Privatfehde: Mobbing geht weiter

TULLN (kaze). „Ich habe geglaubt, wir haben einen Lotto-Sechser gemacht!“ Mit diesen Worten beschreibt Frau Kaufmann ihre Freude über das Wiederfinden ihres geliebten Porzellan-Engels. Vor über zwanzig Jahren, erzählt sie, hat sie denselbigen von ihren Kindern als Geschenk überreicht bekommen. „Und immer stand er daheim, bis ich mir dachte, dass er am Familiengrab hübsch aussehen würde“, so die 78-Jährige. Aber diese Behauptung äußert nicht nur sie. Auch die Nachbarin, Elisabeth Wallner, verkündet: „Ich habe den Engel von meinen Kindern vor langer Zeit als Geschenk erhalten. Er gehört zu einem Porzellan-Elefanten. Leider ist die goldene Farbe bei dem Engel schon verblasst – und weil er eh nimmer so schön war, haben wir ihn auf das Grab gestellt.“ Derselbe Engel auf dem Grab beider Familien? Drehen wir das Rad der Zeit ein wenig zurück...

Das Verschwinden eines Engels
Früher herrschte zwischen den Wallners und den Kaufmanns reger Kontakt, Kurt Kaufmann drehte sogar mit dem Hund der Nachbarn seine Runden („aus Nächstenliebe“, wie er betont).
Doch dann wurde alles anders – und der Auslöser war offenbar jener kleine Porzellan-Engel, der eines Tages vom Grab der Kaufmanns „weggeflogen“ und auf dem der Wallners gelandet war – wo er, laut Auskunft von Frau Wallner, sich seit der Trennung vom Elefanten befunden hatte. Aussage steht gegen Aussage – doch das Miteinander-Reden war seit diesem Vorfall Geschichte.
Kurt Kaufmann ist gegenüber dem Bezirksblatt überzeugt, dass es sich bei dem Engelsdiebstahl um Mobbing handelt. Sein Verdacht richtet sich gegen die Nachbarsfamilie.

Anzeige an Staatsanwaltschaft
Die Wallners hingegen zeigen sich von dem plötzlichen Ende des nachbarschaftlichen Kontaktes verwundert: „Es ist eines Tages plötzlich ruhig geworden. Sie haben einfach nicht mehr mit uns geredet“, so August Wallner. Und: „Schließlich wurde ich angezeigt.“ Angeblich soll er die Reifen eines Fahrrades zerstochen haben. „Das Fahrrad ist vor unserem Kellerabteil abgestellt worden mit dem Hinweis: ,Wer das Rad angreift, wird angezeigt‘“, erinnert sich Wallner, der vorhat, Herrn Kaufmann ebenfalls anzuzeigen – wegen Verleumdung. „In der Zwischenheit habe ich schon richtige Angst bekommen“, erzählt die pflegebedürftige Frau Wallner, der die Tränen in den Augen stehen.

Privatfehde in vollem Gange
Die Kaufmans sind jedoch überzeugt, dass von ihren Nachbarn Mobbing-Attacken ausgehen. In den letzten Monaten wurde rund um das Kaufmann’sche Familiengrab vermehrt Hundekot aufgefunden. Nicht nur die Kaufmanns sehen darin eine mögliche persönliche Attacke. „Grundsätzlich herrscht auf dem Friedhof Hundeverbot“, informiert Franz Friedl, Leiter des Amtes für öffentliche Einrichtungen, der glaubt, dass es sich hierbei um eine Privatfehde handelt.
Per 7. Jänner wurde die Anzeige von Kurt Kaufmann an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Derzeit laufen noch die Erhebungen. Erst wenn hier ein Freispruch erfolgen sollte, kann August Wallner seine Anzeige wegen Verleumdung einbringen.