Psychologie / Psychotherapie
Isolation als Form der Psychischen Gewalt

Wenn Menschen emotionale Gewalt erleben müssen

Emotionaler Missbrauch und Isolation fallen unter psychische Gewalt.
In diesem Beitrag beschreibe ich die Isolation als ein Beispiel von psychischer Gewalt.

Was ist psychische Gewalt?

Psychische Gewalt und emotionaler Missbrauch finden normalerweise im unmittelbaren sozialen Umfeld statt, also in Familien, in Partnerschaften, am Arbeitsplatz oder in Schulen. Dabei ist psychische Gewalt subtiler als körperliche oder sexualisierte Gewalt und daher schwerer als solche zu erkennen. Psychische Gewalt kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden und hat viele Seiten. Sie beginnt oft schleichend und verfestigt sich im Laufe der Monate und Jahre. Hierbei können auch bei erwachsenen Menschen Traumatisierungen entstehen, die tiefer gehen als psychische Narben nach körperlichen Übergriffen.
Gefährlich ist psychische Gewalt auch deshalb, weil sie auf psychodynamischer Ebene ansteckend (giftig bzw. toxisch) wirkt. So nimmt der/die gesunde Partner*in oft gewaltvolle Erfahrungen in sich hinein (Internalisierung) und handelt dann in Streit- und Konfliktsituationen ebenfalls psychisch gewalttätig. D.h. er wird dem/der Täter*in mitunter ähnlicher. Hier kann dann die/der Täter*in wiederum manipulieren und sagen: „Ich muss Dich ja so behandeln, wenn Du so schlecht mit mir umgehst.“ Eine Spirale der Gewalt setzt sich in Gang.

In meiner Praxis fällt mir auf, dass Männer noch seltener psychische Gewalt oder emotionalen Missbrauch erkennen oder zur Sprache bringen, wenn sie Opfer von Frauen oder anderen Männern werden. Gerade unter Männern besteht ein Tabu und Schweigegebot, wenn diese Opfer von Gewalt werden.

Filmtipp: "Domestic Violence: Psychological Abuse"

Psychische Gewalt ist subtil und hat viele Seiten. Den Opfern fällt es oft schwer, diese zu erkennen.

Isolation ist soziale und psychische Gewalt

Bei Isolation handelt es sich um soziale, psychische Gewalt, etwa wenn Eltern ihre Kinder einsperren oder wenn der Ehemann seiner Frau das Handy wegnimmt. Auch Kontaktverbote, z.B. wenn Eltern ihren Kindern den Umgang mit ihren Freund*innen oder Partner*innen verbieten oder selbst mit Liebesentzug reagieren, fallen unter Isolation.

Ein Beispiel:
Andrea ist 16 Jahre alt und hat einen Freund, der von ihren religiösen Eltern, die einer Freikirche angehören, abgelehnt wird. Der Grund dieser Ablehnung ist Andrea ein Rätsel, da ihr Freund gut und liebevoll mit ihr umgeht. Andreas Eltern fordern allerdings von Andrea, dass sie bis zu ihrer Eheschließung keinen Sex hat. Das erste Mal sollte erst nach der Hochzeit stattfinden. Andrea fühlt und spürt das ganz anders und kann die religiösen Überzeugungen ihrer Eltern nicht teilen. Ihre Eltern verbieten ihr eines Tages, ihren Freund wiederzusehen. Dieser darf auch nicht die Wohnung, in der Andrea mit ihren Eltern lebt, betreten. Das Argument der Eltern ist: „Wir meinen es ja nur gut mit dir. Er nützt dich nur aus. Du solltest jetzt noch keine Zärtlichkeiten mit einem Mann austauschen und schon gar keine Sexualität haben. Heb dich für die Ehe auf!“

Nachdem Andrea dagegen rebelliert und sich auflehnt, nehmen ihr ihre Eltern das Handy weg. Die Mutter teilt dem Freund von Andrea mit, dass er sich unbedingt von ihrer Tochter fernhalten müsse, ansonsten würde sie ihn wegen Stalkings anzeigen.
Andreas Mutter musste in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erleben und ist deshalb traumatisiert. Ihr Vater wurde emotional von seiner eigenen Mutter als Partnerersatz missbraucht und manipuliert.

Film: "4 signs of emotional abuse"

Psychische Gewalt kann zu Traumatisierungen und psychischen Wunden führen. Suchen Sie sich Hilfe!

Die psychische Gewalt in diesem Beispiel ist multidimensional und komplex. Dabei ist es nebensächlich, welcher Religion oder Konfession die Eltern angehören. Viel ausschlaggebender ist es, dass beide Eltern Opfer von Gewalt wurden und selbst schwer traumatisiert sind. Diese Traumatisierung geben die Eltern nun an Andrea weiter, ohne dass es ihnen bewusst wäre und werden damit selbst zu Tätern.

Neben der Isolation finden sich auch noch andere psychische Gewaltakte: So wird Andreas’ authentisches Bedürfnis nach Nähe und Sexualität mit ihrem Partner völlig übergangen. Ihre Gefühle werden nicht wertgeschätzt (validiert), sondern ideologisch abgewertet. Das Verbot, den Freund wiederzusehen und das Abnehmen des Handys sind schwere Grenzüberschreitungen vonseiten der Eltern, und die Aussage „Wir meinen es ja nur gut mit Dir. Er nützt Dich nur aus“ ist ebenfalls gewaltvoll, weil Andrea spürt und erlebt, dass ihr Freund liebevoll und gut mit ihr umgeht. Die Eltern übertragen ihre eigenen Realitätsverzerrungen und Traumatisierungen auf ihre Tochter.
Wenn die Mutter Andreas’ Freund mit dem Stalking-Vorwurf droht, wird sie selbst zur Täterin. Sie schüchtert den Partner ihrer Tochter ein und macht ihn dann als Opfer zum Täter (Täter-Opfer-Umkehr, d.h. Victim Blaming).

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Logotherapie und Existenzanalyse)

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