WEGRAUKE. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 83

Beim Wandern musste ich heute an ein Kräutlein denken, über das mir kürzlich ein Märchen eingefallen ist: die Wegrauke. Sie wächst, wie der Name schon sagt, an Wegrändern und als Unkraut in Feldern und Gärten.

Als Heilpflanze ist die Wegrauke heutzutage nahezu unbekannt. Früher wurde sie in der Volksheilkunde verwendet, um Kehlkopfentzündugen zu lindern, heiseren Sängern die Stimme wieder zu bringen (Sängerkraut), oder um bei Atemwegserkrankungen Schleim zu lösen. Man sagt auch, dass aus der struppigen kleinen Pflanze früher sogar Besen gebunden worden sind - eine Verwendung, die mir für die folgende Geschichte gerade recht gekommen ist:


Zauberlehrling 2000+

Zauberer Hyronimus Hops mustert gebannt seine Kristallkugel und kann sich schließlich ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen: "Sieh an, sieh an! Das sieht ganz nach einer sehr spannenden Zeit aus, die da im wahrsten Sinn des Wortes auf mich zu spaziert. Mal sehen, ob sich die alte Weissagung bewahrheitet..."

Benjamin Gluck stehen vor Anstrengung und Hitze dicke Schweißperlen auf der Stirn. Dabei schwitzte er sonst nie - dünn und "erfroren" wie er wirkte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, den fiesen Zieheltern davonzulaufen? Immerhin hatte er dort ein Dach über dem Kopf und zumindest genug zu essen um nicht zu verhungern. Aber nein! - Schnell wischt er die Bedenken wieder beiseite. Er muss einfach herausfinden, ob es die Welt seines Lieblingshelden Harry Potter wirklich gibt. So etwas kann doch kein Mensch einfach bloß mir nix dir nix erfinden! Er muss sich nur stark genug konzentrieren, dann wird er den Weg nach Hogwarts schon finden!

An einer Wegkreuzung die von einer uralten Birke überschattet wird, trifft er auf eine Gruppe etwa gleichaltriger Kinder. "Könnt ihr mir vielleicht sagen, wie ich nach Hogwarts komme? Ich möchte mich zum Zauberer ausbilden lassen!"

"Hogwarts?!" Ein rothaariges Mädchen prustet drauf los! Das gibt's doch nur im Märchen! Da hast du wohl zu viel Harry Potter gelesen! "Sei still, Tanja!" mischt sich nun ein gut genährter Blondschopf ein. "Zaubern kannst du hier lernen, das ist gewiss. Meister Hops sucht soeben einen Lehrling. Er ist zwar nicht sehr reich - den großen Komfort wirst du bei ihm nicht finden - gilt als etwas schräg, aber... angeblich besitzt er große Zauberkraft und nimmt nur die besten. Probier‘s doch einfach aus und frag ihn. Seine Hütte ist gleich dort drüben!

Benjamin bedankt sich herzlich bei den Kindern und fragt sie, wo er sie wieder sehen könne. "Wenn die Zeit reif ist, wirst du's schon sehen!" lautet die seltsame Antwort und schon ist das Grüppchen hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. "Autsch! was war das?" Am Knöchel kratzt ihn ein seltsames struppiges Kraut, das am Fuße der alten Birke wächst. "Mit oder ohne euch - ich werde mein Glück schon finden!"

Der Meister wartete schon auf ihn vor einem seltsamen Häuschen, das wie ein Fliegenpilz geformt ist. "So so, du willst bei mir das Zaubern lernen?! Na dann komm rein und schlüpf gleich in die Sachen, die du auf dem Bett im Dachgeschoß findest - aber merke dir: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre!"

