Bezirk Tulln: Lokale Wasserversorgung bedroht
Eine neue Richtlinie der EU könnte das Aus für Gemeindebrunnen bedeuten.
BEZIRK TULLN (bt). Im Großteil der Orte im Bezirk Tulln stammt das Trinkwasser aus Brunnen und Wasserwerken der Gemeinden. Das könnte sich aber bald ändern. Denn eine neue Richtlinie der EU sieht strengere Kontrollen und Grenzwerte vor als bisher. EU-Parlamentarier Lukas Mandl schlägt Alarm: „Die neue Richtlinie würde für die Betreiber örtlicher Wasserwerke grob eine Verzehnfachung der Kosten bedeuten. Große Versorger können sich das leisten, aber für viele kleine Anlagen könnte das das Aus bedeuten.“
Was als Konsumentenschutz gedacht war, könnte also am Schluss teuer für die Konsumenten werden. Denn entweder müssen die erhöhten Kosten auf den Wasserpreis aufgeschlagen, oder das Wassser überhaupt von einem Drittanbieter zugekauft werden. Im Bezirk Tulln reagieren die Verantwortlichen auf die EU-Pläne.
Gemeinden in "Lauerstellung"
"Wir sind in Lauerstellung und schauen was auf uns zukommt. Wir hoffen auf die Vernunft unserer österreichischen Volksvertreter, dass sie sich einsetzten, damit auch die kleinen Wasserversorgungsunternehmen so weiter arbeiten dürfen wie bisher", reagiert Gerhard Hartweger, Amtsleiter in Sitzenberg-Reidling. Zusammen mit Vizebürgermeister Rainer Rabl und Wassermeister Josef Herzog führt er über das Brunnenfeld der Gemeinde. Der Brunnen, der von 18 Hektar Wasserschutzgebiet umgeben ist, versorgt 850 Haushalte. "Wir sind stolz, dass wir eine eigene Wasserversorgung haben. Außerdem ist unser Wasser in Sitzenberg-Reidling unaufbereitet. Bei uns kann komplett natürliches Wasser konsumiert werden", schwärmt Hartweger. Derzeit gibt es in der Gemeinde zwei Wasseruntersuchungen pro Jahr - eine kostet cirka 1.000 Euro. Für die Zukunft denkt die EU mindestens zehn solcher Untersuchungen an. "Wenn der Wasserhaushalt nicht mehr positiv zu führen ist, muss der Endverbraucher draufzahlen." Ob dann die gemeindeeigene Versorgung aufrecht erhalten werden kann, ist fraglich.
Kirchbergs Bürgermeister und Obmann des Gemeindeverbandes Wasserversorgung Wagram-Nördliches Tullnerfeld Wolfgang Benedikt ist ebenso kritisch: "Wenn strengere Kontrollen und Grenzwerte notwendig sein müssen, weil es neue ,medizinische Erkenntnisse' gibt, dann soll es so sein. Ich denke aber, nach Rücksprache mit unseren Wasserexperten, dass unsere geltenden gesetzlichen Vorgaben im Moment absolut ausreichend sind. Natürlich sind auch zehn Volluntersuchungen machbar. Zahlen wird es der Abnehmer müssen. Unser Wasserverband (Gemeinden Königsbrunn und Kirchberg ) möchte auf alle Fälle auch in Zukunft als Trinkwasserversorger auftreten und eigenständig agieren."
Keine Luft nach oben
Den Sinn einer Verdichtung der Untersuchungsintervalle bezweifelt auch Johannes Sanda, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft in Tulln. "Noch mehr zu untersuchen, heißt nicht unbedingt, dass die Qualität besser wird. Wo soll sich etwas, was schon super ist, noch hin entwickeln?" Große Wasserversorger wie Tulln müssen zwar nicht bangen – hier wird schon jetzt zwei Mal wöchentlich getestet – kleinere Gemeinden können unter diesen Bedingungen aber keinesfalls kostendeckend arbeiten. Handlungsbedarf sieht Sanda außerdem bei der angestrebten verpflichtenden Risikoabschätzung. Größere Betriebe, auch Tulln, machen solche Abschätzungen bereits - dabei werden verschiedene Schadensfälle, deren Häufigkeit und Auswirkungen durchgespielt. "Die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach arbeitet daran, dass es vielleicht für Klein- und Kleinstversorger Ausnahmen gibt. Für einige hundert Anschlüsse eine solche Abschätzung zu machen, würde diese vor unüberwindbare finanzielle Probleme stellen", erklärt Sanda.
Hintergrund
2013 erzielte die Europäische Bürgerinitiative „right2water“ mehr als 1,3 Mio Unterschriften. Sie forderte einen Gesetzesvorschlag, der „Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung“ fördert. In der Folge begann die Europäische Kommission mit der Überarbeitung der alten Trinkwasser Richtlinie aus dem Jahr 1998.
Am 7. Juni 2018 war zum Kommissions-Vorschlag die erste Aussprache im zuständigen Ausschuss. Der Ausschuss wird voraussichtlich Mitte September abstimmen, das Plenum im Oktober 2018.
Die Ziele der Überarbeitung sind:
- Zugang zu Trinkwasser für alle Europäer (besonders für schutzbedürftige und ausgegrenzte Gruppen)
- Verbesserung der Wasserqualität und -sicherheit (Aufnahme von 18 neuen Kriterien in den Prüfkatalog für unbedenkliches Wasser)
- Informationen über die Qualität des Trinkwassers und die Trinkwasserversorgung in Wohngebieten zugänglich zu machen.
- Zusätzlich sollen durch den zu erwartenden Rückgang von Flaschenwasser jährlich 600 Mio. Euro eingespart und weniger Plastik verbraucht werden.
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