Psychologie
Narzisstische Persönlichkeitsstörung und Narzissmus

Die Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nach DSM-5 (dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders in seiner fünften Auflage) ein durchgängiges Verhalten von Grandiosität (in der Phantasie oder im Verhalten), ein Verlangen nach Bewunderung und ein Fehlen von Empathie, Feingefühl und Sensibilität.

Mein Tipp: die Serie "THE BOYS"
Eine Superheldentruppe voller narzisstischer und toxischer Persönlichkeiten


In der Serie "The Boys" wird der toxische und maligne Narzissmus bei den "Superhelden" sehr schön abgebildet. Die betroffenen Charaktere legen nur gespielte Emotionen an den Tag, auch ihre Empathie ist stets geheuchelt und gemimt. Es geht ihnen nur um den äußeren Schein, ihr falsches Fassadenselbst und nicht um ihr authentisches-personales Sein.

Symptome der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Information zu Narzissmus

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung beginnt im frühen Erwachsenenalter.
Sie zeigt sich in einer Vielzahl von Lebensbezügen in mindestens fünf (oder mehr) der folgenden Kriterien:

  • Ein anhaltendes Muster von Grandiosität, Bewunderung und mangelndem Mitgefühl. Dieses Muster wird durch das Vorhandensein von mindestens fünf der folgenden Punkte gezeigt:
  • Ein übertriebenes, unbegründetes Gefühl der eigenen Bedeutung und Talente (Grandiosität). Die Beschäftigung mit Phantasien von unbegrenzten Erfolgen, Einfluss, Macht, Intelligenz, Schönheit oder der vollkommenen Liebe
  • Der Glaube der davon betroffenen Person, dass sie speziell und einzigartig sei und sich nur mit den Menschen auf höchstem Niveau verbinden sollte
  • Der Wunsch, bedingungslos bewundert zu werden
  • Ein Gefühl des Anspruchs
  • Ausnutzen, Benutzen und Missbrauch anderer, um die eigenen Ziele zu erreichen
  • Ein Mangel an Empathie
  • Neid auf andere und der Glaube der narzisstisch gestörten Person, dass andere sie beneiden
  • Überheblichkeit und Hoffart
  • Sind nicht alle Kriterien voll erfüllt, sondern nur drei oder vier, dann spricht man von einer "narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung".

Das zentrale Schema ist der psychische und emotionale Missbrauch der Mitmenschen
Das zentrale Beziehungsmotiv eines narzisstischen Menschen liegt in der Ernährung des grandiosen Selbst.
Es besteht eine vampirische, aussaugende Gier nach Bestätigung, exzessiver Bewunderung, nach Anerkennung und Hochachtung. Die betroffene Person möchte in ihrer Bedeutsamkeit immerfort bestätigt werden.

Sobald eine Eroberung (etwa ein sexueller Kontakt, eine Affäre, eine Leistung) vollzogen ist, verringert sich der narzisstische Jagdinstinkt.

Die narzisstische Persönlichkeit ist davon überzeugt, etwas Besonderes und Herausragendes zu sein, ganz besondere Probleme zu haben, zu Großem geboren zu sein, niemanden zu brauchen und keine Angst zu kennen.

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit konnten ihre Schwächen nicht integrieren und müssen diese deshalb abspalten. Schmerz und Angst sind dabei wie betäubt. Typische Ängste von narzisstischen Menschen äußern sich oft nur in Hypochondrien, aber auch in sexuellen Funktionsstörungen (etwa Erektionsschwächen oder sonstigen sexuellen Problemen) und somatoformen, psychosomatischen Erkrankungen.

