menschen in der Stadt Salzburg, die sich in finanziellen Notlagen befinden, unterstützt werden.
Über zwei Jahre Pandemie und stetig steigende Kosten bei Miete, Strom und Lebensmittel. Ist die Zahl an Menschen, die Unterstützung brauchen, beim Projekt "Armut teilen" gestiegen?
Thomas Neureiter: Wir verzeichnen einen großen Zuwachs an Anfragen. Von 2019 auf 2020 sowie von 2020 auf 2021 gab es um jeweils 15 Prozent mehr Anfragen. Gestiegen ist sowohl die Anzahl der Haushalte, die wir finanziell unterstützen, als auch die Häufigkeit. Das Geld reicht bei vielen einfach nicht mehr aus. Mehr als ein Drittel der Menschen, die zu uns kommen, sind Alleinerzieherinnen. Bei nicht wenigen kommen auch Gewalterfahrungen und psychische Erkrankungen hinzu. Oft reicht das Geld dann nicht mehr aus, um Schulsachen zu kaufen. Aber auch Pensionisten fragen um Unterstützung an.
Hat sich die Armut in Salzburg verändert, sind neue Bevölkerungsgruppen hinzu gekommen, die um Hilfe ansuchen?
Thomas Neureiter: Die Armut ist offensichtlicher geworden. Es wird mehr und breiter darüber gesprochen, wodurch auch eine gewisse Enttabuisierung stattgefunden hat. Ich höre oft den Satz: "Es ist mir zwar peinlich, um Geld zu bitten, aber ich glaube, es geht derzeit vielen so und das Geld reicht einfach nicht mehr, um die Kosten abzudecken." Wir versuchen dann, die akute Notlage zu begleichen, das reicht von der Stromrechnung bis zum Geld für einen Lebensmitteleinkauf.
Verändert hat sich die Armut auch insofern, dass immer mehr Menschen um Hilfe bitten, die vor Kurzem niemals gedacht hätten, dass sie das tun müssen. Zur Lebensmittelausgabe in der Pfarre Herrnau kommen jede Woche 200 Haushalte. Ähnlich stark ist der Andrang bei den Sozialmärkten. Und wir reden hier von Grundnahrungsmitteln: Brot, Milch, Butter, nicht von irgendwelchen Luxusprodukten.
Geht die Gesellschaft generell heute anders mit dem Thema Armut um als noch vor zwei, drei Jahren?
Thomas Neureiter: Das Bild hat sich schon gewandelt, weil die Armut breite Teile betrifft. Auch Menschen, die Vollzeit arbeiten gehen, kommen oft nicht mehr über die Runden. Und eines muss man klar sagen: Keiner ist gerne arm. Niemand sucht gerne um finanzielle Unterstützung an.
Salzburg ist eine reiche Stadt, Österreich ein reiches Land. Wird genug getan, um von Armut betroffene Menschen zu entlasten?
Thomas Neureiter: Ich würde sagen, die gesamte soziale Versorgung ist grundsätzlich gut und viele Risiken sind abgedeckt. Wo es aber hapert, ist das 2021 in Kraft getretene neue Sozialunterstützungsgesetz, da wurden manche Leistungen gekürzt. Das muss repariert werden. Und ein großes Thema ist die Unterstützung von Alleinerziehern, da muss etwas verbessert werden, etwa beim Thema Unterhaltszahlungen.
"Armut teilen" ist ein Projekt der Erzdiözese. Wie sehen Sie die Rolle der Kirche, um von Armut betroffenen Menschen zu unterstützen? Tut die Kirche genug?
Thomas Neureiter: Es ist in den Genen jedes Christen, dass die Nächstenliebe und die Sorge um die Armen ein wesentlicher Bereich ist. Da passiert auch sehr viel und mit Papst Franziskus gibt es da auch einen Auftrag von höchster Stelle. Aber ich denke, quantitativ könnte man mehr tun und es würde manchen Pfarren auch gut anstehen, mehr zu tun. Es wäre auch mehr Bedarf gegeben und die Anfragen nach finanzieller Unterstützung steigen ja auch an. Wichtig ist der Zusammenhalt als Gesamtgesellschaft, auf die anderen zu schauen und nicht nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein.
Einen weiteren Bericht zum Thema Teuerungen findet ihr hier:
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