VERGISSMEINNICHT. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 93

Als ich gestern die Geschichte vom Vergissmeinnicht fertigstellte und ich mir noch Gedanken machte, weil ich vergessen hatte, im Vorjahr ein passendes Foto zu knipsen, musste ich wieder mal schmunzeln: Das Vergissmeinnicht hatte offenbar wirklich mit Vergessen zu tun, wird gerne übersehen. Heute morgen allerdings, lachte mir eines vor dem Blumengeschäft entgegen. In alten Schriften, Legenden und Volksliedern kommt das Vergissmeinnicht häufig als Symbol für Trennung, Liebe und ewige Erinnerung vor. In der Romantik wurde es zum Symbol der Sehnsucht schlechthin. Novalis schrieb über "die blaue Blume" in "Heinrich von Ofterdingen". Seine Heileigenschaften sind überwiegend in Vergessenheit geraten und auch mein heutiges Märchen handelt - wen wundert's - vom Vergessen.

Fluss des Vergessens

Eines Tages, als die weiße Frühlingsgöttin mit wehendem Goldhaar barfuß über das Land tanzte und tausend Blüten unter ihren Füßen erblühen ließ, verspürte auch das kleine Lüftchen Hui lustig-quirlige Frühlingsgefühle. Die Winde, die allesamt in der großen Festung des Königs der Lüfte wohnten, mussten ihrem Herrn immer streng gehorchen. Seinen Befehlen war unbedingt Folge zu leisten. Nicht auszudenken, welchen Schaden ein unkontrolliert übermütiger Wirbelsturm auf der Erde anrichten könnte. Den Winden war es daher streng untersagt, die Festung zu verlassen. Und so warteten sie meist im großen Schlafsaal, bis sie an der Reihe waren, und hinaus durften an die frische Luft. Im Schlafsaal der Winde gab es viele Betten. An ihren Fußenden hingen Schilder mit klingenden Namen wie "Taifun" oder "Wirbelwind", "Scirocco", "Bora", "Monsun", "Passatwind" und "Wüstensturm". Sogar "Schneesturm" war in einem eiskalten Eck des großen Raumes zu lesen. Ganz ganz hinten, im letzten Winkel aber, waren die kleinen Winde zu finden: Sie mussten sich allesamt ein großes Bett mit der Aufschrift "verschiedene Lüftchen und Brisen" teilen.

"Huiiiiii“ zischte das kleine Lüftchen Hui und grinste eine leichte Brise an, die es sich gegenüber bequem gemacht hatte. "Du, Ssst! Lass uns doch ein bisschen Spaß haben! "Ssssst!" pfiff Ssst leise. "Hast du schon einen Plan, Hui? Er sollte aber lieber gut sein, denn der Herr der Lüfte ist SEHR streng!" Leise und Vorsichtig strichen die beiden kleinen Luftikusse um die Ecken. Keiner der Wachposten nahm Notiz von den Ausreißern. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die großen gefährlichen Winde in Zaum zu halten. Da hatten Hui und Ssst auch schon den großen Schlossgarten erreicht. "Nanu? Was ist das?" Leise wehten die beiden in die Hütte des Gärtners, der gerade ein Nickerchen machte. "Wozu braucht er denn all die vielen kleinen Schachteln? Feg doch mal rüber Ssst und sieh selbst!" flüsterte Hui und beschloss, vorsichtig den Deckel von einer Schachtel herunter zu blasen. "Eigenartig!“ dachte das kleine Lüftchen. „Da sind ja lauter kleine Samenkörner drin!" Neugierig inspizierte Hui die anderen Schachteln. Auch diese enthielten lauter Samenkörner in allen möglichen Formen und Farben. "Margeriten" stand auf den Schachteln, oder "Maiglöckchen", "Anemonen und Krokusse" las er auf anderen. Neugierig schnappte Hui die einzige Schachtel, die nicht beschriftet war, blies ihr den Deckel herunter und spuckte einige Samen direkt auf Ssst's Pustebacken. Der spuckte zurück und schon bald bliesen das kleine Lüftchen Hui und die leichte Brise Ssst die Samen kilometerweit vor sich her, völlig in ihr Spiel vertieft. Da kamen sie zu einem Fluss, in dem sich der runde Mond fahl spiegelte. "Der Fluss des Vergessens!" schrak das freche kleine Lüftchen zusammen. "Noch nie bin ich so weit von zuhause weggewesen! Wenn uns nur ja nichts hineinfällt in den Fluss!" Ein jeder Wind wusste genau: Alles was mit dem Wasser vom Fluss des Vergessens in Berührung kommt, lässt Mensch und Tier alles vergessen, nimmt jegliche Erinnerung. Da kitzelte Hui etwas in der Nase. "Hatschi!" machte er und die Samenkörner stoben in Richtung Fluss davon.

