"Suzume"
Bildgewaltiger Anime, der Japans Erdbeben-Trauma aufarbeitet

Der Ausnahmeregisseur Makoto Shinkai verarbeitet in seinem jüngsten Anime-Film "Suzume" Japans Erdbeben-Trauma von 2011 in melancholischen Momentaufnahmen und mit einer bildgewaltigen Sprache. | Foto: SUZUME Film Partners, 2023
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  • Der Ausnahmeregisseur Makoto Shinkai verarbeitet in seinem jüngsten Anime-Film "Suzume" Japans Erdbeben-Trauma von 2011 in melancholischen Momentaufnahmen und mit einer bildgewaltigen Sprache.
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Der Ausnahmeregisseur Makoto Shinkai verarbeitet in seinem jüngsten Anime-Film "Suzume" Japans Erdbeben-Trauma von 2011 in melancholischen Momentaufnahmen und mit einer bildgewaltigen Sprache. Handwerklich sowie inhaltlich – auch ob des mythischen Ansatzes und der Aufarbeitung menschlicher Tragödien – ein mitreißendes und hochemotionales Meisterwerk. Seit 13. April gibt es den Film auch in Wien im Kino zu sehen.

WIEN. Spätestens seit seinem großen Wurf, dem Anime-Film "Your Name" (Animes sind – kurz umschrieben – japanische Zeichentrickfilme), der 2016 in den Kinos kam und weltweit zum Kassenschlager wurde, ist der Animator und Regisseur Makoto Shinkai in aller Munde.

Seitdem wird er häufig in einem Atemzug mit Hayao Miyazaki genannt und sogar als würdiger Nachfolger jenes alternden Großmeisters des japanischen Animes gehandelt, der mit Filmen wie "Nausicaa im Tal der Winde", "Prinzessin Mononoke" und "Chihiros Reise ins Zauberland" Generationen über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus zu bewegen und berühren vermochte. Vergleiche hin oder her – eines haben Shinkai und Miyazaki mit Sicherheit gemein: Sie sind beide grandiose Geschichtenerzähler.

Wiederkehrende Motive

Doch um den Vergleich zwischen ihm und dem ehrenwerten Herrn Miyazaki geht es in den nächsten Zeilen erst einmal nicht, sondern um Shinkais aktuellen Anime-Film "Suzume", der auch in den Wiener Kinos läuft.

Im Vordergrund seines neuesten Werks stehen jene Motive, die Shinkai bereits in seinen vorangegangenen Filmen meisterlich in den Mittelpunkt seiner Schaffenswelt gesetzt hat: Verlust, Einsamkeit, Heranwachsen, Liebe und die Mythisierung realer Ereignisse. Ganz scheint es so, als ob sich Shinkai in letzterer Hinsicht den Stil des "Magischen Realismus", eine Literatur- und Kunstgattung, die vor allem in Lateinamerika vorherrschend ist, als Vorbild genommen zu haben.

So treffen bereits in seinen alten Werken Reales und Übernatürliches mit großer visueller Wucht aufeinander. Auch Träume und die Koexistenz von Vergangenheit und Gegenwart sind ein wiederkehrendes Motiv in Shinkais bisherigen Filmen.

Über Verlust und Aufarbeitung

Mit Themen wie Verlust, Mythos und Aufarbeitung wird der Kinozuschauer bereits in den ersten Szenen des Films konfrontiert. Ein kleines Mädchen irrt orientierungslos durch eine von einer Naturkatastrophe völlig zerstörten Landschaft, immer wieder verzweifelt nach seiner Mutter rufend. Doch ihre Rufe inmitten der Häuserruinen bleiben ungehört – sie erhält keine Antwort.

Makoto Shinkai mit einem dreibeinigen Kinderstuhl, der – soviel sei verraten – eine Schlüsselrolle in Suzume spielt. | Foto: Jordan Strauss / AP / picturedesk.com
  • Makoto Shinkai mit einem dreibeinigen Kinderstuhl, der – soviel sei verraten – eine Schlüsselrolle in Suzume spielt.
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Das Mädchen – die titelgebende Suzume – ist in der darauffolgenden Szene nun eine junge Frau von 17 Jahren, wacht plötzlich auf. Es scheint, als alles nur ein Traum gewesen zu sein. Doch die Tränen in Suzumes Gesicht nach dem Aufwachen verraten dem Zuschauer etwas anderes. Der frühe Verlust der Mutter, das Trauma ihrer Kindheit, steht Pate für das kollektive Trauma einer ganzen Nation.

