Interview
Tier- und Pflanzenarten um 20 Prozent gesunken

Mit der Novelle des Naturschutzgesetzes will Landesrätin Maria Hutter die Magerwiesen schützen. | Foto: Land Salzburg/Schwaighofer
  • Mit der Novelle des Naturschutzgesetzes will Landesrätin Maria Hutter die Magerwiesen schützen.
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Landesrätin Maria Hutter mahnt: Sensible alpine Bereiche, Klammen, Flüsse und Moore müssen frei von Freizeitnutzung bleiben.

SALZBURG. Mountain- und E-Biker, Bergsteiger, Paragleiter – kaum ein Bereich, in der Natur wo keine Menschen mehr hinkommen. Frau Landesrätin, was passiert dadurch in der Natur?
MARIA HUTTER:
Grundsätzlich freut es mich, wenn viele Menschen unsere Natur genießen und ihre Freizeit in den wunderbaren Landschaften unseres Bundeslandes verbringen. So bekommen sie einen direkten Bezug zur Natur und lernen, diese auch zu achten und zu schützen. Die Natur kann sich diesem Nutzungsdruck bis zu einem gewissen Grad relativ gut anpassen. So lassen sich Tiere, die in stärker genutzten Regionen leben, von Wanderern oder Radfahrern nur gering in ihrem Verhalten stören, sie zeigen deutlich höhere Toleranz. Anders ist dies in Naturbereichen mit wenig Touristennutzung. Da reagieren die Tiere sofort und schon einzelne Personen können großen Schaden anrichten. Besonders in Zeiten der Brut, Jungenaufzucht oder im Winter müssen sensible Gebiete gemieden werden.

Gibt es konkrete Beispiele was die Nutzung auf Salzburger Bergen, an Seen, Flüssen usw. schon ausgelöst hat?
MARIA HUTTER: Leider bemerkt man negative Folgen sehr stark bei selten vorkommenden Lebensräumen. Schotterbänke, auf denen früher Bodenbrüter wie der Flussregenpfeifer oder seltene Heuschreckenarten vorkamen, findet man heute kaum mehr. Zum einen verschwanden durch Flussregulierungen viele dieser Schottflächen, zum anderen werden diese gerade jetzt, in den heißen Tagen, gerne als Bade- und Freizeitplatz genutzt. Dadurch ist der Großteil dieser Arten nur noch an sehr wenigen Orten zu finden oder gar schon verschwunden.

Wo liegt die Grenze der Naturnutzung durch Freizeitsportler?
MARIA HUTTER: In den Bergen sind unter anderem Brutwände von seltenen Vogelarten, Bereiche mit Schutzwaldaufwuchs sowie Wildruhezonen und an unseren Seen viele Flachwasser- und Schilfbereiche besonders sensibel.
Die Grenze liegt sicherlich beim Einsatz technischer Hilfsmittel in sensiblen Bereichen. So stellt Beispielsweise ein einzelner Schwimmer in Ufernähe eines Schilfbereichs meist noch kein Problem für brütende Vögel dar, nähert sich dieser aber mit einem Standupboard, Kitesurfer oder gar batteriebetriebenem Boot, wird der Brutplatz oft von den Elterntieren verlassen und die Aufzucht misslingt. In den Bergen und im Wald bedeuten Wanderer für das Wild wenig Gefahr. Mit Bike, Snowboard oder anderwertigem Sportgerät ausgerüstet, führt die dadurch ausgelöste Flucht für die Tiere oft in den Tod.

Muss es auch Landschaftsteile geben, die frei von Bewirtschaftungs- und Freizeitnutzungsdruck sind?
MARIA HUTTER: Ja, in Schutzgebieten und anderen ausgewiesenen Bereichen soll man die ausgeschilderten Wege nicht verlassen. Auch in der Zeit zwischen Dämmerung am Abend und dem Sonnenaufgang sollen Wälder, Uferbereiche und Moore gemieden werden, um die Wildtiere nicht unnötig zu stören.

Wie kann man die Nutzung eindämmen?
MARIA HUTTER: Es bedarf einer intelligenten Nutzerlenkung. Gut funktioniert das schon beispielsweise im Natura 2.000 Gebiet Weidmoos sowie im Nationalpark.

Wie kann kontrolliert und sanktioniert werden?
MARIA HUTTER:
Kontrolliert wird durch die Berg- und Naturwacht, die Fischerei- oder Jagdaufsichtsorgane sowie durch die Polizei, wobei Aufklärung hier meist Vorrang gegenüber einer Strafe hat. Oftmals ist den Verursacher ihr Fehlverhalten gar nicht bewusst, da sie das Schutzgut nicht erkennen. In diesen Fällen haben aufklärende Gespräche oft den größeren und nachhaltigeren Nutzen.