Geistesgegenwärtig blies Ssst dagegen. Dabei benetzte er die Samenkörner mit klitzekleinen Wassertröpchfen. "Puh, das ist ja gerade noch mal gut gegangen!" rief Hui erleichtert“, denn er hatte die Tropfen nicht bemerkt. "Und jetzt nichts wie ab nach Hause!"

Am nächsten Morgen erblühten am Flussufer entlang viele niedliche kleine blaue Blumen. Doch ganz so, als würden sie plötzlich vergessen, was sie eigentlich vorhatten, blieben sie mitten im Aufblühen stecken. Die Menschen kamen, um sich die niedlichen Blumen anzusehen und sie zu pflücken. Aber auch sie vergasen, sobald sie die blaue Blume berührten, wie sie hießen, wo sie wohnten und was sie eigentlich tun wollten und irrten ziellos auf der Wiese umher.

"Was ist das für eine eigenartige blaue Blume dort unten auf der Wiese?" wunderte sich auch der König der Lüfte, und ließ sofort Diener und Sänfte kommen, um die seltsame blaue Blume unter die Lupe zu nehmen. Genießerisch sog er ihren Duft ein und schnupperte an den ungeöffneten Blütenköpfchen. Nur eine wollte er pflücken und mit in die Festung der Winde nehmen, als… „Wooosh! Blackout!“ Der große König der Lüfte setzte sich auf die Wiese und schaute den Bienen bei der Arbeit zu. Wer er war und was seine Aufgabe war, hatte auch er vergessen.

Als die großen Winde das bemerkten, zerrten die einen noch wilder an ihren Ketten, die anderen rüttelten mit mächtigem Gehäule an den Fenstergittern, bis es ein kräftiger Wirbelwind schaffte sich los zu reißen und unheilbringend auf die Erde hinunter zu stürmen. Huiiiii war das ein Getose, als stünde der Weltuntergang bevor.

Währenddessen zog draußen die weiße Frühlingsgöttin noch immer fröhlich und frei über das Land um das Leben zurück auf die Erde zu bringen. Schneeglöcken, Himmelschlüssel, Gänseblümchen und Brennnesseln waren schon erwacht und auch der Bärlauch reckte unter ihren Füßen seine ersten frischen Blätter hervor. Als sie daneben eine stecken gebliebene blaue Blume entdeckte, verhielt sie verwundert den Schritt. "Was ist denn da los!?" hauchte sie verstört. Da fiel ihr die Spur auf, die die blauen Blumen dem Flußufer entlang Richtung Festung hinauf zogen. Und was sollte das seltsame Gehabe der Menschen? Als sie auch noch das schreckliche Heulen der Winde vernahm, eilte sie so schnell sie die Beine trugen zur Festung hinauf. in Windeseile fing sie die Winde wieder ein und hielt ihnen eine Moralpredigt. Dem König der Lüfte hielt sie ein besonders stark riechendes Fläschchen Bärlauchduft unter die Nase, das seine Erinnerung im handumdrehen wieder zurückbrachte.

"Wer hat die blauen Blumen ins Wasser vom Fluss des Vergessens eingelegt?" fragte die Frühlingsgöttin streng. Einige zuckten die Schultern, andere sahen betreten beiseite. Das kleine Lüftchen Hui und die leichte Brise Ssst starrten auf den Boden und scharrten verlegen mit den Wolkenbeinchen. "Huiiii" Vor lauter schlechtem Gewissen, kratzte ihn ein letztes Samenkorn, das er noch immer in seinem Wolkenmäulchen gebunkert hatte, im Hals und verschaffte sich zischend einen Weg ins Freie. Auch Sssst kutzte verlegen.

Die Frühlingsgöttin zog Hui und Ssst einmal ordentlich an den Wolkenohren und sah ihnen streng in die Augen: "Jetzt passt einmal auf, ihr zwei Luftikusse! Durch euren Übermut habt ihr Menschen und Tiere in große Gefahr gebracht! Damit ihr meine Worte nie mehr wieder vergesst, sollt ihr ab jetzt mit mir gemeinsam übers Land tanzen, und als Frühlingslüftchen und frühlingshafte Brise der Welt mit mir den Frühling bringen. Die niedliche blaue Blume nennen wir Vergissmeinnicht. Optisch wird es, wenn es in grösseren Gruppen auftritt stark an euch beiden Luftikusse erinnern. Dann sieht es nämlich wie eine kleine helle Windwolke aus. Die Heileigenschaften des Vergissmeinnichts aber, sollen die Menschen lieber vergessen! Ich finde, es hat schon genug angereichtet!" So sprach die Frühlingsgöttin und nahm die beiden kleinen Winde gleich mit an die Arbeit, damit ihnen vor lauter Übermut nicht noch ein Blödsinn einfallen konnte. Erst im Mai durften sie wieder zurück auf ihre Festung, nämlich dann, wenn das Vergissmeinnicht seine Blüten ganz öffnete.

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