Personalmangel sorgt für Probleme
Fachkräftemangel: "Es ist einfach eine Katastrophe"

Das Gasthaus Hoferwirt am Neustifter Dorfplatz.
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Wie in ganz Tirol und Österreich, wird auch in unserer Region der Fachkräftemangel zum immer größer werden Problem für heimische Betriebe. Gasthäuser, Bergrestaurants und Bäckereien bekommen kein Personal - mit weitreichenden Folgen.

STUBAI. Am Freitag wurde einigermaßen überraschend ein österreichweiter Lockdown ausgerufen – auch die Gastronomie muss am Montag vorübergehend schließen. Nach dieser Zwangspause hofft man bei den heimischen Betrieben, dass man in die Wintersaison starten kann, und da ist ein Problem nach wie vor vorherrschend: der Fachkräftemangel. Vor kurzem schlug die Wirtschaftskammer unter Präsident Christoph Walser in Bezug auf dieses Problem wieder Alarm und forderte Lösungen. Unterdessen kämpfen heimische Wirtschaftstreibende weiterhin dagegen an: Die Rede ist von einer "katastrophalen Situation" und wenig bis keine Aussicht auf gut ausgebildete Arbeitskräfte. Fazit: Offene Stellen können nicht nachbesetzt werden, Unternehmen sind gezwungen sich zu verkleinern, obwohl mehr als genug Nachfrage besteht und die Öffnung von Gasthäusern und Restaurant zur Wintersaison hin steht auf wackeligen Beinen.

"Wir stehen am Anschlag"

Angelika Zittera ist Wirtin im Traditionsgasthaus Hoferwirt in Neustift. Nachgefragt zur Lage bezüglich des Personalmangels, sagt sie: "Es ist einfach ein Wahnsinn, wir stehen am Anschlag. Wir suchen händeringend um Personal, bekommen aber keines." Aktuell sind im Hoferwirt allein für Küche und Service sechs Stellen frei – die Aussicht auf gut ausgebildetes Personal ist aber mehr als düster. "Der Fachkräftemangel war schon länger prekär, diese Wintersaison ist es aber merklich schlechter geworden", beschreibt Angelika Zittera. Die Gründe dafür vermutet sie unter anderem darin, dass sich durch den Totalausfall der letzten Wintersaison viele Gastro-Angestellte anderwertig umschulen ließen und nun nicht mehr in die Gastronomie zurückkehren. "Da spielt dann sicher auch hinein, dass man in anderen Berufen Samstag und Sonntag frei hat und das Image der Gastronomie im Allgemeinen mit den Jahren immer schlechter geworden ist", so Zittera. Die Folge des Mangels an Personal ist, dass man nun zwei Tage die Woche im Hoferwirt Ruhetag machen muss. Zittera: "Das hat es bei uns noch nie gegeben, wir hatten höchstens in der Zwischensaison einen Ruhetag und ansonsten durchgehend geöffnet. Es geht aber nicht anders, denn das vorhandene Personal braucht natürlich auch seine freien Tage." An den zwei Ruhetagen steht die Familie Zittera jedoch so wie die ganze Woche hindurch, voll im Einsatz, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. "Am meisten leid tut mir die ganze Situation für meine Söhne Peter und Jakob, die voller Elan sind, Ideen haben und sich etwas aufbauen wollen und stehen als nächste Generation im Hotel Hoferwirt in den Startlöchern. Jetzt werden sie aber durch nicht vorhandenes Personal gebremst - und das ist mehr als schade", bedauert Angelika Zittera.

"Es ist eine Katastrophe"