Stärken und Vorzüge narzisstischer Menschen

Die Stärken und Qualitäten von narzisstischen Menschen werden vom sozialen Umfeld zu Beginn als angenehm, mit der Zeit jedoch als ausbeuterisch, empfunden. Hierunter fallen:

  • Das verführerische Werben, wenn der andere Mensch ein wichtiger ist,
  • Das Idealisieren,
  • Das Auserwählen und Emporheben des/der anderen
  • Narzisstische Menschen schaffen sich eine Gefolgschaft und ihr Lieblingspublikum. Sie sind erfolgreich und angesehen, sehr auf ihr Äußeres bedacht, sie laden andere ein und sind gönnerhaft.

Wir alle haben narzisstische Facetten und Seiten in uns, streben nach Anerkennung, Beachtung, schützen uns manchmal durch innere Abwertung anderer etc. Deshalb unterscheidet die Psychologie auch zwischen gesundem und gestörtem Narzissmus. Wie bei allen Phänomenen gilt auch beim Narzissmus: Die Dosis macht das Gift.

Fragen zum Ergründen des eigenen Narzissmus

Die folgenden Fragen können Ihnen helfen, eigene narzisstische Anteile zu reflektieren:

  • Welche narzisstischen Seiten, Anteile oder Momente erkenne ich bei mir selbst? Wann treten diese zutage und wie?
  • Unterdrücke ich meinen eigenen Narzissmus oder agiere ich ihn eher aus?
  • Welche konkreten Personen in meinem Leben haben mein Bild vom Narzissmus geprägt (etwa narzisstische Eltern, Lehrer*innen, Peers, Freund*innen, Partner*innen)? Und kenne ich so richtige Lehrbuchbeispiele von narzisstischen Persönlichkeiten?
  • Was fasziniert mich am Narzissmus?
  • Wo können narzisstische Menschen besonders gut bei mir andocken und wie? Etwa durch Schmeicheleien, indem sie mich idealisieren und in mir das Gefühl manipulieren, etwas ganz besonders zu sein (also bei meinem eigenen Narzissmus)?
  • Was macht mir Angst bei narzisstischen Menschen (etwa die Abwertungen meiner Person, das Missbräuchliche, die unersättliche Gier, ihr Manipulieren von Schuldgefühlen, ihr Versuch, meine Individualität einzuengen und zu unterdrücken, ihr Gaslighting). Was verletzt mich?
  • Habe ich Anteile von narzisstischem Menschen in meiner Biographie übernommen? Haben mich diese Beziehungen zu narzisstisch gestörten Persönlichkeiten geprägt? Sind hier noch Wunden, Verletzungen oder Traumen vorhanden? Wenn ja, wie gehe ich mit diesen um? Habe ich Schutzreaktionen entwickelt?
  • Fallen mir Schlüsselszenen ein?
  • Wie gehe ich heute mit narzisstischen Persönlichkeiten um?

Wie sind Narzist*innen in Beziehungen?

Narzisstische Menschen benötigen vor allem eines: Anerkennung und allumfassende Bewunderung. Sie wollen unbedingt wertgeschätzt, geliebt und gemocht werden. Sie sollen im Leben ihrer Beziehungspartner*innen die wichtigste Rolle spielen und erwarten unbedingte Solidarität und Loyalität. Darüber hinaus fordern sie unendlich viel Lob und Bewunderung.

Die zwei Muster (Schemata) des Narzissmus

Narzisstische Persönlichkeiten leiden unter zwei völlig diametralen Mustern bzw. Schemata. Sie haben nämlich in ihrer Lebensgeschichte gelernt, dass sie nur geliebt und anerkannt werden, wenn sie ständig Herausragendes leisten. Deshalb mussten sie auch stets erfolgreich sein. Brachten sie etwa schlechte Schulnoten nach Hause, so wurden sie massiv abgewertet und erhielten Liebesentzug. Nun müssen sie auch als Erwachsene permanent leisten und funktionieren.

