Tirol sagt Ja zur EU
Thaler: „Die Tiroler Wirtschaft ist europafit“

WKO-Tirol-Präsidentin Barbara Thaler | Foto: WK Tirol
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Barbara Thaler ist Wirtschaftskammerpräsidentin Tirol. Im Interview mit Sieghard Krabichler

Interview mit Barbara Thaler

Sieghard Krabichler: Krisen, Kriege, Pandemie: Ist Tirols Wirtschaft noch immer europafit?

Barbara Thaler: Natürlich ist die Tiroler Wirtschaft europafit. Wir sind ein starker Lebens- und Wirtschaftsraum im Herzen Europas mit starken Beziehungen zu unseren Nachbarn. 2023 haben wir Waren im Wert von 16 Mrd. Euro exportiert – allein 60 Prozent davon gingen in die EU. Das ist für die 6.000 Betriebe in Tirol, die exportieren ein wichtiger Markt. Da muss man alles dafür tun, damit die Exportorientierung bleibt, z. B. Binnenmarktbestimmungen vereinfachen.

Ist Tirols Wirtschaft gut in Brüssel vertreten?

Die Wirtschaftskammer hat eine starke Vertretung in Brüssel, die akribisch die Gesetzwerdungsprozesse beobachtet. Und ich sehe es durchaus als Vorteil, wenn die Tiroler Wirtschaftskammerpräsidentin eine ehemalige EU-Parlamentarierin ist, die ein Netzwerk hat und auch die Prozesse kennt. Diese Erfahrung werde ich in Zukunft sehr stark nutzen.

Kleine und mittlere Unternehmen kritisieren den Förderdschungel für die EU-Förderungen. Wie sehen Sie das, auch als Unternehmerin?

An einem Förderprojekt teilzunehmen, bei dem EU-Fördergelder involviert sind, ist richtig kompliziert. Das muss sehr viel einfacher gehen. Aber eine komplizierte Förderung heißt nicht, dass wir die Fördergelder liegen lassen dürfen.

Immer mehr Bürokratie scheint es für die Unternehmen EU-weit zu geben. Täuscht das oder überbordet diese derzeit die Wirtschaft?

Nein, leider täuscht das nicht und ich habe das persönlich explizit in den vergangenen fünf Jahren mitbekommen. Wenn die Kommission einen Vorschlag macht, steckt meist ein hehres Ziel dahinter. Wie z. B. beim Lieferkettengesetz. Es ging darum weltweit mehr Druck auf die Einhaltung von Menschenrechten zu machen. Nur wurden bei der Umsetzung die Kontrolle und die Berichtspflichten auf die Betriebe abgewälzt, die das gar nicht leisten können. Wir schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Standortes. Die Kommissionspräsidentin hat eine 25-prozentige Reduktion der Berichtspflichten und damit Reduktion der Bürokratie versprochen: Dieses Ziel muss in der nächsten Legislaturperiode erreicht werden.

Barbara Thaler: Die Tiroler Wirtschaft ist europafit. | Foto: Land Salzburg/Melanie Hutter
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Der Transitverkehr bleibt wohl weiter auf Konfrontationskurs zwischen der EU und Tirol. Ist eine Lösung in Sicht?

Es ist keine Konfrontation mit „der EU“, sondern mit einigen Mitgliedsländern. Fakt ist, es gibt ein Ungleichgewicht, speziell bei der Straßenbemautung. Hier wird zu kurzsichtig, nicht korridorweit gedacht. Regional, aber auch europaweit muss gelten: Wer die Straße braucht, muss sie auch benutzen können. Das braucht überregionale Planung, egal ob eine Staatsgrenze dazwischen ist oder nicht. Vor der Klage Italiens fürchte ich mich nicht, denn wenn Probleme durch Verhandlung nicht gelöst werden können, dann muss man sie vor Gericht lösen, das ist mein pragmatischer Ansatz. Und das Verfahren wird Jahre dauern.

Wo sehen Sie in den kommenden fünf Jahren die größte Herausforderung für Tirols Wirtschaft in Europa?

Ein wichtiger Punkt – speziell für die exportabhängige Wirtschaft Europas und auch für Tirol – wird der Abschluss von sehr guten Handelsabkommen durch die EU mit vielen Teilen der Welt sein. Und nach innen geschaut, den Binnenmarkt einfacher machen. Die Entbürokratisierung der Entsenderichtlinie ist unumgänglich. Denn wenn etwa ein Dienstleister Mitarbeiter vorübergehend in ein anderes EU-Land entsendet, entsteht ein unglaublicher bürokratischer Aufwand. Hier muss es in Zukunft ein einheitliches digitales Meldeformular für alle EU-Staaten geben. Das wäre ein richtiger Schritt in Sachen Bürokratieabbau. Generell muss beim Beschluss von großen Gesetzespaketen, wie etwa dem „Green Deal“, auf die Wettbewerbsfähigkeit und auf die Gegebenheiten in Europa eingegangen werden. Das würde den Widerstand oft viel geringer halten und helfen, die oft guten Ansätze auch rascher umzusetzen.

Warum ist es gerade in Krisenzeiten so wichtig, an der EU-Wahl teilzunehmen?

Die europäische Gesetzgebung zu kritisieren ist unsere Aufgabe, aber unhinterfragt auf die EU als Gesamtes zu schimpfen bis hin zum Ausstieg, das ist falsch und gefährlich.

Fakten – Tiroler Wirtschaftskammer

Mitarbeiter WKO Tirol: ca. 400 7 Sparten und 67 Fachgruppen Geschäftsstellen: 8 in den Bezirken Mitglieder: > 51.000


Weitere Infos unter: www.wko.at/tirol

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