Leserbrief von Christa Recheis-Kienesberger
An alle Corona-Leugner und -Gegner
Liebe Mitmenschen!
Ich bin wie ihr froh darüber, in einer Demokratie zu leben und alle Rechte, die diese uns bietet, zu genießen. Ich bin wie ihr in Sorge, wenn allzu viele Maßnahmen meine Freiheiten einschränken. Ich trage wie ihr sehr ungern Masken, ich bin traurig darüber, meinen Beruf nur eingeschränkt ausüben zu können. Es macht mir keinen Spaß, meine große Familie zu Weihnachten nicht einladen zu können. All das bedrückt mich genauso wie euch.
Aber die von euch so bekämpften Maßnahmen wie Abstand halten, Masken tragen, Hygienevorschriften beachten sehe ich als Schutz und Möglichkeit, vielleicht bald wieder einmal frei und ohne Abstand leben zu können. Ich verstehe die Radikalisierung der Debatte nicht, ich verstehe nicht, wieso ihr mit rechten Agitatoren auf die Straße geht, die nichts weniger wollen als die Freiheit des Einzelnen. Die aber die Gunst der Stunde nutzen, um unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit und der Menschenrechte ihre zerstörerischen, demokratiefeindlichen Parolen an den Mann und die Frau zu bringen.
Weder unsere Regierung, die in der Bekämpfung der Pandemie sicher auch Fehler gemacht hat und macht (Menschen machen Fehler, ist euch das vorher noch nie aufgefallen?), noch wir als „das Volk“ haben uns dieses Virus herbeigewünscht.
Ihr bekämpft die Regierung, ihr bekämpft den Lockdown – ist euch eigentlich klar, dass wir, die wir uns (oft zähneknirschend) an die Vorschriften halten, die Leidtragenden von eurem Umgang mit der Pandemie sind? Ihr tragt keine Masken, ihr haltet euch nicht an die Kontaktbeschränkungen, ihr findet Abstand lächerlich und ihr rennt brüllend masken- und abstandslos durch die Straßen, um eurem Unmut Luft zu machen. Dazwischen noch feuchtfröhliche Partys im Namen der Freiheit. Und die Zahlen steigen weiter. Dankeschön, das macht ihr echt gut. Mit eurer Hilfe ist der nächste Lockdown in sicherer Reichweite.
Selbstgerechtigkeit war noch nie ein guter Ratgeber. Eure Haltung unterhöhlt die Demokratie, die ihr ständig beschwört. Das Demonstrationsrecht ist ein Menschenrecht – wohl wahr. Aber wie jüngst in Gmunden passiert, meldet man nicht einmal mehr eine Demonstration an, sondern lädt zu einem „Spaziergang“ ein, um dann brüllend auf sich aufmerksam zu machen. Wie mutig! Die Demos, bei denen ich dabei war, richteten sich oft auch gegen die Regierenden, die waren aber angemeldet. Ihr wollt zwar keine Masken, versteckt euch aber hinter „Spaziergängen“, um eurem Unmut Luft zu machen.
So wird das nichts mit der Demokratie und mit dem Ende der Pandemie. Wer auf alle Schutzmaßnahmen verzichtet, um „frei“ zu sein, wird halt leben müssen mit dem Virus. Und wer die Demokratie von innen aushöhlt, wird auch mit dem leben müssen, was dabei herauskommt. Amerika macht es gerade vor, wollt ihr auch dorthin?
Ein Leserbrief von Christa Recheis-Kienesberger, Pinsdorf
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