Neue Zentren gegen den Ärztemangel
Primärversorgungszentren sollen den drohenden Ärztemangel abwenden und die Ambulanzen entlasten - die Tücke liegt aber im Detail.
WAIDHOFEN. In Niederösterreich gibt es 27 Krankenhäuser. Das sind mehr als in ganz Dänemark, wo fast sechs Millionen Einwohner mit 20 Spitälern auskommen. Wie kann es also sein, dass die heimischen Spitalsambulanzen chronisch überlastet sind? Das hat einen einfachen Grund, wie Thomas Gamsjäger, ärztlicher Direktor des Uniklinikums St. Pölten in Waidhofen im Rahmen einer Infoveranstaltung erklärt. Denn: rund 80 Prozent der Patienten in der Ambulanz sind keine Notfälle. Das liege, so der Experte, vor allem am niederschwelligen Zugang: "Die Ambulanzen sind Tag und Nacht hell beleuchtet. Bevor Eltern mit einem kranken Kind lange suchen, ob ihr Arzt da ist, geht man lieber in die Ambulanz". Lange Wartezeiten sind da nur eine der Folgen.
Primärversorgungseinheiten gegen Ärztemangel
Abhilfe für dieses Problem sollen neue Primärversorgungseinheiten (PVE) bilden. Durch großzügige Öffnungszeiten von mindestens 50 Wochenstunden von 7 bis 19 Uhr (mit zweistündiger Mittagspause) sollen sie der neue "One-Stop-Shop" der medizinischen Grundversorgung sein. Der Vorteil: während der Öffnungszeiten tagsüber sind immer Allgemeinmediziner, Pflegepersonal und Therapeuten vor Ort. Das soll auch ein weiteres Problem vor allem im Waldviertel lösen, wo an es an Randzeiten weiße Flecken in der Versorgung gibt. Darüber hinaus sollen die im Gesundheitssystem grassierenden Doppelgleisigkeiten verhindert werden, denn in der Zusammenarbeit der Spitäler mit niedergelassenen Ärzten orten die Experten Verbesserungsbedarf, was zu Mehraufwand für Ärzte und Patienten führt. Außerdem sollen die neuen "Ärztezentren" junge Allgemeinmediziner aufs Land locken, schließlich teilen sie sich das Risiko mit zwei weiteren Ärzten.
Bis April 2018 sollen die ersten Primärversorgungszentren auch im Waldviertel entstehen. Bis 2021 sollen in Niederösterreich 14 PVEs gegründet werden. Jede Einheit wird von drei Allgemeinmedizinern geführt werden. Dazu kommt eine Pflegekraft im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche sowie eine Ordinationshilfe, so wie drei weitere Spezialisten wie Physiotherapeuten, Hebammen, Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten. Ein Konzept, das im bei manchem der 160 Ärzte und Gesundheitsexperten im Stadtsaal auf Kritik stieß: "Das kann nur in den Bezirkshauptstädten oder vielleicht in größeren Städten wie Schrems funktionieren", so ein junger Arzt.
"Hohe Patientenzufriedenheit"
Patientenanwalt Gerald Bachinger verwies auf gute Erfahrungen mit bestehenden PVEs: „Hier haben die Patienten, nach wie vor, und zwar zu längeren Öffnungszeiten ihren Vertrauensarzt, zusätzlich aber noch abgestimmte gesundheitliche Angebote von anderen Gesundheitsberufen. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern, wie etwa Oberösterreich, wo bereits das dritte PVE in Betrieb geht, sind sehr positiv und die Patientenzufriedenheit ist sehr hoch."
Bewerbung für Pilotprojekte bis 28. Februar 2018
Derzeit werden Interessenten für erste Primärversorgungsprojekte in Niederösterreich gesucht. Die Einreichfrist für die erste Etappe läuft bis 28. Februar 2018. 2018 soll in einem ersten Schritt der Pilotbetrieb der PVE in Form von allgemeinmedizinischen Gruppenpraxen starten. Die Suche richtet sich insbesondere an bestehende Gruppenpraxen für Allgemeinmedizin und mehrere Vertragsärzte für Allgemeinmedizin in räumlicher Nähe.
Weiterführende Informationen gibt es in der Info-Broschüre „Primärversorgungseinheiten in Niederösterreich“ auf www.noegus.at sowie im Informationspapier für Interessenten aufwww.arztnoe.at/pilotpve.
Zur Sache: Primärversorgungseinheiten
Primärversorgungseinheiten (PVE) sind eine Ergänzung und Weiterentwicklung der derzeitigen hausärztlichen Versorgung. Praktische Ärzte haben zukünftig die Wahl: Sie können ihre Ordination weiter wie bisher führen oder in neuen Primärversorgungseinheiten mit Spezialisten anderer medizinischer Gesundheitsberufe unter einem Dach bzw. eng vernetzt zusammenarbeiten. In diesem Fall übernimmt ein multiprofessionelles Team – bestehend aus Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern etc. – unter der medizinischen Leitung von Ärzten die Behandlung und Betreuung der Patienten.
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