Verheerendes Erdbeben 2011

Am 11. März 2011 traf ein Erdbeben – das bis dato schlimmste in der Geschichte Japans – die Tohoku-Region auf der japanischen Hauptinsel Honshu, zu dessen Todesopfern, insgesamt 22.000 an der Zahl, Suzumes Mutter gehört. Noch heute hat das Land, das durch seine geografische Lage häufig von Naturkatastrophen heimgesucht wird, die Folgen zu spüren.

Das Beben löste eine Tsunami aus, welches die dortige Küstenregion verheerte und die Nuklearkatastrophe von Fukushima verursachte und unbewohnbare Landstriche zurückließ. Bilder von komplett zerstörten Küstenstädten und Schiffen, die durch die Tsunami an Land und sogar auf Häuserdächern gespült wurden, gingen damals um die Welt.

11. März 2011. | Foto:  EPA / picturedesk.com

Japan scheint mit der großen Katastrophe von 2011 immer noch nicht abgeschlossen zu haben, zu tief sitzt die Tragödie noch in den Köpfen der Menschen. Mit Suzume leitet Shinkai - zumindest auf Leinwand - einen Prozess der Aufarbeitung ein – und das auf visuell und inhaltlich beeindruckender Weise.

Mythos als Traumabewältigung

Denn wo Einsatzkräfte nicht hingelangen können – nämlich in den Köpfen der Menschen – da setzt Shinkai mit Suzume an. "Mythos als Traumabewältigung", schrieb bereits das "Philosophie Magazin" in einer Filmanalyse über Shinkais Werk. Hinsichtlich einer emotionalen Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen sei der Mythos "viel wirkungsmächtiger als jede wissenschaftliche Analyse", heißt es darin.

So steht die junge Suzume zunächst am Anfang einer Reise, die sie im späteren Filmverlauf durch das halbe, Post-Fukushima-Japan führt. Dabei begegnet sie einen jungen, adretten Mann, der auf der Suche nach mysteriösen Türen ist, die einfach so in der Landschaft stehen, die er mittels eines magisch angehauchten Schlüssels, zu verschließen versucht.

Balsam für Japans traumatisierte Seele

Denn hinter diesen Türen verbirgt sich eine andere Welt, in der eine dämonische Macht haust, die, falls sie es schafft in die reale Welt zu gelangen, verheerende Erdbeben wie jenes von 2011 heraufbeschwört. Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, hilft Suzume, die bereits einen großen Verlust durch eine solche Naturkatastrophe verkraften musste, dabei jenen mysteriösen jungen Mann bei seiner Suche nach diesen unheilvollen Türen. Für die junge Heldin wird die Begegnung zu einem Road-Trip durch Japan und in ihre eigene Vergangenheit.

Türen, die in eine andere Welt führen, spielen eine tragende Rolle in "Suzume". | Foto:  Ichiro Ohara / AP / picturedesk.com
  • Türen, die in eine andere Welt führen, spielen eine tragende Rolle in "Suzume".
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Das Aufeinandertreffen von Realität und Mythen (in Japan ist der Glaube an Naturgeister, Götter und Übernatürlichem – Stichwort Shintoismus – nach wie vor stark ausgeprägt) und das Zusammenlaufen unterschiedlicher Zeitstränge sind zentrale Themen in Suzume – und natürlich der Verlust sowie der Umgang damit.

Ein Meister in Höchstform

Shinkai traute sich dieses Mal, nach seinem Ausnahmeerfolg "Your Name", bei dem eine ähnliche, aber fiktive Naturkatastrophe für viel Leid sorgt, thematisch direkt an das große Trauma der jüngeren Zeit seines Heimatlandes heran – aber auf unaufdringlicher, subtiler und gefühlvoller Weise.

Vor allem ist er als Meister der Licht- und Schatteneffekte mit Suzume aktuell in technischer Höchstform, welches sogar seine Vorgänger, dem bereits phänomenalen Werk "Your Name" und dem optisch noch schöneren (aber inhaltlich schwächeren) Film "Weathering with you" toppt. So kann sein neuester Streich sowohl inhaltlich mit großer Tiefgründigkeit als auch mit bildgewaltiger Optik punkten und diese gekonnt in Waage halten.

Was am Ende herausgekommen ist, ist Shinkais bis dato wohl visuell komplettester und reifster Film. Zugleich dient Suzume als Aufarbeitungsprozess für die größte Tragödie in der jüngeren Geschichte seines Heimatlandes.

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