Ein "grantiger" Brief von Fritz Gurgiser!

BEZIRK (fh). Dass sich Politiker gelegentlich Dinge an den Kopf werfen gehört zu deren Tagesgeschäft und ist teilweise auch in die Sparte Aktionismus einzureihen. Jener Umgangston der jedoch im Zusammenhang mit der Unterinntaltrasse bzw. der Verlagerung von Güterzügen in den Tunnel herrscht ist ungewöhnlich hart. Nachdem die ÖBB veröffentlicht hatten, dass es privaten Eisenbahnbetreibern nicht erlaubt sein wird den Tunnel zu benützen (laut ÖBB haben diese die Umrüstung auf das sogenannte European Train Control System (ECTS) nicht vollzogen) und somit zahlreiche laute Güterzüge weiterhin oberirdisch fahren werden, ging es zwischen den politischen Vertretern unserer Region so richtig rund.

Jeder hängt sich ein

Den Schutz der Bevölkerung vor Eisenbahnlärm möchte sich natürlich jede politische Fraktion gerne auf die Fahnen heften und dementsprechend energisch versucht man nun sich als Verkehrsexperte zu verkaufen. Die ÖVP-Abgeordneten Hörl, Lettenbichler, Gahr und Geisler engagieren sich gemeinsam für den Schutz der Bevölkerung vor Eisenbahnlärm. Auch die Grün-Fraktion, allen voran Stadtrat Hermann Weratschnig aus Schwaz, beteiligt sich an der Diskussion und erklärt wie wichtige es sei die Güterzüge im Tunnel verschwinden zu lassen. Angesichts der plötzlichen, operativen Hektik der politischen Vertreter schäumt Transitforumsobmann Fritz Gurgiser und schrieb einen Brief an die VP Abgeordneten welchen Sie hier im Anhang lesen können:

"Sehr geehrte Herren Nationalräte,

auch wenn ich über eure desaströsen Aussendungen immer wieder staunen muss (siehe unten liegende APA-OTS-Meldung vom 6.12.2012), darf ich der Ordnung halber unsere „Arbeit“ dazu in dieser Sache beiliegen, die von euch wie so oft „verschlafen“ wurde. Bedauerlicherweise nichts Besonderes und nichts Neues und vielleicht dadurch verständlich, dass euch der Lobbyismus für den „teuersten Schwarzbau Europas“, den BBT, derart in Anspruch nimmt, dass ihr die wesentlichen Sachen, die für die Tiroler Bevölkerung im größten Luftsanierungsgebiet des Binnenmarktes wichtig sind, halt nicht bemerkt. Ich hoffe, die TIROL WERBUNG kommt nicht auf die Idee, dies in Zukunft womöglich als „Adventure-Destination“ anzubieten (lege euch ein aktuelles Bild ins Inntal bei).

Es grenzt zudem schon an „Gelebte Realitätsverweigerung“ (um euer Verhalten sehr milde zu beurteilen), mich als „Verhinderer“ hinzustellen, der ich seit 1987 (!) konsequent und ehrenamtlich mit dem Transitforum Austria-Tirol für die Verlagerung eines Teils des internationalen Güterverkehrs über den Brenner auf die Eisenbahn eintrete, der mit 700 Vomper Unterschriften Lärmschutz an Eisenbahnen zuerst in Tirol (Pilotprojekt Mooswinkel in Vomp) und späten bundesweit überhaupt erst ermöglicht hat (bis dahin hat es keinen Lärmschutz an Eisenbahnen gegeben, weil „ihn das Gesetz nicht vorgesehen hat“).

Ich war es, der diesen Lärmschutz in Wien dem damaligen Verkehrsminister Rudolf Streicher abgetrotzt hat, der damals gesagt hat: „Hearst, jetzt will der auch noch ein Lärmschutz an Eisenbahnen“ (nachdem wir das erste Lkw-Nachtfahrverbot auf österr. Autobahnen von ihm erstritten haben (1.12.1989) – haben das die Herren Nationalräte Hörl, Gahr und Lettenbichler verschlafen?

Seit der Angelobung im Tiroler Landtag mit 1. Juli 2008 engagiere ich mich ebenso konsequent auf Grundlage sämtlicher nationalen und internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen für dieses Ziel und merke keine Unterstützung von euch – nur euer „blindes Nachbeten für den BBT“, wo schon die Probestollen um 1,3 Milliarden € teurer als vereinbart werden, wie uns Frau BMin Doris Bures am 19. Jänner 2011 in Wien bestätigt hat.

Auch habe ich nichts von euch gehört, als die „lieben Baupartner“ EU-Kommission und Republik Italien durch ihre Klage gegen das sektorale Lkw-Fahrverbot (C-28/09) der Brennereisenbahn schon heute (!) das Verlagerungsziel entzogen haben. Ein perverser Umgang mit dem Grundrecht auf Gesundheit, den europäischen Luftreinhaltegüterichtlinien, dem Immissionschutzgesetz-Luft, dem Durchführungsprotokoll Verkehr der Alpenkonvention etc..

