Barrieren
Selbstexperiment. Freiwillig ein Tag im Rollstuhl

Gehsteigkanten entpuppen sich als Hindernisse. | Foto: Teresa Tauber
5Bilder
  • Gehsteigkanten entpuppen sich als Hindernisse.
  • Foto: Teresa Tauber
  • hochgeladen von Barbara Gutleben

Im Selbstexperiment erlebten vier Studentinnen der FH Gesundheit die Hürden und Schwierigkeiten im Alltag mit dem Rollstuhl.

Dass es die Möglichkeit eines Rollstuhls gibt, ist für viele Betroffene eine tolle Unterstützung, um im Alltag um die Runden zu kommen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Treppen, Gehsteigkanten oder enge Türen entpuppen sich als große Hindernisse.

Wie sich der Alltag im Rollstuhl anfühlt wollten kürzlich vier Studentinnen der FH Gesundheit herausfinden. Das geplante Ziel klingt einfach: Mit dem Zug von Innsbruck nach Kematen fahren und dort die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg, die seit einem Trainingsunfall vor sieben Jahren selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist, besuchen. Anschließend soll der Postbus die Gruppe wieder zurück nach Innsbruck bringen, um den Tag mit einem Besuch im Restaurant ausklingen zu lassen. Sarah Pfister aus Stans durfte den Tag im Rollstuhl verbringen und wurde durch ihre drei Kolleginnen Sofia Kofler, Bettina Rohregger und Teresa Tauber unterstützt und begleitet.

Einfach? Keineswegs

Bereits am Bahnhof warteten die ersten Hürden auf das vierköpfige Team. Das selbstständige Einkaufen im Lebensmittelladen gestaltete sich schwierig, da die Regale zu hoch und die Gänge zu schmal waren. Um mit dem Zug zu fahren, musste außerdem vorab ein „Special Service“ angefordert werden. „Vom Service der ÖBB waren wir alle vier positiv überrascht. Rampen wurden extra ausgeklappt, das Personal hat mich über diese Rampen in den Zug geschoben und es wurde gern geholfen. Mir persönlich war dies aber oft unangenehm. Das Gefühl für die anderen eine Last zu sein, beschlich mich im Laufe des Projekts immer mehr“, erzählt Sarah Pfister.

Die Treppen zur Unterführung am Kemater Bahnhof konnten nur mit Hilfe eines Passanten überwunden werden. Wie hier RollstuhlfahrerInnen ohne Begleitperson zurechtkommen, ist den Studentinnen ein Rätsel. Während sich die Begleiterinnen mit Schieben, Heben und Navigieren beschäftigen mussten, war der Tag auch für die Rollstuhlfahrerin kein Zuckerschlecken. „Durch das dauerhafte Sitzen wurde mein Kreislauf allmählig schwächer und die Kälte kroch bis tief in meine Knochen. Druckstellen, Schmerzen im Rücken, sowie steife Beine ließen auch nicht lange auf sich warten“, beschreibt Sarah Pfister die körperlichen Auswirkungen.

Sich zu helfen wissen

In Kematen begrüßte Kira Grünberg die Gruppe bei sich zuhause. Ihr stetiger Begleiter heißt Balu, ein Labradoodle, der als Assistenzhund eine große Hilfe in Kiras Alltag darstellt. „Balu kann für mich Schubladen öffnen, Gegenstände vom Boden aufheben und sie mir bringen“, erklärte Kira ihren Besucherinnen. „An eine eigene körperliche Einschränkung gewöhnt man sich mit der Zeit und lernt damit umzugehen. Bei Barrieren sieht das anders aus. Sie sind fast überall vorhanden und das betrifft nicht nur bauliche, sondern auch sprachliche, technologische und soziale Barrieren“, betont Kira Grünberg.

Der gesunde Körper – ein Privileg

Bei der Busfahrt zurück nach Innsbruck wurde Tetris gespielt: Der Busfahrer musste eine Rollstuhlfahrerin, einen Kinderwagen und einen Herren mit Rollator unterbringen. Aber auch hier wurde von allen Seiten geholfen. Mit dem Restaurantbesuch war auch die letzte Hürde des Tages erfolgreich gemeistert. Zwar gibt es bei vielen Lokalen Nachholbedarf was die Barrierefreiheit betrifft, doch die Freude über den gelungenen Tag, ließ sich das Team nicht mehr nehmen. „Das Projekt erfüllt uns mit Dankbarkeit gegenüber dem eigenen Körper und den Möglichkeiten, die er einem bietet. Es ist ein großes Privileg, ohne körperlicher oder geistiger Behinderung leben zu können und das dürfen wir nicht vergessen“, sind sich die Studentinnen einig.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.