Tirols junge Wilde – Teil 1
Sölsch: "Obergärig, guat g'hopft"

Die zwei Ötztaler sind Biergenießer und Bierexperten: Florian Schmisl und Simon Gstrein sind "Sölsch".
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  • Die zwei Ötztaler sind Biergenießer und Bierexperten: Florian Schmisl und Simon Gstrein sind "Sölsch".
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Sommer, Sonne, Ferien, Urlaub. Klingt fein, ist aber nicht wirklich für alle möglich. Wir haben uns heuer in der Sommerserie "Tirols junge Wilde" innovative, außergewöhnliche Kleinunternehmen herausgesucht, die hart für ihren Erfolg arbeiten und heuer eher keine Ferien genießen können. Neun Unternehmen aus neun Bezirken, die wir stellvertretend für die vielen innovativen Startups und Kleinunternehmen vorstellen möchten. Die Wahl war sehr schwierig, denn in Tirol gibt es viele helle Köpfe und großartige Ideen. Sie werden staunen …

Florian steht an der Bar im Verkostraum, es ist neun Uhr morgens. In Sölden erwachen die ersten Wanderer, im Gewerbegebiet planieren riesige Radlader das Gelände. "Sölsch" steht in großen Lettern am geradlinigen Betonbau.
Kaffee? Immer. Es duftet nach herrlichem Mocca, nein, weder Hopfengeruch noch Bierdunst stören im durchgestylten Kostraum die Morgenstimmung. Außer die Technik. "Der Dampferzeuger spinnt, die Kühlung ist seit sechs Monaten anfällig. Es wäre wohl besser gewesen, statt Brauer Maschinenschlosser zu lernen", sagt Florian Schmisl mit Augenzwinkern.
Der 38-jährige Sölder hat nach einigen Jahren als Küchenchef nach einem Burnout den Job hingeschmissen. In der Tarrenzer Brauerei "Starkenberg" erlernte er die Braukunst, immer mit dem Ziel, eigenes Bier zu brauen. "Die ersten 50-Liter-Sude im Keller waren erfolgversprechend. Und in der Zillertaler Brauerei 'Tux 1280' wurde nach unserem Rezept der erste 1.000-Liter-Sud gebraut. Und auch in Sölden verkauft."

Es läuft gut

Simon trifft mit etwas Verspätung zum Termin. "Habe Heuschnupfen, bis ich die Augen aufbekomme, ungut." Simon Gstrein ist Gastronom in Sölden und ausgebildeter Biersommelier. Und mit seinem Cousin Florian reifte schon vor Jahren die Brauerei-Idee heran. Nur, wie es meist üblich ist: Die Einheimischen werden bei solchen Aktionen oft schräg angesehen, es kommt der Prophet im eigenen Dorf in den Sinn. "Mittlerweile läuft es gut, die Jugend fährt auf das Sölsch ab, der Tourismus in Sölden kommt ebenfalls wöchentlich mehr in Fahrt."
Florian und Simon nutzen den zurzeit vorherrschenden Trend zur Regionalität. Malz aus der Steiermark, Hopfen aus der bayerischen Holledau und das Sölder Bergwasser. Wenn Florian sein Bier beschreiben müsste? "Unfiltriert, trinkfreudig, feine Süße, obergärig und guat g'hopft." Abgefüllt wird das Sölder Bier nicht in Glas. Es kommt in eine 0,33-Liter-Aluminiumflasche. "Die ist leichter und öfter zu recyclen als Glas, kühlt schnell ab und wir wollten auch hier neue Wege gehen." So wie bei den Trays. Vier statt sechs Flaschen sind die Einheit.
Simon zeigt Fotos am Handy. Sölsch bei der Skitour, am Gipfel, auf der Alm, sogar statt Champagner wurde das Sölsch bei einer Hochzeit verspritzt. Sölsch, das neue Sportgetränk? "Eindeutig."

Corona ist nicht nur Bier

Ja, es war ein heftiger Start. Die Bauarbeiten wurden bereits einmal verschoben, im Feber und März 2020 ging es endlich los. Mitfinanziert durch die Regio Imst als EU-Projekt, wurde mit der Sparkasse Imst auch eine Bank gefunden, die dem Projekt vieles abgewinnen konnte. Insgesamt wurden über 2 Millionen Euro investiert. Dann kam Corona, schlussendlich wurde am 9.9.2020 der erste Sud in der neuen Brauerei gekocht. In Edelstahl, nicht in Kupfer. "Zu teuer, zu pflegeintensiv", sagt Florian, als er gerade beschäftigt ist, einen Sudkessel zu polieren.
Durch Corona konnte sich die private "Sölsch-Gemeinde" etablieren, das Bier ist auch bei REWE gelistet. Und es gibt einen Online-Shop.
Und viele gute Ideen. So wird Sölsch im Versuch derzeit in gebrauchten Eichenfässern, die zuvor den berühmten Blaufränkisch "Mariental" von "ET" Ernst Triebaumer umschmeichelten, gelagert und regelmäßig verkostet. Vielversprechend. Bierbrand, Treberbrand, Weizenbier und auch alkoholfreie Biere sind derzeit in der Entwicklung.
"Zuerst müssen wir aber das ganze Unternehmen in eine stabile Lage bringen, step by step." Und ein drohender, vernichtender Rechtsstreit abgewiesen werden.

Kölsch versus Sölsch

Warum kann sich der mächtige Kölner Brauereiverband nicht mit dem Namen "Sölsch" anfreunden? Seit 6. März 1986 darf das "Kölsch" nur in Köln und der näheren Umgebung hergestellt werden. Und ein Bericht in der "Bild" war der Auftakt zum Namensstreit. "Dabei hat der Vorstand des Kölner Brauereiverbandes praktischerweise auch gleich eine Rechtsanwaltskanzlei." Noch sprechen die Anwälte nicht und es gibt einen umfangreichen Mailverkehr. "Wir haben die Marke Sölsch über das Patentamt rechtlich in ganz Europa schützen lassen, wir wurden nicht vor solchen Schwierigkeiten mit unserem Namen gewarnt."
Sowohl Simon als auch Florian sind sich einig, ein Verlust ihres Markennamens wäre der Bankrott.
Alkohol macht aber bekanntlich gleichgültig. Wie es mit dem Eigenverbrauch aussieht? Beide lachen. "Wir trinken eigentlich weniger als vor dem Brauabenteuer. Am Beginn war es schon spannend, zu kosten und zu tüfteln. Aber ein nüchterner Geschäftsmann ist ein erfolgreicherer", sind sich beide einig.
Und beide trinken gerne ein gutes Glas Wein. Simon mehr rot, Florian eher weiß. Aber das hat nichts mit dem Brauabenteuer der beiden wirklich wilden Ötztåler Hund zu tun …

Tirols junge Wilde:
Teil 1 – Sölsch: "Obergärig, guat g'hopft"
Teil 2 – Pro planche: Altpapier schlägt Messer
Teil 3 – Optronia: "Wir machen es einfach"
Teil 4 – Single Use Support: "Wir bleiben in Tirol"

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