Leserbrief
Schärdinger Kunsthistorikerin zerlegt Plan von Stadtplatzbegrünung

So könnte der Schärdinger Stadtplatz künftig aussehen. Kunsthistorikerin Beate Dandler hält nicht viel von dem Vorhaben. | Foto: ST raum a.
  • So könnte der Schärdinger Stadtplatz künftig aussehen. Kunsthistorikerin Beate Dandler hält nicht viel von dem Vorhaben.
  • Foto: ST raum a.
  • hochgeladen von David Ebner

Kunsthistorikerin Beate Dandler aus Schärding sieht die geplante Begrünung des Schärdinger Stadtplatzes mehr als nur skeptisch. Auch die Abtragung des Christophorus-Brunnen prangert sie an und spricht von politischer Farce.

Zum 150. Geburtstag von Karl Kraus rufen wir uns seine aphoristische Definition in Erinnerung: „Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.“

"In einem schon zur Groteske gesteigerten pseudo-ökologischen Denken und Agitieren hat die Stadtregierung nun beschlossen, in einem ersten Schritt die Innenstadt in eine so titulierte grüne Oase zu verwandeln."

Aus kunst- und architekturhistorischer Sicht gehört Schärding zu den österreichweit besterhaltenen mittelalterlichen Stadtanlagen im Typus der Inn-Salzach-Städte. Die, wenn auch nachbarocke, kunstvolle Einheit der Silberzeile ist das überregional bekannte Aushängeschild und durch seine Einzigartigkeit auch das unverwechselbare Markenzeichen der Stadt. Die historische Stadt ist unser Erbe, damit unsere Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und einziges Kapital. In einem schon zur Groteske gesteigerten pseudo-ökologischen Denken und Agitieren hat die Stadtregierung nun beschlossen, in einem ersten Schritt die Innenstadt in eine so titulierte grüne Oase zu verwandeln, wobei die Demolierung des Christophorus-Brunnens am Oberen Stadtplatz und die ansatzweise Bewaldung der beiden Hauptplätze zu einem geschätzten Preis von 600.000 Euro projektiert sind. Und das unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.

"Naive Erklärung"

Zum Christophorus-Brunnen: Der 1963 errichtete Brunnen bedürfe aktuell einer Umgestaltung, weil das Brunnenbecken zu tief sei und in seiner Form eine Gefahr darstelle.

1) Es gibt im österreichischen Baurecht keinen Passus, der die Tiefe eines Brunnenbeckens bestimmt.

2) Das vorschulische Gefahrendenken hat sich in dem bald 61-jährigen Bestehen des Brunnens glücklicherweise nie bestätigt, denn es ist kein gefahrvolles Vorkommnis überliefert. Das heißt Aufenthalte im Wasserbecken waren freiwillig.

Aber aus diesem Denken heraus will man das Becken abtragen und die überlebensgroße Figur des heiligen Christophorus in ein fünf Zentimeter tiefes „Lackerl“ auf den Boden stellen. Möglicherweise ist die Ikonographie dieses Heiligen bereits in Vergessenheit geraten, aber durch seine Hünenhaftigkeit und Kraft trug er Pilger durch einen reißenden Fluss und, wie von Hans Wimmer hier dargestellt, eben auch Christus in Gestalt eines Kindes. Selbstredend ist die Bedeutung von Fluss und Wasser für Schärding, aber auch, dass diese Figur nicht am Boden stehen darf. Die naive Erklärung seitens der Verantwortlichen, dass durch das Wasser laufende Kinder zukünftig den Heiligen auch berühren können, grenzt schon fast an Verhöhnung. Vom Berühren zum Beschmieren ist es nicht weit und zu guter Letzt wird noch jemand auf den glorreichen Gedanken kommen „der alte Mann entführt ein Kind“. Vielleicht ist aber auch jedes Gedankenspiel obsolet, denn der Brunnen steht – so wie er ist – unter Denkmalschutz!

Zur Baumpflanzung

Zur geplanten Baumpflanzung mit dem Ansinnen, wir müssten eine „klimafitte“ Stadt werden: Um das Ziel einer Reduktion der Temperatur auf dem Oberen Stadtplatz zu erreichen, bedürfte es der Aufforstung eines Waldes. Aber ein Platz ist weder ein Park noch ein Garten. Der zentrale historische (Handels)Platz nördlich und südlich der Alpen ist als multifunktionaler Raum genutzt und daher durchwegs baumlos. Bildlich belegbare Begrünungen des Schärdinger Stadtplatzes in den letzten 130 Jahren – ob durch Bäume, barockisierende Gartenanlagen oder Grüninseln – sind dank der mühelosen Reversibilität allesamt wieder verschwunden. Gründe dafür sind nicht nur die sich wandelnden ästhetischen Vorlieben, sondern auch ein damit verbundener, nicht unbeträchtlicher Pflege- und Kostenaufwand. Insofern könnte man sich mit einer gewissen Nonchalance zurücklehnen.