Buja Mühlburger ist die Leiterin des Restaurants Kreuzjoch und der Bar "Schlussliacht" im Skigebiet Schlick 2000 in Fulpmes. Auch sie stöhnt unter den Lasten des Fachkräftemangels: "Der Personalmangel ist eine Katastrophe. Es ist mehr als schwierig, Leute für die Gastro zu bekommen." Im Winter sind in den Betrieben 16 Personen beschäftigt – acht Stellen, also die Hälfte, sind für die Wintersaison noch nicht besetzt. Buja Mühlburger: "In der Gastro ist es üblich, in der Saison sechs Tage die Woche zu arbeiten, dafür bekommt man dann aber auch gutes Gehalt und natürlich das Trinkgeld. Viele wollen heutzutage aber nicht mehr sechs Tage, sondern am liebsten nur vier Tage die Woche arbeiten – und das ist für uns als Restaurantbetreiber einfach nicht umsetzbar." Im Kreuzjoch an der Bergstation der Schlick beginnt der Arbeitstag um 7.30 Uhr und endet um 16.30 Uhr, wenn die letzte Gondel vom Berg herunter fährt. Aber sogar ein Gastronomiejob, in denen man keine Abendstunden absolvieren muss, ist nich besetzbar: "Wenn wir die Stellen nicht bald besetzen, ist fraglich, ob wir zur Wintersaison überhaupt aufsperren können", lautet die Befürchtung von Buja Mühlburger. Die Gründe für die harte Suche nach geeignetem Personal sieht auch Buja im Totalausfall der vergangenen Wintersaison und der damit verbundenen Umorientierung des Gastro-Personals: "Das war ja auch ganz klar: Wenn man abgemeldet wird und dann plötzlich nur noch 55 % Stempelgeld hat und das Trinkgeld auch noch wegfällt, dann haben viele ihre Kosten nicht mehr decken können und mussten in andere Branchen abwandern." Mühlburger hätte sich gewünscht, dass das Land beispielsweise Sprachkurse für Gastronomiepersonal in der Zeit der vergangenen Wintersaison zahlt – davon hätten Personal und Unternehmer etwas gehabt: "Aber Geld in die Hand genommen zu haben, um das ohnehin schon knappe Personal umzuschulen, war sicherlich der falsche Weg."

"Wir ziehen die Reißleine"

Ein Traditionsbetrieb im Stubai ist die Bäckerei Denifl in Medraz. Seit der Eröffnung im Jahre 1970 liefert die Bäckerei handgemachtes Brot und andere Köstlichkeiten an seine Kunden und betreibt Filialen in Medraz und Fulpmes. Nun hat der Fachkräftemangel auch die Bäckereibranche erreicht – auch in der Bäckerei Denifl fehlt es an Bäckereipersonal. Resultat: Die Lieferkundschaften mussten stark reduziert werden, trotz großer Nachfrage wie eh und je. "Der Grund dafür ist, dass wir aufgrund des Facharbeitermangels derzeit lediglich zu dritt – darunter auch mein 75-jähriger Vater Max – in der Backstube arbeiten, die eigentlich auf sechs Bäcker ausgelegt ist. Wir kommen mit dem Produzieren dieser großen Menge so einfach auf Dauer nicht mehr nach", erklärt Bäckerei-Denifl-Chefin Daniela Danler. Zwei lange Jahre lang hat sie auf allen möglichen Wegen probiert, Bäckereipersonal zu finden – aber vergeblich, niemand hat sich gemeldet. Vom AMS kam immer wieder die Antwort, dass es keine Personen gäbe, die auf die erforderlichen Qualifikationen passen, so Danler: "Sogar, als es 42.000 Arbeitslose in Tirol gab – das kann es doch nicht sein." Von offizieller Seite her fühle man sich definitiv im Stich gelassen. Dazu kommt, dass es schwierig ist, Bäckereilehrlinge auszubilden, denn diese dürfen laut Jugendschutzgesetz erst ab 4 Uhr morgens arbeiten. "Da ist die Arbeit in der Backstube aber schon fast vorbei. Das ist fatal für die Branche, da darf man sich auch nicht wundern, wenn jetzt immer mehr Bäckermeister fehlen", beklagt Daniela Danler.
Jetzt zieht die Bäckerei Denifl die Reißleine: "Wir sind jetzt gezwungen umzustrukturieren. Die Nachfrage wäre weiterhin groß , doch wir müssen schweren Herzens die Liefertätigkeit stark einschränken, weil die benötigte Menge einfach nicht mehr produziert werden kann." In Zukunft werden Brot und Gebäck in den Filialen in Medraz und Fulpmes angeboten, die Sparmärkte in Telfes, Mieders und Schönberg sowie sowie vereinzelte Privat-Kundschaften in unmittelbarem Umfeld beliefert.

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