Gerhard Weissensteiner
"Wer hat die Jahreszeiten geklaut?"
Autor und Heimatforscher Gerhard Weissensteiner machte sich Gedanken über die Jahreszeiten.
SCHIEDLBERG. "Als ich noch ein kleiner Bub war, also vor mehr als sechzig Jahren, wusste ich ganz genau, dass noch vor Weihnachten der Schnee kommen würde. Spätestens am dritten Adventsonntag konnte ich den Schnee riechen und dann schneite es wirklich. Es schneite den ganzen Winter hindurch. Einmal mehr, einmal weniger. Aber dass der Schnee so wie jetzt immer öfter ganz ausblieb, kam niemals vor", weiß Gerhard Weissensteiner. Für die Bevölkerung seines Heimatortes Brunnbach ein ganz normaler Ablauf. Jeder stellte sich auf den Winter ein. "Es machte nichts, wenn die Kinder mehrere Tage nicht zur Schule kommen konnten, weil die Kinder der armen Holzknechte entweder keine entsprechenden Schuhe für den Schnee hatten, oder der Schulbus aufgrund der Schneemassen einfach nicht über den Kniebeiss in den Brunnbach fahren konnte. Es war für mich dann in der Früh immer ein Lotteriespiel 'Kommt er oder kommt er nicht?'."
Kam er dann wirklich nicht, freute sich Weissensteiner über einen gewonnenen Tag mehr, den er auf seiner Skipiste verbringen konnte. Der Schnee blieb bis zum Frühjahr liegen. "Und wenn dann auch meine festgebrettelte Skipiste in der Rannawiese dahingeschmolzen war und rundum die Frühlingsknotenblumen wuchsen, die Bäume blühten, die Natur erwachte und jeder sich auf den Frühling freute, kam dann auch schon ganz langsam der Sommer", erinnert sich Weissensteiner. Aber auch der Herbst war als Jahreszeit eindeutig zu erkennen. Die Temperaturen gingen täglich in kleinen Schritten zurück. Die Wälder färbten sich bunt. "Die Tage, an denen das Baden im Plaißabach möglich war, wurden immer weniger. Die Schwammerl sprossen aus dem Boden und jeder wußte, dass auch diese schöne Jahreszeit zu Ende gehen würde und der Winter wieder vor der Tür steht."
Sorge um Kinder & Enkel
Aber auch vor hundert Jahren mussten sich die Menschen auf die Gegebenheiten einstellen. Schlitten und Skier waren nicht nur für den Wintersport, sondern unverzichtbares Fortbewegungsmittel. Sport- oder Thermobekleidung gab es zu dieser Zeit noch nicht. So musste sich die ärmliche Bevölkerung mit einfachem Gewand vor der Kälte schützen. So war das Jahr geprägt von den vier Jahreszeiten. "Heute leider nicht eine Spur davon. Kein Übergang zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Innerhalb von einem Tag Temperaturunterschiede von zwanzig und mehr Grad. Der Klimawandel hat alles zerstört. Und meiner Meinung nach sind wir alle daran selber schuld", so Weissensteiner und fügt hinzu: "Ohne Rücksicht auf die Natur wird heute noch auf der ganzen Welt der Boden ausgebeutet und die Luft verpestet. Täglich wird fruchtbarer Ackerboden in der Größe von mehreren Fussballfeldern zubetoniert. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Regierungen der ganzen Welt sitzen in immer kürzer werdenden Abständen auf Konferenzen zusammen, tun wichtig, und ein Klimagipfel jagt den nächsten. Und in Wirklichkeit ändert sich nichts. Als Vater und Opa mache ich mir aber schon große Sorgen um meine Kinder und Enkel. Ich bin glücklich und froh, dass ich noch zu einer Zeit aufwachsen durfte, wo es die vier Jahreszeiten noch gab. Jede davon war unbeschreiblich schön und jede hatte ihre eigene Bestimmung für die Menschen."
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