1918: Hoffnung & Zweifel im Bezirk
Der Erste Weltkrieg hinterließ auch bei den Menschen in Urfahr-Umgebung seine Spuren.
BEZIRK (vom). Das Jahr 1918 steht für viele bedeutende Momente: Das Ende des Ersten Weltkrieges, das Ausrufen der neuen Staatsform "Republik" und damit das Ende der Kaiserzeit, die Einführung des Frauenwahlrechts in Österreich und tragischerweise ebenso für den Ausbruch der spanischen Grippe, die zahlreiche Todesopfer forderte.
Hungersnot im Bezirk
Auch Urfahr-Umgebung war zu dieser Zeit vom Krieg gezeichnet. "Die Landwirtschaft stand von Beginn an des Ersten Weltkriegs unter dem Kriegsleistungsgesetz. Die Bauern mussten Zwangslieferungen aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse erbringen", erzählt Johann Danner, Heimatforscher aus Zwettl. Das Jahr 1918 soll besonders vom Hunger geprägt gewesen sein. "1917 war die Getreideernte so schlecht, dass sogar an die Bauern Brotkarten ausgegeben wurden", weiß der Heimatforscher. Die Menschen konnten so Nahrungsmittel nur mit Lebensmittelkarten beziehen. Genussmittel wie Tabak und Zucker gab es nur begrenzt. Dadurch kam es auch manchmal zu Raufereien.
In den Gasthäusern des Bezirks bekam man nur etwas Wein, Most und Bier. "Das Bier ist äußerst schlecht und kaum zu trinken. Speisen sind in den meisten Gasthäusern auf dem Land kaum zu bekommen", heißt es in der Gemeindechronik von Zwettl.
Kommissionen hatten die Aufgabe, sämtliche Vorräte an Getreide, Kartoffeln, Rüben, Heu und Stroh in jedem Haus im Bezirk aufzunehmen. "Dabei wurde mit größter Strenge und Rücksichtslosigkeit vorgegangen. Jeder Kasten jede Truhe wurde durchsucht, kein noch so verborgener Winkel des Hauses entging dem spähenden Auge der Kommission", so Danner. Das Getreide wurde genau gemessen und dann den Besitzern nach Abzug des Eigenbedarfes, welcher sehr knapp bemessen war, die Menge des zu liefernden Getreides vorgeschrieben. Die Leute sollen pro Woche drei Dekagramm Butter bekommen haben, womit es unmöglich ist, auszukommen. So war die Bevölkerung gezwungen, sich solchen im Schleichhandel zu erwerben. Viele Kinder wurden daher zum Betteln ausgeschickt. "In den Städten und größeren Orten kam es zu Hungersnöten und Hungerrevolten, die letztendlich auf das Ende des Krieges großen Einfluss hatten", erzählt Danner.
Vier Brüder heimgekehrt
Im letzten Kriegsjahr waren laut Danner alle wehrfähigen Männer an den Kriegsschauplätzen. "Die Arbeit zuhause wurde von den Frauen den alten Leuten und den vom Krieg verstümmelten Soldaten verrichtet." Johann Danners Großvater, Leopold Danner, war im November 1918 auf Heimaturlaub zuhause. Er war gerade bei der Stallarbeit als einer seiner Brüder beim Hoftor in Uniform hereinkam. "Aha", sagte der Großvater des Zwettlers, "hast du auch Urlaub bekommen?" Darauf sein Bruder: "Nein der Krieg ist aus!" So brauchte Leopold Danner nicht mehr an die Front zurück. "Im Gegensatz zu vielen Familien sind alle vier Brüder unbeschadet aus dem Krieg heimgekehrt", erzählt der Heimatforscher.
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