"Errichtung ist ein massiver Eingriff"
Der Standort des PVEs trifft bei den umliegenden Hausärzten auf Unverständnis.
ST. PÖLTEN (nf). Am 1. Oktober wird die bisher bestehende Gruppenpraxis in Böheimkirchen, Dr. Powondra & Partner OG, zu NÖs erster Primärversorgungseinheit (PVE) upgegradet. Parallel dazu soll auch in Schwechat eröffnet werden. Die beiden Eröffnungen fallen unter zwei von drei geplanten Pilotprojekten, bis zum Jahr 2021 sollen in Summe 14 solcher Einrichtungen NÖ-weit entstehen. Diese Einheiten sind als Ergänzung zum Netz an Hausärzten sowie als Alternative zu den Ambulanzen konzipiert.
"Maßgeschneiderte Lösung?"
Das Angebot dieser Zentren generiert seine Attraktivität für Patienten insbesondere durch seine Öffnungszeiten (mind. 50 Stunden pro Woche). "Wir haben uns genau überlegt, was wir haben wollen und eine maßgeschneiderte Lösung für die Region erarbeitet", schilderte NÖGKK-Obmann Gerhard Hutter im Rahmen einer Pressekonferenz im vergangenen Juni. Zumindest diese maßgeschneiderte Lösung wird von einigen St. Pöltner Hausärzten angezweifelt. So wird das dritte dieser Pilotprojekte in Sankt Pölten auf dem "Laborbetriebsareal" in der Mathilde-Beyerknecht-Straße in Harland errichtet und zum neuen Jahr eröffnet. Weit entscheidender als der Zeitpunkt ist für die umliegenden Hausärzte jedoch der gewählte Standort sowie die Vorgehensweise in dieser Sache.
"Nicht berücksichtigt"
Im Exklusiv-Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN äußerten die Ärzte -Bernhard Fellerer, Bettina Nagode, Robert Petuelli, Matthias Salzmann und Robert Eglhofer- ihren Unmut. Die jeweiligen Ordinationen der Ärzte liegen allesamt im Umkreis von 5,2 Kilometern zur geplanten Einrichtung. "Nicht wertgeschätzt" und "unfair behandelt" fühle man sich, hieß es aus der Runde. Der Grund dafür, so stimmten die Ärzte unisono überein, ist dabei aber nicht die Errichtung an sich. Vielmehr steht die Vorgehensweise im Zentrum der Kritik: "Die Errichtung des PVEs an diesem Standort ist ein massiver Eingriff, bei dem die bestehenden Strukturen nicht berücksichtigt wurden. Aus neun Praktikern im Süden der Stadt werden von heute auf morgen zwölf. Auch wirtschaftlich ist das gegenüber dem geförderten PVE schlicht unverhältnismäßig. Die jungen Ärzte werden alle in die Stadt hineingepresst, wohingegen sie am Land dann dringend fehlen", prangerte Robert Petuelli an. Robert Eglhofer, Hausarzt aus Spratzern, präzisierte wie folgt: "Da kommt aus dem Nichts eine künstliche Blase, die allein aufgrund ihrer Nähe eine massive Konkurrenz darstellt. Überleben kann diese Blase nur, indem sie Patienten lukriert. Diese Patienten müssen ja auch von wo kommen. Wenn dadurch finanzielle Einbußen durch ein von der NÖGKK finanziertes Projekt kommen, wird mir das hingegen aber keiner ausgleichen." Nickend fügte Bernhard Fellerer hinzu: "Das PVE liegt dann bei mir in Fußdistanz. Die unverhältnismäßige Finanzierung des Projektes ist uns gegenüber eine Sauerei und für mich absolut nicht in Ordnung." "Die Vorgehensweise in dieser Sache spiegelt eine klare Nicht-Wertschätzung all unserer gemeinsam geleisteten Arbeit wider", legte Bettina Nagode nach. Mathias Salzmann, praktischer Arzt in Pyhra, ergänzte abschließend: "Der Hintergedanke war ja eigentlich, die Ambulanzen zu entlasten, was vollkommen unsinnig ist. Wenn ein Patient beispielsweise mit Angina vom Krankenhaus in die Einrichtung verwiesen wird, fährt er auf dem Weg dorthin ja an 10 Praktikern vorbei. Eine Location am äußersten Stadtrand ist da nicht gut gewählt. Zusätzlich betrifft mich die Nähe zur geplanten Einheit, da für diese Einrichtung ein Apothekenantrag eingereicht wurde. Durch die Hausapotheke in meiner Ordination bin ich an einen gewissen Gebietsschutz von sechs Kilometern gebunden. Dieser kann dann eigentlich nicht mehr eingehalten werden." Seitens der NÖGKK verwies man auf die Kooperation mit der Ärztekammer.
Regionale Anforderungen
"Im vergangenen Oktober erstellte die NÖGKK gemeinsam mit der Ärztekammer ein Basispapier, das die regionalen Anforderungen für die PVEs für NÖ festhielt. In den darauffolgenden konkreten Verhandlungsgesprächen wurden gemeinsam mit Vertretern der NÖGKK und der Ärztekammer diese Anforderungen dann auch berücksichtigt. Die Ärztekammer war hier zu jederzeit involviert", erklärte Walter Sohler von der NÖGKK.
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