Die ersten Tage durchlebt Benjamin wie im Rausch. Zaubergerätschaften, Kristallkugeln, blubbernde grüne Zaubertränke und - man stelle sich das nur vor - sogar Birkenbesen die zum Leben erwachen und die Hausarbeit des guten Meister Hops verrichten. Benjamin kommt aus dem Staunen nicht heraus. Wie Harry im Roman wird er sogar in einer Zauberschule angemeldet. Doch als sich die Tage zu Wochen auswachsen, merkt Benjamin plötzlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ein Lehrling sollt doch viel lernen! Bei ihm ist nach der Zauberschule jedoch Schluss damit. Der Meister ist entweder auf wichtigen Konferenzen oder aber er hockt in seinem Zauberkabinett, das er immer vor ihm versperrt. Lern du nur deine Lektionen heißt es und somit ist Benjamin wieder sich und seiner riesengroßen Langeweile überlassen.

In Wahrheit aber, gehört das alles zu Meister Hops's Plan. Er ist Vorsitzender des großen Magier-Kompendiums und dazu auserkoren, die 7 Zauberer auszubilden, die einst die Geschicke der Menschenwelt in neue Bahnen lenken sollten. 7 der 8 Stühle um den Runden Eibentisch waren schon besetzt. Nur der letzte Zauberer fehlte noch. Ob Benjamin der Richtige war, musste sich allerdings erst herausstellen. Und so wartet Meister Hops, ob der Neuzugang die Eigeninitiative entwickelt, die ihn als den Siebten der Sieben Magier entlarven würde.

"Mann ist mir langweilig!" stößt Benji eines Nachmittags zornig hervor und tritt wütend mit dem Fuß gegen den alten Küchenschemel. "Na gut, alter Mann! Du hast es nicht anders gewollt! Ich werde mir heut mal deinen alten Besen vornehmen und ihn zu meinem Diener umpolen. Ich bin ein großer Zauberer, das fühle ich tief in mir drin! Wenn du's nicht erkennst, dann werde ich es dir eben zeigen!" Damit pflanzt er sich vor dem alten Birkenbesen auf, und zitiert Meister Hops's Lieblingsspruch.

Die Tatsache, dass Benji’s Meister einen Besen zum Leben erwecken und hörig herumkommandieren konnte, bewunderte der Junge wahnsinnig. Er wollte das auch können! Daher wurde er jeden Tag ein bisschen wütender, weil ihm der Meister einfach nichts zeigte.

„Autsch!“ Der dumme Besen hat ihn jetzt auch noch elektrisiert. „Warum belegt er dich mit einer Zaubersperre, wenn er mir eh nichts zutraut?!“ Nachdenklich wandert er zur Wegkreuzung hinüber und nimmt unter der alten Birke Platz. „Aua!“ Wie an seinem ersten Tag, sticht ihn auch heute der struppige Pflanzenarm einer dürren Wegrauke in den Knöchel. „Was willst du, struppiges kleines Besending…“ Die letzten Worte bleiben ihm im Hals stecken, denn nun trifft ihn die zündende Idee wie eine Offenbarung. „Au Backe! Das ist es! Darf ich aus dir einen Besen binden, struppige kleine Wegrauke? Dann werden wir auf jeden Fall noch viiiieeeel Spaß miteinander haben!“

Und so bindet Benjamin einen kleinen struppigen Besen, der sogar einen Haselnussstecken als Stiel besitzt "Voila!" Frech stolziert er mit dem neuen Besen vor der Hütte des Meisters auf und ab. „Und jetzt frisch ans Werk! Bald bin ich der größte Zauberer aller Zeiten! Der Alte hat ja nur Angst vor mir! Deshalb hält er mich immer so kurz! Aber warte, alter Greis! Jetzt komme ich, Zauberer Benjamin, König der Magier!

Bald verbringt Benjamin jede freie Minute mit seinem neuen Besen, der ihm so gut gehorcht, wie der Birkenbesen seinem Meister – nur dass seiner noch viel schneller und wendiger ist.

Ein paar Tage später reißt Meister Hops ungewohnt impulsiv den Zauberhut vom Haken und eilt aus dem Haus. "Um Himmels Willen! Es ist viel zu früh! Die Menschen sind drauf und dran die Erde zu zerstören, aber ich habe den 7. Magier noch nicht gefunden! Egal - wir müssen es ohne ihn versuchen!“ Und schon ist er zur Tür hinaus. Benjamin schüttelt verständnislos den Kopf. Folgt aber neugierig dem Geschehen in Meister Hops's Kristallkugel.