Folgende zwei Muster (Schemata) existieren parallel nebeneinander:

  • Ein Muster bzw. Schema ist die Grandiosität: Narzisstische Personen sind in diesem Modus überzeugt, dass sie besser und tüchtiger seien als ihre Mitmenschen. Sie würden alles schaffen und könnten immer noch mehr leisten und vollbringen. Dieses Schema kann bis zum Größenwahn aufgebläht sein, oft ist es aber auch nur subtil ausgeprägt. Wenn die Grandiosität sehr stark ausgebildet ist, so ist dies ein Selbstschutzmechanismus vor dem zweiten negativen Muster.
  • Im zweiten Muster bzw. Schema fühlen sich narzisstische Menschen nie genug und nicht bedingungslos liebenswert. Sie sind davon überzeugt, immer wieder zu scheitern und völlige Versager zu sein. Sie fühlen sich grandios im klein-Sein und sind in diesem Modus sofort schwer verletzt und gekränkt.

Im richtigen Leben können beide Muster einander abwechseln. Sie sind aber nicht beide gleichzeitig aktiv. Im positiven Modus bin ich dann davon überzeugt, der Beste, Tollste, Tüchtigste und Attraktivste zu sein. Ich leiste permanent und überall, nehme jede Herausforderung an und bin wie getrieben, überall und jedem zu beweisen, wie super ich doch bin. Doch bereits ein alltägliches Scheitern kann den zweiten Modus aktivieren: Ich fühle mich dann wie das Letzte, hässlich, ein völliger Versager, bin zutiefst verletzt und gekränkt und leiste dann gar nichts mehr, um nicht noch mehr zu versagen.

Im negativen Zustand werden Narzist*innen völlig pessimistisch und sind nicht mehr ansprechbar für Positives oder Ermutigungen. Gerade das macht ja ein Schema aus: Es ist rigide, starr und kann rationale Argumente oder neue Informationen, welche dem negativen Schema widersprechen, nicht aufnehmen.

Typische Gedanken sind:

  • "Leiste ich wirklich genug und sind meine Leistungen auch tatsächlich ausreichend genug?"
  • "Bin ich selbst genug? Reichen meine Fähigkeiten und mein Können tatsächlich aus?"

Diese permanenten Selbstzweifel martern und Quälen narzisstische Menschen. Deshalb müssen sie immer noch mehr tun, leisten, darstellen, überspielen, strahlen, prahlen und angeben.

Die beiden Schemata werden durch unterschiedliche Bedingungen und Situationen getriggert und ausgelöst. Befinden sich Narzist*innen im positiven Modus, so ist ihre Realitätsverzerrung und Wahrnehmung so stark, dass sie keinen Zugang mehr zu ihrem negativen Schema haben und ihnen der realistische Blick auf sich selbst, die Mitwelt und andere Menschen verloren geht. Beide Muster hemmen sich gegenseitig. Denn auch das negative Schema hemmt das positive. In diesem Fall ist der/die Narzisst*in nur noch ein kleines Häufchen Elend und hat keinen Zugang mehr zu dem, was positiv und wertvoll in ihm/ihr ist. Die Psychodynamik übernimmt jede Kontrolle.

Die psychische Dynamik des Narzissmus

Im Untergrund sind also permanent Zweifel, die oft vorbewusst oder ganz unbewusst sind, aktiv, welche die narzisstische Person quälen und infrage stellen. Der betroffene Mensch ist immer unsicher, ob er auch wirklich gut oder tüchtig genug sei und hat große Angst davor, als Hochstapler*in enttarnt zu werden. Narzisstische Menschen haben kaum Zugang zu ihren authentischen Gefühlen und Bedürfnissen, aber auch nicht zu dem, was sie gut können. Sie sind sich dann immer unsicher, ob ihre Gefühle und Bedürfnisse echt seien und ob sie ihrem Können und inneren Spüren vertrauen dürfen.

Narzisstische Menschen brauchen aber auch von ihren Mitmenschen statt echter Gefühle die Abwehrmechanismen der Verleugnung, der Idealisierung und der Spaltung. Sie möchten lieber vorgespielte und vorgetäuschte Emotionen und Gefühle, aber bitte keine echten.

