Wenig Hurra, viel Elend: Der Ausbruch des ersten Weltkrieges im Bezirk Waidhofen

Bauern aus dem Bezirk führen Militärangehörigen vor dem Gasthof Zum Goldenen Löwen (heute Stadthotel) ihre Pferde vor. Auch die Tiere wurden eingezogen, was die Feldarbeit immens erschwerte. | Foto: Bestand Stadtmuseum Waidhofen
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  • Bauern aus dem Bezirk führen Militärangehörigen vor dem Gasthof Zum Goldenen Löwen (heute Stadthotel) ihre Pferde vor. Auch die Tiere wurden eingezogen, was die Feldarbeit immens erschwerte.
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BEZIRK. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges sorgte im Bezirk Waidhofen nur für wenig Jubelstimmung. "Statt Hurrastimmung gab es unter der Bevölkerung eher eine Unsicherheit. Die Leute fragten sich: Was wird da wohl auf uns zukommen", berichtet Franz Fischer vom Stadtmuseum Waidhofen, der sich gemeinsam mit den Bezirksblättern auf Spurensuche begab. "Am Bahnhof Dobersberg weinten die Frauen, als ihre Männer abtransportiert wurden", berichtet Fischer. "Die große Masse hat der Kriegsausbruch eher bedrückt."

Auch ein Eintrag in der Stadtchronik vom 1. August belegt: Kriegs-Euphorie wollte nicht aufkommen. Viele Männer waren eingerückt, die Arbeit blieb an den Frauen hängen. Eine Hilfsaktion für erwerbslose Angehörige musste eingerichtet werden. Viele Pferde wurden zum Militär eingezogen - die Feldarbeit wurde dadurch immens schwierig. Als dann noch plötzlich das Gerücht die Runde machte, der Feind wolle die Wasserleitung von Waidhofen vergiften und alle Einwohner umbringen, brach Panik aus und die Mitglieder der Bürgerkorps wurden abkommandiert die Leitung zu bewachen.

Natürlich gab es Versuche die Moral zu heben. Überliefert ist beispielsweise eine Anekdote aus der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen aus dem August 2014: Dort sammelten die Beamten gemeinsam mit den Bürgermeistern rund 100 Kronen Prämie (je nach Berechnung heute etwa 200 bis 300 Euro) für jenen "tapferen Soldaten unserer Armee, der die erste serbische Fahne erbeutete".

Jeder bekam die Folgen des Krieges zu spüren. So entfiel im Gymnasium jeweils eine Stunde in Deutsch und Französisch, weil zwei Professoren eingezogen wurden. Ab Mai 1915 entfiel der Naturgeschichtsunterricht gänzlich, während die Schüler Aufsätze zu Themen wie "Auch der Krieg hat sein Gutes" und "Das Vaterland darf jedes Opfer fordern" schreiben mussten. 1916 waren schon ein Professor und fünf ehemalige Maturanten gefallen.

Die horrenden Verluste machten es notwendig, dass mehrere improvisierte Krankenhäuser für die Verwundeten eingerichtet wurden. So wurde bereits im September 1914 ein "Rekonvaleszentenheim" in der Forstschule eingerichtet. Das "Bezirksmarodenheim" wurde 1914 in der Turnhalle der Volksschule untergebracht. Bis Februar 1916 sollten hier 450 Patienten behandelt werden - 330 davon aus dem Bezirk Waidhofen.

Besonders schlimm war die Lage in den Internierungslagern des Bezirks. "Im Waldviertel gab es zahlreiche Internierungslager", weiß Fischer. Speziell der Bezirk Waidhofen war für die Internierung Zivilgefangener und "unzuverlässiger" Bürger der Krone vorgesehen. Unter anderem in Markl, Großau, Kautzen, Illmau, Karlstein, Raabs, Weikertschlag, Groß Siegharts, Meires, Waidhofen und Drosendorf wurden Gefangene untergebracht. Adlige und zahlungskräftige Gefangene mit geringer Fluchtgefahr wurden in Privatquartieren unter nur geringer Bewachung "konfiniert".

Härter traf es jene 95 Gefangenen, die im August 2014 im damals unbewohnten Schloss Karlstein interniert wurden. In dem baufälligen Gebäude waren die Gefangenen auf Strohlagern in Dunkelheit untergebracht: Elektrisches Licht oder Fenster gab es nicht. Es gab darüber hinaus auch keine beheizbaren Öfen. Sogar der damalige Bezirkshauptmann Alexander Ritter Bosizio von Thurnberg und Jungenegg protestierte nach einem Lokalaugenschein gegen die untragbaren Zustände und ließ das Lager wegen akuter Einsturzgefahr räumen. Doch noch bevor die dringend notwendige Sanierung beginnen konnte, wurden erneut 170 Gefangene im Schloss untergebracht, wie Reinhard Mundschütz in seiner Dissertation Internierung im Waldviertel berichtet.

Einer der Gefangenen im Bezirk war übrigens Stanislaus Joyce, Bruder des bekannten irischen Schriftstellers James Joyce. Ebenso war der ungarische Kommunist Béla Kun in Karlstein gefangen. Für die Bewachung war abermals das Bürgerkorps Waidhofen zuständig. Der damalige montenegrinische Ministerpräsident, der Generalstabschef Bojo Petrowitsch Negus sowie sieben weitere Generäle, zwei Majore, zwei Minister und ein Abgeordneter sowie ein Richter befanden sich als Geiseln im Bezirk. Noch heute befindet sich am Friedhof in Waidhofen das Grab des montenegrinischen Generals Ivo Djurovic, der im Jahr 1918 in einem Internierungslager unter ungeklärten Umständen starb. Das Grab wird bis heute von der Gemeinde gepflegt.

Auch die Versorgung wurde im Lauf des Krieges immer schlechter: Anfangs klappte die Ernährung der Menschen noch, doch im späteren Kriegsverlauf machte sich der Mangel an Produktionsmitteln bemerkbar. Oft standen nur noch Rüben auf dem Speiseplan.

Überliefert ist auch eine Anekdote über einen Zugwaggon erster Klasse. Dieser stand ausschließlich für hohe Adlige bereit, wenn diese nach Wien reisen wollten. Doch auch dieser Luxuswaggon hauchte sein Leben aus: Er wurde eingezogen und an der Ostfront zerstört.

Quellen:
Stadtchronik Waidhofen, Dr. Erwin Pöppl
Kronen Zeitung vom 6. November 1918
Festschrift 125 Jahre Gymnasium Waidhofen
Amtsblatt der k. k. Bezirkshauptmannschaft
Schulchronik Münchreith
Internierung im Waldviertel, Reinhard Mundschütz
Brief an Lagerkommandant Rudolf Kühtreiber
Brief der Familie Gudenus an Angela Gräfin Gudenus
Mit freundlicher Unterstützung des Stadtmuseums Waidhofen
Sämtliche Fotos aus dem Bestand des Stadtmuseums Waidhofen

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