Psychologie / Psychotherapie
Bulimie: Ess- und Brechanfälle

Was ist Bulimie (Bulimia Nervosa)?

Bei der Bulimia Nervosa leiden die betroffenen Personen unter Ess- und Brechanfällen.

Zur Diagnostik der Bulimie

NachDSM-5 (der fünften Auflage des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) bedarf es folgender Symptome, damit eine Bulimie diagnostiziert werden kann:

  • A) Wiederholte Episoden von Essanfällen (es werden dabei große Mengen gegessen, die betroffenen Personen verlieren jede Kontrolle, es handelt sich um regelrechte Ess- und Brechanfälle),
  • B) Wiederholte Anwendungen von unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen, um nicht an Gewicht zuzunehmen (etwa selbst herbeigeführtes Erbrechen, Brechanfälle);
  • C) Die Essanfälle und kompensatorischen Maßnahmen finden im Durchschnitt mindestens einmal in der Woche statt und dauern länger als drei Monate an.
  • D) Die Figur und das Körpergewicht haben einen übermäßigen Einfluss auf die Selbstbewertung und das Selbstwertgefühl einer Person.
  • E) Die Störung tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexie (Magersucht) auf.

In der ICD-10 (der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ in ihrer zehnten Revision") wird die Bulimie unter F50.2 beschrieben. Kriterien sind:

  • Wiederholte Anfälle von Heißhunger,
  • Übertriebene Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichtes, die zu einem Verhaltensmuster von Essanfällen, Erbrechen oder dem Gebrauch von Abführmitteln führt,
  • Dabei ähneln viele psychische Merkmale denen der Magersucht, etwa die übertrieben-zwanghafte Beschäftigung mit der Körperform und dem Gewicht.
  • Das wiederholte Erbrechen kann zu Elektrolytstörungen und körperlichen Komplikationen führen.
  • Häufig lässt sich in der Anamnese eine frühere Episode einer Anorexia Nervosa (Magersucht) mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren nachweisen.

Film: "Bulimie - Was steckt hinter der Essstörung?"

Fast alle Menschen, die unter Bulimie leiden, haben ein normales Körpergewicht.

Körperliche Symptome der Bulimie sind:

  • Schwellungen der Speicheldrüsen,
  • Ein unregelmäßiger weiblicher Zyklus,
  • Einrisse in der Speiseröhre,
  • Gleichgewichtsstörungen im Elektrolythaushalt,
  • Magendehnungen bis zur Perforation,
  • Schädigungen des Zahnschmelzes,
  • Manchmal auch Mundgeruch,
  • Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse und der Schilddrüsenachse,
  • Erhöhte Werte des Wachstumshormons,
  • Osteoporose,
  • Veränderungen beim EKG (Elektrokardiogramm),
  • Verstopfungen und Problemen beim Stuhlgang,
  • Eiweißmangel und niedere Gesamteiweißwerte und damit einhergehende Ödeme;

Persönlichkeit und Psychodynamik

Menschen, die unter Bulimie leiden, sind oft sehr selbstunsicher und haben große Angst vor der eigenen Unsicherheit. Sie sind davon überzeugt, nichts im Leben bewirken zu können und weisen ein geringes Selbstwertgefühl auf. Häufig haben sie das Bestreben, es allen Mitmenschen um jeden Preis rechtzumachen. Sie sind unzufrieden mit ihrem Körpergewicht und der eigenen Figur und weisen histrionische oder Borderline-Züge auf (in diesem Fall sind die Essanfälle psychodynamisch mit Selbstverletzungen gleichzusetzen).

Auf der psychodynamischen Ebene kann die Bulimie folgende Funktionen haben: Die betroffenen Menschen rächen sich für erlittene Kränkungen, verschaffen sich durch die Essanfälle heimliche Genugtuung für erduldetes Unrecht. Auch Langeweile, innere Leere, mangelnde innere Struktur, die verzweifelte Suche nach Halt, Reinigung oder Strafe sowie das Verheimlichen der Schwäche für das Essen und der Abbau von inneren Spannungen lassen sich beobachten.

In den Essattacken wird zudem auch eine unersättliche Gier spürbar, die den Mangel an bedingungsloser Liebe und Akzeptanz kompensieren soll, den die Betroffenen oft in ihrer Kindheit erfahren mussten.

Die Betroffenen leiden nicht selten unter schweren Bindungsstörungen, Frühstörungen oder Persönlichkeitsstörungen und essen, weil sie sich leer und einsam fühlen oder starke Verlustängste haben.

Die Wut auf andere kann nicht konstruktiv und erwachsen ausgelebt werden, sondern wird durch Essen und Erbrechen gegen sich selbst gewendet. Die darauf folgenden Schuldgefühle sollen durch das Erbrechen gemildert werden und werden als selbstverletzendes Verhalten zur Selbstbestrafung eingesetzt.

In der Biographie der von Bulimie-Betroffenen wurde der Mangel an elterlicher Aufmerksamkeit, Bestätigung und Liebe oft durch Verwöhnung, Geschenke, Materielles oder Essen kompensiert. Wenn das Kind sich einsam oder unglücklich fühlte, bekamen die Eltern Schuldgefühle und versuchten, das Kind mit Materiellem zu verwöhnen. Das Kind lernte, dass es Gefühle von Einsamkeit, Wut, Angst und Leere durch Materielles, Süßigkeiten, Getränke und Essen vorübergehend abmildern kann. Es lernte aber nicht, dass seine Emotionen und Gefühle ausgehalten und von den Eltern containt wurden.

Film: "Bulimia nervosa"

Familiäre Aspekte können sein:

In Familien, in denen Bulimie gehäuft auftritt, ist oft der Zusammenhalt gering. Die Beziehungen sind mitunter Schein- oder Fassadenbeziehungen. Über Gefühle wird wenig oder kaum gesprochen. Es gibt viele familiäre Tabus, Verlogenheit, Leugnungen und diffuse Grenzen. Die Stimmung ist insgesamt recht angespannt. Es wird großer Wert auf Leistung und Erfolge gelegt, während die Ziele der Individuen unfrei sind und nicht selbst gewählt werden können („Ich weiß, was gut für dich ist!“). Die Familienmitglieder überwachen und beaufsichtigen einander, und die emotionale Missbrauchsdynamik ist groß. Starke emotionale Abhängigkeiten sind zu beobachten.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Logotherapie und Existenzanalyse)

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