Wer in Kindheit und Jugend keine bedingungslose Liebe und Bestätigung von Mutter oder Vater erfährt, sondern stattdessen emotionalen Missbrauch, Parentifizierung, emotionale Mängel, der wird später süchtig nach äußerer Bestätigung, Konsum, Erfolg, Spaß, Geld, Leistung, Ersatzbefriedigungen, Lob und Anerkennung. Das Äußere soll dabei die inneren Mängel, Wunden und Traumen kompensieren.

Narzisstische Menschen halten sich im tiefsten Innersten eben nicht für toll, herausragend oder grandios, sondern sind zutiefst verunsicherte kleine Jungen oder Mädchen. Permanent nagen Gefühle des Zweifels und der Kränkung an ihnen. Hilfreich ist hier das Bild des kleinen, ängstlichen Frosches, der sich bei äußerer Gefahr aufbläht, um größer, eindrucksvoller und bedrohlicher zu wirken. Narzisstische Personen sind nicht davon überzeugt, in Ordnung und liebenswert zu sein und gehen davon aus, dass auch ihre Mitmenschen sie nicht in Ordnung finden. Deshalb müssen sie sich größer machen als sie sind und permanent angeben, da sie Angst haben, in ihrer Kleinheit entlarvt zu werden. Die Grandiosität ist somit ein Kompensationsmechanismus und Selbstschutz.

Je mehr ein*e Narzisst*in angibt und beeindrucken möchte, desto größer sind seine/ihre Gefühle der Minderheit und des Selbstzweifels. Keineswegs ist der/die Narzisst*in so stark, wie er/sie es vorgibt, zu sein.

Die narzisstische Gesellschaft

Auch unsere Kultur, die Zeit in der wir Leben und unsere Gesellschaft haben einen Einfluss darauf, dass sich viele Menschen zu narzisstischen Persönlichkeiten entwickeln. Unsere Gesellschaft profitiert davon, dass viele Menschen unter narzisstischen Störungen leiden, dass narzisstisch Gestörte mehr leisten und sich für Geld und Prestige aufopfern.

Unsere Gesellschaft drängt uns förmlich dazu, andere Menschen zu besiegen, zu übertrumpfen, immer noch besser zu sein als alle anderen, uns zu vermarkten oder unsere Liebespartner*innen zu idealisieren. Die Verleugnung unserer natürlichen biologischen und psychologischen Grenzen ist mehr die Regel als die Ausnahme. Zugleich kostet uns diese Verleugnung viel an Lebensenergie und Kraft. Dieselbe Verleugnung macht uns psychosomatisch krank und isoliert uns sozial, lässt unsere Beziehungen scheitern.

Die Gesellschaft spiegelt immer auch die innerseelischen Strukturen der Bevölkerungsmehrheit wieder. Umgekehrt beeinflusst die narzisstische und hysterische Kultur dann wiederum die Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden. Es entsteht ein Teufelskreislauf. Durch diesen Kreislauf sind wir nicht nur Opfer, sondern auch Täter, weshalb wir uns bei all unseren psychischen und somatoformen Symptomen und Erkrankungen immer fragen sollten, was unser eigener Anteil an diesen ist.

Eine Gesellschaft, die verlernt hat, Schmerzen und Trauer auszuhalten und zu containen, fügt anderen Menschen unweigerlich Kummer, Leid und Schmerz zu. Das Verdrängte kehrt eben immer wieder.