Vor allem aber ein unerträglicher Affront gegenüber der gesamten Bevölkerung und Wirtschaft entlang der Brennerstrecke von Rosenheim bis Verona im Rahmengebiet der Alpenkonvention, die heute wieder 200.000 bis 250.000 zusätzliche Transitfahrten mit Gütern wie Abfällen, Steinen, Erden und Aushub, Rundholz und Kork, Kraftfahrzeuge, Fliesen (keramisch), Stahl, Nichteisen- und Eisenerze sowie Marmor und Travertin

Gerade so, als würde jemand ein Zweifamilienhaus bauen und der Bau-Partner würde ihm gerichtlich das Einziehen verbieten – ihr habt in der ganzen jahrelangen Verlagerungsdiskussion „keine Spuren hinterlassen“, das ist der Sachbefund zu eurer verkehrspolitischen Tätigkeit, für den ich mich als Tiroler im Namen der Tiroler Bevölkerung nur schämen kann.

Im Gegenteil: In Wien habt ihr „brav“ einem Vorbelastungsgesetz im Wert von 33,4 Milliarden € für die ÖBB zugestimmt (wobei die „großen Brocken erst kommen sollen“, wie BMin Maria Fekter im April dazu gemeint hat) und auch noch brav eure Zustimmung zur Erhöhung der Unterinntalmaut gegeben, die den Tiroler Betrieben , dem Tiroler Arbeitsplatzstandort und vor allem den Konsumenten voll auf den Kopf fällt und sie zudem zwingt, ihre Transporte von der Schiene auf die Straße zurück zu verlagern (vgl. bspw. die Tiroler Sägeindustrie). Ohne auch nur eine einzige Lkw-Ladung von der Straße auf die Schiene zu verlagern – die „Cappuccino-Maut“ ist wohl die größte Dummheit, die mir in all diesen Jahren untergekommen ist.

Gerne könnt ihr auch daher ein großes „Gesundheits-Verhinderungswappele“ an die Stirn, den Revers oder sonst wohin picken – was habt ihr denn unternommen seit März 2011? Was habt ihr in den letzten Jahren und Jahrzehnten unternommen, um das zu erfüllen, was in eurem Regierungsprogramm zum BBT steht (falls euch euer eigenes Regierungsprogramm der XXIV. Gesetzgebungsperiode überhaupt bekannt ist, was ich auf Grund eures Verhaltens eher ausschließe; lege euch daher einen Auszug bei)? Was habt ihr seid 1994 unternommen, als LH Wendelin Weingartner nach der Zusage zum Bau der Unterinntaltrasse „mit ruhigem Gewissen JA zur EG“ sagen konnte und vereinbart wurde, dass mit Inbetriebnahme die „lauten Güterzüge im Tunnel, die leisen Personenzüge im Freien“ fahren werden und heute dieses Desaster vor allem durch den Mischverkehr im Tunnel sowie dem untauglichen ÖBB-Versuch, private Betreiber auszugrenzen, verursacht wird?

Was habt ihr konkret unternommen, um unser eigenes Land Tirol von der Transitbelastung zu befreien und den Menschen und Betrieben das zu geben, was ihnen zusteht:

„Ein intakter, gesunder und liebenswerter Lebens- und Wirtschaftsraum, wo man nicht wie der Großteil der Tirolerinnen und Tiroler den Dauerbelastungen des größten Luftsanierungsgebietes des gesamten Binnenmarktes ausgesetzt ist und uns dazu noch Tag für Tag Steuergeld für Projekte entzogen wird, welche in Schwarze Tunnels verschoben werden sollen, die immerwährende Rote Zahlen für die nächsten Generationen schreiben“.

Darüber könnt ihr gerne mit mir und uns diskutieren, aber eure Anpatzerei, Vernaderei und Schlechtmacherei aller jener, die sich seit Jahrzehnten um das kümmern, was ihr nicht tut, das könnt ihr euch in Zukunft sparen – das ist mehr als peinlich und ich schäme mich dafür, solche Vertreter in Wien zu haben.

Euer Einverständnis vorausgesetzt darf ich dieses Schreiben unseren eigenen „Transparenzregeln“ unterwerfen und einer breiten Bevölkerung zur Kenntnis bringen und hoffe, dass euch diese Zeilen in dieser Schärfe endlich zeigen, woran es seit Jahren krankt – nicht an uns in Tirol, sondern an den fehlenden verkehrs- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen, für die ihr volle Mitverantwortung durch Wegschauen zu übernehmen habt.

Mit wie immer freundlichen Grüßen

LAbg. Fritz Gurgiser
Obmann Transitforum Austria-Tirol
Konrad Lorenz Staatspreisträger für Natur- und Umweltschutz"

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