"Dargelegte Ignoranz" 

Allein die im Projekt dargelegte Ignoranz und das Nichterkennen des Wertes der historischen Platzarchitektur verlangen einen Kommentar. Es ist internationaler Standard, dass im Falle von Begrünungen die historischen Blickachsen erhalten, der Blick auf das „Sehenswerte“ gelenkt und bedeutende Fassaden unverstellt bleiben müssen. Durch die geplante Bewaldung im Bereich des Christophorus-Brunnen wird der Blick auf die Silberzeile erheblich beeinträchtigt. Den Vertretern der Meinung, die Silberzeile werde ohnehin in erster Linie vom Linzer Tor her wahrgenommen, hat sich das System Altstadt bisher nicht entschlüsselt. In der Visualisierung der Baumpflanzung vor dem „Grätzl“ wird das einzige historisch erhaltene Gebäude (Oberer Stadtplatz 44), bislang ein beliebtes Fotomotiv, „verstellt“ und somit der Blick auf die beiden seitlich angrenzenden „Neubau-Elephanten“ gelenkt. Die „Bebaumung“ des Unteren Stadtplatzes bedient sich des Zufallsprinzips.

Eine (klima)politische Farce

Der singuläre Hotspot in Schärding ist die Silberzeile. Sie ist im Hochsommer der einzige innerstädtische Bereich, der am längsten im Licht der Sonne strahlt und der direkt vorgelagerte Platz erreicht damit zwar die höchsten Lufttemperaturen, ist aber trotzdem der von Gästen und Einheimischen beliebteste Treffpunkt. Das „Grätzl“ und besonders der Untere Stadtplatz zeichnen sich vorwiegend durch ihr „Schattendasein/Beschattetsein“ aus. Die Argumentation der „Platz-Kühlung“ ist eine (klima)politische Farce und unreflektiertes Mainstreamdenken. In all dem „Klima-Trubel“ bleibt unbedacht, warum die Haupturlaubs und - ferienzeit gerade im Sommer ist, warum die Menschen (und nicht nur die Regierenden) sich seit Jahrhunderten in ihre Sommerquartiere am Land zurückziehen. Unbedacht bleibt auch die Tatsache, dass der Grüngürtel um die (Klein)Stadt sukzessive durch maßstabslose Wohnsilos – auch optisch – nachhaltig vernichtet wurde und wird.

"Die Argumentation der „Platz-Kühlung“ ist eine (klima)politische Farce und unreflektiertes Mainstreamdenken."

Die geplanten Grünbehübschungen werden auch mangels eines ausgeklügelten Pflanzsystems, sowie beim Raiffeisenbrunnen, vermutlich eine Allegorie der Kümmernis werden und infolge neuen guten und visionären Ideen weichen dürfen. Eine Re-Konzeption des Christophorus-Brunnens wäre im Vergleich dazu schon wieder ein größeres „Projekt“. Ob der Sinnhaftigkeit der aktuellen politischen Entscheidungen im Hinblick auf eine Weiterentwicklung der Stadt Schärding, erlaube ich mir als parteiloser Mensch ein Bonmot der vermutlich einzigen Gallionsfigur der sozialdemokratischen Partei Österreichs zu bedienen: „Lernen‘S ein bissl Geschichte.“ Allerdings könnte sich die Stadtregierung mit einem langfristig funktionierenden Konzept zur kommunalen heizungstechnischen Versorgung einer historischen Altstadt abseits fossiler Brennstoffe einen Thronplatz im Klimafitnesshimmel sichern.

Mag. Beate Dandler
Schärding

Anzeige
Foto: Cityfoto
8

Innovationen von morgen
"Lange Nacht der Forschung“ am 24. Mai

Unter dem bundesweiten Motto „Mitmachen. Staunen. Entdecken.“ bietet Oberösterreich bei der elften Auflage der Langen Nacht der Forschung 2024 (#LNF24) am Freitag, 24. Mai 2024 von 17 bis 23 Uhr ein breit gespanntes LIVE-Programm. In zehn Regionen in Oberösterreich laden rund 140 Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Technologiezentren und innovative Unternehmen dazu ein, einen Blick in die faszinierende Welt der Forschung zu werfen. Auf Entdecker:innen jeden Alters wartet ein...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Schärding auf MeinBezirk.at/Schärding

Neuigkeiten aus Schärding als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Schärding auf Facebook: MeinBezirk.at/Schärding - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Schärding und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.