In unserer narzisstischen Gesellschaft haben wir verlernt, unsere Mitmenschen in ihrem so-Sein zu akzeptieren, ihnen zuzuhören oder zu versuchen, sie tiefgehend zu verstehen. Das was uns erschüttert oder berührt, übergehen wir dann und nehmen es nicht mehr ernst. Wir bemühen uns auch nicht mehr, den/die andere*n in seinem/ihrem tiefsten Innersten zu verstehen, seine/ihre Bedürfnisse nachzuvollziehen, sondern idealisieren ihn/sie oder kritisieren vielmehr rasch, kommen mit billigen Lösungen und Ratschlägen, moralisieren, machen Vorwürfe und weisen zurecht. Dies alles kann als Abwehr verstanden werden, damit wir uns nicht tiefgehend auf den/die andere*n einlassen müssen.

Auch wir selbst teilen uns in der Regel nicht mehr mit unseren authentischen Emotionen und Bedürfnissen mit, sondern spielen ein Fassaden-Selbst bzw. ein falsches Selbst.

Unsere Konsum- und Leistungsgesellschaft hat völlig verlernt, dass das Leben zyklisch verläuft und alles seine Grenzen hat. Wir alle werden krank und sterben eines Tages. Unsere Beziehungen scheitern, wir verlieren Menschen, die uns nahestehen. Das ist sehr schmerzhaft und tut irre weh, aber immerhin besser als eine kollektiv manisch-narzisstische Verleugnung, als Selbstoptimierung und Idealisierung, welche so viele Menschen psychisch, somatoform und physisch krank werden lässt. Diese kollektive Abwehr zwingt uns zum Erfolg, zum Sieg, zum permanenten leisten-Müssen, damit wir Schmerz, Kummer, Not und Trauer nicht mehr spüren. Man denke auch an die Parteienpolitik, in der stets die anderen Parteien als falsch und schlecht gelten. Damit die eigenen individuellen und parteiinternen Begrenzungen und Defizite nicht erkannt und gefühlt werden müssen, werden Sie projektiv beim politischen Konkurrenten bekämpft.

Zudem können viele Menschen nicht mehr zwischen echten und hysterisch-aufgesetzten Gefühlen unterscheiden – auch nicht bei sich selbst.

Aufgesetzte Gefühle sollen eine Wirkung bei anderen Menschen erzielen und werden bewusst oder unbewusst eingesetzt, um andere zu manipulieren. Könnten wir unsere primären Emotionen und Gefühle mehr wertschätzen und angemessen zeigen, ausdrücken bzw. mitteilen, dann würde dies unsere Kultur gesünder machen.

Der Großteil aller Menschen ist felsenfest davon überzeugt, dass sie durch besondere Anstrengungen und Leistungen, aber auch durch übertriebenen Konsum, berufliche Erfolge und materiellen Besitz glücklicher im Leben würden und authentische Bedürfnisse, wie etwa nach Liebe und Nähe, dadurch kompensieren könnten.

Filmtipp: Der Rücktritt bzw. Rückzug von Sebastian Kurz
Ein Lehrbuchbeispiel für vorgetäuschte Gefühle

Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller sieht in Sebastian Kurz "klassisch narzisstische
Muster" und beschreibt Kurz als eine Person ohne Unrechtsbewusstsein.
Sehr schön werden die vorgetäuschten Emotionen, welche den/die Zuseher*in manipulieren sollen, in Sebastian Kurz' Abschiedsrede sichtbar. Kurz spricht von Gefühlen wie Reue, Verletzung, Schmerz und Freude, wobei diese nicht spürbar werden. In der Gegenübertragung kann dies beim/bei der Zuseher*in manipulierte Schuldgefühle, aber auch Wut, Empörung und Zorn als gesunde Reaktion auf den Manipulationsversuch auslösen. Als Resonanz können wir innere Leere oder Verwirrtheit spüren.

Echte, authentische Gefühle hingegen würden uns (wenn wir dies denn zulassen) berühren, uns innerlich mitschwingen lassen. Wir hätten eine Resonanz, denn echte Gefühle stecken an.

