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Helmut Spieslehner wollte einfach mehr, als nur zu sagen: "Wir haben alles getan!" | Foto: Zeiler
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  • Helmut Spieslehner wollte einfach mehr, als nur zu sagen: "Wir haben alles getan!"
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BEZIRKSBLÄTTER: "Diagnose Krebs. Sind Sie dann die erste Anlaufstelle?"
Spieslehner:
"Ja, das kann man so sagen. Manche melden sich bereits, wenn sie sich einfach unwohl fühlen und eine Vermutung in diese Richtung geht. Andere direkt, wenn ihnen die Diagnose gestellt wurde. Aber auch bei Beginn der Therapie werde ich um Rat gefragt – frei nach dem Motto: 'Wenn sie mich anrufen, dann wird geholfen' ".
"Kann man sich die Selbsthilfegruppe vorstellen, wie sie im Fernsehen gezeigt wird, dass alle im Kreis sitzen und erzählen, was ihnen am Herzen liegt?
Spielsehner:
"Jeder letzte Dienstag im Monat findet eine Sitzung statt – Anmeldungen sind erwünscht. Dann gibt’s eine Vorstellungsrunde und ganz wichtig ist es, dass ein sogenanntes Blitzlicht gegeben wird. Und zwar erzählt jeder Gruppenangehörige, wie es ihm jetzt in diesem Augenblick geht. Danach gibt es von meiner Seite Themen aus dem Fach, beispielsweise über neue Tabletten. Den Abschluss bildet ein Small Talk – ungefähr dauert die Sitzung zwei Stunden".
"Muss man in der Gruppe jedes Detail erzählen?"
Spieslehner:
"Nein. Jeder erzählt, was ihn bewegt. Wichtig ist aber, dass sich die Personen dessen bewusst sind, dass sie sich anhören müssen, was die anderen erzählen. Einer, der bereits bei der Therapie im Krankenhaus ist und dort von den Krankengeschichten genug hat, der ist auch hier fehl am Platz".
"Worauf kommt es bei der Gruppe an?"
Spieslehner:
"Dass es alle Gleichgesinnte sind. Alle, egal welcher Körperteil vom Krebs betroffen ist, haben eines gemein: Den Krebs. Und der soll auf irgendeine Art bewältigt werden. Manche haben eben erst die Diagnose erhalten, andere haben bereits die Chemotherapie hinter sich und leben heute gut. Daraus können die, die am Anfang stehen, Kraft schöpfen."
"Wie sieht es mit den Angehörigen aus. Dürfen die bei einer Sitzung der Selbsthilfegruppe dabei sein?"
Spieslehner:
"Ja. Aber sie sind nicht oft da und nur in Ausnahmefällen. Da fällt mir ein konkretes Beispiel ein: Die Angehörigen wussten nicht mehr, wie sie mit dem Patienten umgehen sollten. Er hat einfach nichts mehr von sich preis gegeben. In der Gruppe kam das Thema auf den Tisch mit dem Ergebnis, dass die Angehörigen mit der Krankheit und der Person lernten umzugehen."
"Komplementärmedizin – was halten Sie davon?"
Spieslehner:
"Ich warne davor, dubiose Heilpraktiker aufzusuchen. Aber für einen Menschen, der nur mehr kurze Zeit zu leben hat, ist es durchaus denkbar, dass er alle Möglichkeiten in Erwägung zieht, um die Lebensstunden auszudehnen.
Tod in der Gruppe: Wie wird damit umgegangen, bzw. wie findet die Verabschiedung statt?"
Spieslehner:
"Das ist sehr unterschiedlich. Manche rufen an und sagen, dass sie nicht kommen können. Manche hingegen verabschieden sich direkt in der Gruppe."
Nach so vielen Jahren Selbsthilfegruppe – sind Sie abgebrüht?"
Spieslehner:
"Nein, ganz und gar nicht. Es ist eine imaginäre Freundschaft, die die Personen in der Gruppe einschließlich mich umgibt. Und jeder weiß, dass der Tod jederzeit kommen kann. So war es auch bei einer Frau, die ich betreut habe. Sie hat mich angerufen und sich verabschiedet. Und sie hat auch gesagt, dass sie alles geregelt hat. Mit dem Palliativ-Team aber auch mit den Angehörigen. Ich habe ihr gesagt, dass ich mich gefreut habe, sie kennen zu lernen und ich habe ihr einen friedlichen Übergang gewünscht. Heute frage ich mich, ob ich da zu hart war ... Aber natürlich bin ich für die Patienten im Krankenhaus da und halte die Hand. Berührungen – so sagt man, soll der Mensch noch spüren."
"Stellen Sie sich – gerade in solchen Zeiten – nicht ab und zu die Frage, warum Sie sich das antun?"
Spieslehner (lachend):
"Ja, die stelle ich mir schon. Aber ich weiß die Antwort. Seit 1971 bin ich im Notarztwagen mitgefahren und habe Menschen reanimiert. Und dann blieb uns oftmal nichts anderes mehr übrig, als den Angehörigen zu sagen, dass wir nichts mehr tun konnten. Es war, als hätten wir das Elend hinterlassen. Ich wollte mehr
"Wie sieht es bei Ihnen aus: Hatten Sie den Tod schon einmal vor Augen?"
Spieslehner:
"Ja. Aber ich hatte mehrmals großes Glück. Sowohl bei einem Autounfall als auch beim Bergsteigen. Aber ich bin aufgestanden und weitergegangen. Diese Erlebnisse haben mich sicher geprägt.
Danke für das Interveiw.

Zur Person
Helmut Spieslehner wurde am 28. August 1953 in Lunz am See geboren. Er ist geschieden und hat zwei Kinder. Der gelernte Tischler hat nach dem Bundesheer mit der Ausbildung zum Krankenpfleger begonnen, war in weiterer Folge in Lainz auf der Pathologie tätig und hat auf der Uni das Fach Psychotraumatologie belegt. Er ist Masseur, dipolomierter Lebens- und Sozialberater, akademischer Experte im Sressmanagement, beim Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes, mobiler Berater bei der NÖ Krebshilfe und Leiter der Selbsthilfegruppe. Seit 1971 ist Spieslehner in Tulln, seine Freizeit verbringt er gerne in der Natur. Er ist leidenschaftlicher Bergsteiger und Maler.

Helmut Spieslehner wollte einfach mehr, als nur zu sagen: "Wir haben alles getan!" | Foto: Zeiler
Helmut Spieslehner kann auch lachen. Doch nicht immer ist ihm danach zumute. Vor allem, wenn jemand aus seiner Selbsthilfegruppe sich für immer verabschiedet, geht ihm das sehr nahe. | Foto: Zeiler

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