Von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die es weltweit gibt, ist rund eine Million vom Aussterben bedroht. Wie ist die Situation in Salzburg?
MARIA HUTTER:
In den meisten Lebensräumen auf dem Land ist die Zahl der natürlich vorkommenden Tiere und Pflanzen in den vergangenen Jahrzehnten um mindestens 20 Prozent gesunken. Neben den raschen Veränderungen beim Klima spielt der Verlust von Lebensraum, die Landschaftszerschneidung durch Siedlungsräume und Verkehrswege, aber auch das Einwandern gebietsfremder Arten eine Rolle.

Gibt es positive Beispiele für die Erhaltung der Artenvielfalt und den Natur- und Landschaftsschutz in Salzburg?
MARIA HUTTER: Hier gibt es unzählige Beispiele. Wir in Salzburg werden nicht nur von Urlaubern oder Naturliebhabern um viele weltweit sehr seltene Arten, die bei uns noch vorkommen, beneidet. Auch Wissenschaftler und Experten aus anderen Ländern schätzen unsere Region aufgrund der hohen Wasserqualität in unseren Bächen, der vielen kleinstrukturierten Kulturlandschaftsbereiche und der naturnahen Wälder. Jeder Experte wird bestätigen, dass wir herausragende Naturlebensräume mit internationaler Bedeutung haben.

Immer wieder stehen auch Landwirte in der Kritik mit ihrer Form der Bewirtschaftung das Artensterben in der Tier und Pflanzenwelt zu begünstigen. Wie ist die Situation in Salzburg?
MARIA HUTTER:
Die Landwirtschaft produziert die Produkte, die vom Handel und somit von den Konsumenten gekauft werden. Dieses Konsumverhalten spiegelt sich in der Landschaft wieder. Allgemein lautet hier die Regel: Umso günstiger die produzierten Lebensmittel sind, umso gleichförmiger, artenärmer, großflächiger, mit mehr Chemie-, Maschinen- und Düngeeinsatz müssen diese erzeugt werden. Hierbei hat die Natur, der Tierschutz aber auch der Mensch wenig Platz.

LR Maria Hutter: "Wir in Salzburg haben eine größtenteils hochwertig produzierende Landwirtschaft mit einem Bio-Anteil von beinahe 50 Prozent, dazu im Verhältnis zu anderen Staaten eine sehr kleinräumige Kulturlandschaft und einen hohen Anteil extensiv genutzter Wiesen."


Wie passt Naturschutz und Landwirtschaft zusammen?
MARIA HUTTER: Landwirtschaft und Naturschutz gehören eng zusammenpassen. Viele Lebensräume bei uns sind erst durch die bäuerliche Bewirtschaftung entstanden. Diese Lebensräume, wie zum Beispiel Blumenwiesen, gibt es auch nur solange sie gemäht oder beweidet werden, ohne Bewirtschaftung werden sie wieder zu Wald. Zudem wird für unsere Bauern der Erhalt der Artenvielfalt zunehmend bedeutender, da artenreiche Lebensräume bei Klimaveränderung deutlich stabiler reagieren.

Wo steht aktuell die Novelle des Naturschutzgesetzes, in der die Definition für die Magerwiesen geändert werden soll – was bei diversen Naturschutzorganisation für Aufschreie gesorgt hat?
MARIA HUTTER: Es geht hier nicht um die Definition der Magerwiesen, sondern darum, dass es grundsätzlich zwei Arten von geschützten Lebensräumen gibt:

  1. Natürlich entstandene Biotope wie Gewässer oder Moore, die am besten gedeihen, wenn Menschen sie meiden.
  2. Geschützte Lebensräume wie zum Beispiel die Magerwiesen, die erst durch Landwirte geschaffen wurden und nur durch die jährliche Mahd erhalten bleiben. 

In den letzten 30 Jahren sind landesweit 14.000 Hektar Wiesen verbuscht und verwaldet, weil Bauern die Bewirtschaftung aufgegeben haben. Hier müssen wir reagieren und den Vertragsnaturschutz ausbauen, da der gesetzliche Schutz hier das falsche Instrument ist. Wir wollen im Herbst die Novelle des Naturschutzgesetzes beschließen. Ich hoffe, dass wir hier ein Signal an die Grundeigentümer senden können, um unsere Wiesen erhalten zu können, da wir ansonsten weiter so viele Flächen verlieren werden, wie in den letzten Jahren.

Wo steht man aktuell bei der Umsetzung der Aarhus-Konvention?
MARIA HUTTER:
Bei der Aarhus Konvention geht es um den Zugang zu Informationen und die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten. Dieses Thema habe ich ebenso wie die seit 15 Jahren überfällige Ausweisung von Natura 2.000 Gebieten geerbt. Die Natura 2000 Europaschutzgebiete konnten wir zwischenzeitlich mit Zustimmung der Grundeigentümer nach Brüssel melden (>>hier<< lesen sie mehr zum Thema) und auch bei der Umsetzung der Aarhus-Konvention bin ich zuversichtlich, dass wir im Herbst ein gutes Gesetzespaket beschließen können.

Lesen Sie mehr über die Themen der Landesrätin Maria Hutter (ÖVP):

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