Narzisstische und histrionische Persönlichkeiten spielen uns die Gefühle vor, von denen sie denken, dass wir sie sehen möchten. Sie haben Ideen von Gefühlen, erleben diese jedoch gar nicht. Darum wirkt die Rede von Kurz auch so leer und distanziert, wenn er dargestellte und ausgedachte Gefühle repräsentiert. Es geht hier lediglich um die Performance, das perfekte Image, aber nicht um den personalen Ausdruck erlebter Gefühle und Emotionen. Dabei handelt es sich um eine Manipulation: Wir sollen als Zuseher*innen glauben, dass Kurz angemessen denke und fühle. Wir sehen hier die Vorstellung von Kurz als einem verletzten Menschen, der entrüstetes Selbstmitleid und Anteilnahme schauspielert. Dieses gemimte Selbstmitleid verunmöglicht ein empathisches Erleben seiner selbst und der Mitmenschen. Denn Selbstmitleid hat nichts mit dem Spüren der eigenen Trauer und des Schmerzes zu tun.

Empathische und gespürige Menschen erkennen hier die große Diskrepanz zwischen den präsentierten Gefühlen und den nonverbalen Botschaften, die Kurz unbewusst aussendet (etwa mit seiner Prosodie, mit seinen Bewegungen und Gesten, seiner starren Mimik). Die dargestellten Gefühle wurzeln nicht im Innersten und haben keinerlei Basis.
Dies ist typisch für viele Politiker*innen, die vor allem anständig und leistungsorientiert erscheinen möchten, um mit dieser gefälligen Fassade den Erwartungen ihrer Wähler*innen zu entsprechen. Nur dann fühlen sie sich angenommen und akzeptiert. Dieser Narzissmus wird von unserer Kultur gefördert und belohnt.

Persönlichkeiten mit derartigen Störungen wollen sich selbst nicht so sehen und erleben, wie sie im tiefsten Innersten sind. Sie sehen sich auch selbst so, wie sie meinen, dass sie gesehen werden sollten und verlieren dabei vor lauter Schauspielern den Zugang zu ihren primären Emotionen und Bedürfnissen.

Film: Rudolf Anschobers Abschiedsrede
Ein Beispiel für echten und personalen Gefühlsausdruck

Ganz echt und spürbar werden die Gefühle bei Rudolf Anschobers Abschiedsrede. Wir schwingen mit seinen Emotionen mit, sie berühren uns im Gegensatz zur inneren Reaktion der Genervtheit bei Sebastian Kurz. Autoritäre Charaktere und narzisstische Personen haben Anschober jedoch gerade deshalb nach seiner personalen Rede als Schwächling abgewertet. Sie mussten sich vor der Berührung durch narzisstische Abwehr schützen. Der eigene Schmerz und das eigene Leid wären ihnen nämlich zu unerträglich geworden.

Filmtipp: "Narzissmus und Gesellschaft"

Selbstdarstellung, Selbstvermarktung und die Frage, wie ich am Besten ankomme und weiterkomme, sind in unserer Gesellschaft weit verbreitete narzisstische Haltungen.

Wege aus dem Narzissmus

Werden wir nicht so geliebt, wie wir sind, dann versuchen wir später unser gesamtes Leben lang zu erraten, was von uns erwartet wird. Wir bemühen uns dann zu erspüren, was von uns verlangt wird, wie wir sein sollen, welche Rolle wir zu spielen haben, was wir vorgeben und vortäuschen und wie wir uns verhalten sollen. Uns fehlen der personale, authentische Kern, der Halt und Boden und die Gewissheit, dass wir schon richtig sind, so wie wir sind. Vielmehr versuchen wir, die Wünsche und Vorstellungen unserer Mitmenschen zu erraten und unser authentisches Sein zurückzustellen.

Ein heilsamer Weg wäre, wenn wir versuchten, unsere Kinder und Mitmenschen so zu verstehen und anzunehmen, wie sie sind. Wenn wir als Kinder nicht mehr irgendwelche Bedingungen erfüllen müssten, um geliebt zu werden, dann wäre schon viel erreicht.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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