In der realen Welt haben Großkonzerne eben ein Mittel erfunden, das Pflanzen Tiere und Menschen absolut Krankheits- und Schädlingsresistent machen kann. Was die Menschen nicht wissen ist, dass es in Wahrheit zusätzlich alles was damit in Berührung kommt, unfruchtbar macht. Was es nur durch ein Tröpflein benetzt, wird unweigerlich zum Hybriden.

Das Ziel dahinter ist, dass Menschen, die Kinder bekommen wollen, Haustiere halten oder Nutztiere züchten, dem Konzern viel Geld bezahlen müssen. Auch Pflanzen sollten so im Handumdrehen unter das Monopol des Konzerns gelangen. Ab sofort gibt's Natur nur mehr gegen Bezahlung.

Mit seinen 12 Jahren kann Benjamin zwar noch nicht alles was er da sieht verstehen, aber es genügt, dass ihm ordentlich der Kragen platzt. Ohne zu überlegen umfasst er den neuen Besen aus Wegrauke, sagt den Wasserzauber und konzentriert sich fest auf das Geschehen in der Kristallkugel, sodass über allen Gebieten, die bereits mit dem Mittel in Berührung gekommen sind, sofort sintflutartige Regenfälle niederprasseln. Schnell Besen! Schnell! Wasch den Mist ab, bevor er Schaden anrichtet!

Da tauchen plötzlich auch noch andere Gesichter in der Kristallkugel auf. Es sind die der Kinder, die ihm damals den Weg zu seinem Lehrherrn gewiesen haben. Sie zwinkern ihm kurz wohlwollend zu. Dann gesellen sich ihre Zauberpartner zum Besen. Die Blitze des Rothaarigen Jungen brennen die Teile nieder, die kein Wasserstrahl erreichen kann, Tanjas Mondstrahl bohrt sich tief in die Gehirnwindungen der Konzern-Vorsitzenden, um die gemeinen Pläne für ihre Tat auszumerzen. Ein schwarzhaariges Mädchen öffnet einen Tiegel Heilsalbe, die sich grün leuchtend wie eine heilende Schutzschicht über Wunden und Herzen legt. Der Käsebleiche Tim hat einen Sack Traumsand aus dem Tal des Vergessens mitgebracht. Als sich der Sand leise seinen Weg in die Augenwinkel der Menschen sucht, ist auch bei ihnen jegliche Erinnerung an die schlimme Erfahrung ausgelöscht und ein tiefer Friede umfasst ihren Schlummer. Die Zwillinge haben als Symbol für die wiedererlangte Fruchtbarkeit der Erde eine Biene und eine Zauberblume mitgebracht. „Und jetzt passt auf! Grinst ein braungebrannter Junge in schlabbrigen schmutzigen Jeans. „Jetzt kommt meine Wunderwaffe!“ Es ist eine rosa schimmernde Flöte aus der eine seltsame heilende Melodie hervorströmt.
Da macht es plötzlich „klick“ und in der Kristallkugel erscheinen Weichen, wie sie Benji von der Eisenbahn kennt. Offensichtlich haben sie sich gerade neu gestellt.

Langsam erlöschen die Bilder in der Kugel - nur die Kinder stehen jetzt in Echt neben Benjamin. "Was war denn das?“ will Benji wissen. Da schreitet Meister Hops auf ihn zu. Der Magier drückt ihn fest an seine Brust. „Jetzt bin ich mir endlich sicher, Benjamin - du bist der fehlende 7. Magier und hast soeben mitgeholfen, die Weichen für die neue Zeit zu stellen. Langsam aber sicher werden sich die Menschen und ihre Welt ab jetzt zum Guten verändern! Aber es gibt noch viel für uns zu tun! Höchste Zeit, dass ich dir endlich die Ausbildung angedeihen lasse, die sich der 7. große Magier der neuen Zeit auch verdient hat!

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Foto: Cityfoto
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