trans*ident
Gutachten in Deutschland und Österreich - die Unterschiede

Gutachten sind fast immer notwendig

Da ich im Bundesland Salzburg als Grenzregion zu Deutschland arbeite und auch online psychotherapeutisch mit trans* (trans*identen, trans*gender, transsexuellen, nicht binären) Menschen in Deutschland arbeite, möchte ich in diesem Beitrag auf die großen Unterschiede bei der Erstellung von Gutachten in Deutschland und Österreich hinweisen.

In den meisten europäischen Ländern müssen sich trans*Personen medizinisch, psychologisch und psychiatrisch untersuchen lassen, wenn sie ihren Personenstand ändern möchten oder medizinische und hormonelle Maßnahmen zur Angleichung an das Wunschgeschlecht anstreben. Es braucht dann in der Regel ein psychologisches oder sogar gerichtliches Gutachten.

Lesen Sie in diesem Artikel über die Unterschiede in den trans*Gutachten bzw. Stellungnahmen bei trans*Identität in Österreich und Deutschland.

Die Situation in Deutschland

Im Gegensatz zu Österreich ist das ganze Prozedere in Deutschland wesentlich komplexer, komplizierter und auch trans*feindlicher. So müssen Betroffene in Deutschland laut dem „Transsexuellengesetz“ aus dem Jahr 1981 mit Psycholog*innen und einem/einer Richter*in sprechen, um ihren Vornamen und ihr Geschlecht offiziell ändern zu können.

Die Gutachter*innen und Richter*innen sind dabei nicht immer trans*freundlich eingestellt. Trans*Personen müssen zwei unabhängigen Gutachter*innen ihre trans*Identität beweisen, stehen also in einer Bringschuld, was per se schon mal aus einer ethischen Perspektive hoch problematisch ist, weil nur eine trans*Person selbst spüren kann, wie sie sich fühlt, und es hier auch nichts zu beweisen gibt. Zudem kann dieser Prozess in Deutschland viele Jahre lange dauern.

Immer wieder kommt es hier zu Problemen, etwa wenn gerichtliche Gutachter*innen zu wenig sachkundig sind oder die betroffenen Menschen und ihre Gefühle einfach nicht ernstnehmen und deren Geschlechtsinkongruenz anzweifeln. Auch das Schreckgespenst der Detransition macht so manchem/mancher Gutachter*in Angst.

Etwa ein Prozent aller Menschen wollen nach ihrem Prozess der hormonellen und chirurgischen Maßnahmen zur Anpassung an das Gegengeschlecht wieder zurück in ihren ursprünglichen Körper. Das nennt man „Detransition“ oder „Retransition“. Ist ein Gutachter*/eine Gutachterin* überängstlich, so verweigert er/sie ein positives Gutachten. Die psychischen Belastungen für die betroffene trans*Person überwiegen hier dann das geringe Risiko der Detransition bei Weitem.

Filmtipp: "Trans*: Wer bestimmt mein Geschlecht?"

Der Prozess der Begutachtung wird von vielen trans*Personen in Deutschland als sehr entwürdigend erlebt. Je nach Gutachter*in kann dieser Prozess unkompliziert verlaufen oder aber zum Spießrutenlauf werden.

Gutachten in Österreich

In Österreich ist das Verfahren insgesamt unkomplizierter als in Deutschland, und es braucht hier kein gerichtliches, sondern ein

  1. psychotherapeutisches ODER psychologisches Gutachten
  2. und ein fachärztliches Gutachten

welches formal "Stellungnahme" lautet.

Allerdings gibt es auch in Österreich noch viel zu tun. Trans* und inter*geschlechtliche Menschen sehen sich noch immer mit bürokratischen Hürden konfrontiert, wenn sie selbstbestimmt in ihrem Wunschgeschlecht leben möchten.

Denn der Personenstand ist in Österreich nicht frei und selbstbestimmt wählbar. Möchte ein trans*Mensch seinen Personenstand ändern, so benötigt er pathologisierende Diagnosen und psychiatrische Gutachten, die der betroffenen Person eine psychische Erkrankung ausstellen. Die strikte Regulierung des Zugangs zu trans*spezifischen Behandlungen durch psychologisch-psychiatrische Begutachtung steht in der Kritik von trans*Organisationen. Geschlechtsdysphorie und trans*Identitäten haben nämlich nichts mit einer psychischen Erkrankung zu tun.

In Österreich dürfen trans*Menschen heute auch ohne körperliche Behandlungen (wie Hormone, Operationen) ihren Personenstand ändern. Dazu sind allerdings psychologische Begutachtungen nötig, was viele trans*Menschen als Bevormundung empfinden, weil sie selbst darüber entscheiden möchten, wie sie leben. Sie fordern mehr Selbstbestimmung über ihren Körper und medizinische Behandlungen.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Logotherapie und Existenzanalyse)

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