Tulln Schutzwege bleiben vorerst zweidimensional
TULLN (pa). In der Sitzung am 21. März wurden dem Tullner Gemeinderat Informationen über 3D-Schutzwege präsentiert. Nationale und internationale Fach-Experten stehen solchen Markierungen skeptisch gegenüber. Tulln will vorerst die Ergebnisse von Pilotversuchen in Villach und Klagenfurt abwarten.
Der erste 3D-Schutzweg Österreichs entstand im Vorjahr in Linz – auf Eigeninitiative des zuständigen Stadtrates Markus Hein (FPÖ) und der Firma Okalin. Da es dabei keine wissenschaftlich begleitete Vorher-Nachher-Untersuchung gibt, handelt es sich um keinen Pilotversuch und ist auch aus verkehrstechnischer Sicht in mehrerlei Hinsicht problematisch:
> Die Markierungen der „Schatten“ entsprechen laut BMVIT nicht der Bodenmarkierungsverordnung
> Der Effekt ist
- nur aus einer Richtung sichtbar, d.h. Verwendung nur in Einbahnen.
- erst kurz vor dem Schutzweg und bei geringer Geschwindigkeit sichtbar.
- bei Regen und Dunkelheit nicht sichtbar, wobei gerade bei diesen Witterungen
besondere Gefährdung besteht.
> Alle 4 Monate ist eine Nachmarkierung erforderlich.
> Stadtrat Hein (FPÖ), der den Streifen initiiert hatte, in einem Bericht des Magazins „Spiegel“ vomv 6.2.2018: „Für uns in Linz ist das eher ein lustiger Marketing-Gag."
Pilotversuche in Klagenfurt und Villach
Anders als in Linz laufen in Klagenfurt und Villach Vorbereitungen für wissenschaftlich begleitete und verordnete Pilotversuche zu den 3D-Schutzwegen. Dabei werden auch kritische Haftungsfragen behandelt – denn ohne wissenschaftliche Behandlung ist auch fraglich, wer bei Unfällen auf diesen speziellen Schutzwegen haftet. Ein seriöser Pilotversuch ist auf eine Dauer von mehreren Monaten ausgelegt und mit Kosten verbunden. Die Versuche in Klagenfurt und Villach sind so angelegt, dass die Ergebnisse nach dem Abschluss der Versuche für ganz Österreich und damit auch für Tulln abgeleitet werden können.
Fachwelt rät von Umsetzung ab
Die Stadtgemeinde Tulln hat für die Behandlung des 3D-Schutzweges umfassende fachliche Recherchen durchgeführt. Diese wurden von Franz Friedl, Leiter der Abteilung Straßen und Verkehr, in der Gemeinderatssitzung wie folgt präsentiert:
> Gerhard Fichtinger, Abt. allgem. Straßendienst des Landes NÖ: Es gibt keine Praxiserfahrungen, eine Umsetzung wäre nur mit ausdrücklicher Zustimmung eines Sachverständigen möglich. Die Frage der Haftung für ein Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer ist noch nicht geklärt.
> Christian Kainzmeier, BMVIT - Rechtsbereich Straßenverkehr: Eine Verordnung des BMVIT für derartige Bodenmarkierung ist nur im Rahmen eines wissenschaftlichen Versuches möglich, Voraussetzung ist die Übermittlung eines Konzeptes und wissenschaftliche Begleitung der Durchführung.
> ÖAMTC: Die Blickführung ist aus den aus der STVO ableitbaren Sicherheitsbegriffen kontraproduktiv, außerdem tritt bei 2-3 maliger Befahrung ein Gewöhnungseffekt ein. Danach beginnen die Lenker die Wirkung zu ergründen und fixieren dabei den Schutzweg derart, dass die Gefahr besteht, dass Fußgeher nicht mehr erkannt werden.
>ADAC: Die Streifen können die Aufmerksamkeit mitunter erhöhen, daher steht man einem Test eher positiv gegenüber. Zweifel gibt es an der Nachhaltigkeit, d.h. man vermutet einen raschen Gewöhnungseffekt.
Der Gemeinderat hat mit folgendem Stimmverhalten entschieden:
> Gegen eine sofortige Umsetzung eines Versuchsprojektes in Tulln: alle Mandatare der TVP, 2 Mandatare der Grünen, 1 Mandatar der SPÖ (22)
> Für eine sofortige Umsetzung eines Versuchsprojektes in Tulln: alle Mandatare der FPÖ und von TOP (7)
> Ihrer Stimme enthalten haben sich: 5 Mandatare der SPÖ, 1 Mandatar der Grünen, Mandatar der NEOS (7)
Der Antrag, das Pilotprojekt in Villach und Klagenfurt mit dessen Ergebnissen abzuwarten, wurde einstimmig gefasst.
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