Charles und Camilla in Wien: Ein Lehrstück britischer Zurückhaltung
Gestern in Wien angekommen, heute bereits wieder weg - nur 24 Stunden dauerte der Besuch des britischen Thronfolgerpaares in Wien. Die Zeit war kurz und das Programm dicht - trotzdem hätten sich die Wiener gewünscht, dass ihnen Charles und Camilla ein paar Minuten mehr Zeit schenken würden.
WIEN. Nach der Landung der Royal Air Force wurde der Erstgeborene von Queen Elizabeth mit seiner zweiten Ehefrau von Staatssekretärin Muna Duzdar am Ende der Gangway begrüßt. Bundespräsident Alexander van der Bellen erschien nicht am Flughafen, empfing aber den Prince of Wales und die Duchess of Cornwall kurze Zeit später in der Hofburg. Vor dem Treffen mit dem Präsidenten gönnte sich das englische Ehepaar einen Apfelstrudel in der Konditorei Demel - Händeschütteln vor dem Kaffeehaus inklusive. Nach dem kurzen Termin mit dem Bundespräsidenten folgte ein Treffen des Thronfolgers mit Bundeskanzler Christian Kern. Den Tag ließen der künftige König von England und seine Gattin bei einem Staatsbankett in der Hofburg ausklingen.
Der zweite Besuchstag beginnt für die Royals mit Kultur: Um 11:21 Uhr fahren Charles und Camilla mit Polizeieskorte vor dem Musikverein vor, um einer Probe der Wiener Philharmoniker beizuwohnen. Nur rund 150 Schaulustige haben sich am Musikvereinsplatz trotz Wind und Kälte versammelt, um einen Blick auf Charles und seine zweite Gemahlin zu werfen. Im Vergleich zu den Menschenmassen, die sich an der gleichen Stelle vor 31 Jahren eingefunden hatten, um Charles und Diana zu sehen, fast peinlich. Doch nicht an einem Desinteresse der Österreicher liegt die geringe Zuschauerzahl, sondern an den strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Die Menge der Zaungäste vor dem Musikverein ist überschaubar.
Selber Ort, gleiches Ereignis, aber 31 Jahre früher: 1986 fand sich eine große Menge vor dem Musikverein ein, um einen Blick auf Prinz Charles zu werfen.
Das örtliche Programm wurde zwar bekannt gegeben, doch die Zeitpunkte geheim gehalten. "Wir dachten, sie kommen früher zum Musikverein, da hier der Tag startet. Wir warten bereits seit einer Dreiviertelstunde", erklärt Christiane kurz vor elf Uhr. Die Wiednerin wartet nicht nur mit Ehemann Gottfried in der Kälte, sondern auch mit ihren englischen Freunden Julie und Gerry aus London.
Auch Silvia aus Amstetten harrt bereits seit Längerem vor dem Musikverein aus. "Ich bin extra nach Wien gefahren, um Charles und Camilla zu sehen. Ich bin schon enttäuscht, dass für die Termine keine Zeiten genannt wurden", so der bekennende Englandfan und erntet beifälliges Kopfschütteln von der Nachbarin am Absperrgitter, die ebenfalls aus Linz für den königlichen Besuch angereist ist.
Interessant: Stand beim Wienbesuch 1986 Lady Diana im Mittelpunkt und Charles wurde eher als Begleitperson wahrgenommen, liegen nun alle Sympathiepunkte bei dem Prince of Wales. "Er ist bodenständig und naturverbunden", erklärt Silvia ihre Begeisterung für den Kronprinzen. "Camilla war immer verschrien, hat sich aber gut eingelebt. Die Zwei sind ein liebenswertes Paar!"
Spärliche Menge, kalter Wind
Dieser Ansicht sind auch Renate und Franz, die den Blick auf das Prinzenpaar in ihren Vormittagsspaziergang eingeplant haben. Auch hier ist die freudige Neugier durch die Schnitzeljagd getrübt. "Wir warten hier seit zwanzig Minuten", so Renate um 11 Uhr. Noch sind die Absperrgitter für die Fußgänger unterbrochen und die spärliche Menge will nicht wirklich wachsen. "Ich mag Charles, weil er ein Naturschützer ist und auch selber Biogemüse anbaut", so Renate, während ihr Mann sich die kalten Hände reibt. "Und Camilla setzt sich für Osteoporosepatienten ein."
Fünf Minuten nach elf stellt sich die junge Isadora ans Absperrgitter vor dem Eingang. "Ich habe gerade Zeit, deshalb habe ich mir gedacht, ich schaue vorbei. Meine Mutter ist ein großer Fan von allem, was eine Krone trägt. Leider ist sie jetzt in Frankreich", so die Applausvertreterin zur bz.
Fröhlicher Prinz, flotte Herzogin
Um 11:21 Uhr hat sich das Warten gelohnt: Die doppelt beflaggte Limousine von Charles und Camilla biegt um die Ecke. Applaus brandet auf und als Charles aus dem Auto steigt, werden aufgeregte "Charles! Charles!"-Rufe laut. Auch ein Diana-Schrei schallt durch die Luft - ob die Aufregung Schuld an der Verwechslung ist oder es sich einfach nur um einen geschmacklosen Witz handelt, wird die Menge nie erfahren. Der Prinz aus England freut sich sichtlich über den Empfang und winkt fröhlich mit einem geröteten Gesicht in die Runde, während seine Gemahlin das Auto verlässt und zügig den Musikverein betritt. Zwar winkt auch Camilla, die in einem eleganten hellblauen Kleid unterwegs ist, aber eher ins Leere als zielgerichtet in Richtung Zaungäste. Nach wenigen Sekunden ist die Aufregung vorbei und die Menge zerstreut sich.
"In 35 Minuten kommen sie wieder heraus und dann sind Shake-hands von Prinz Charles vorgesehen", verrät ein überaus sympathischer Polizist. Grund genug für den harten Kern zu warten. Leider wirklich nur ein Kern, denn als das Ehepaar um 12:05 Uhr den Musikverein verlässt, werden die Wartenden im wahrsten Sinn des Wortes in der Kälte stehen gelassen. Charles winkt lachend, Camilla hebt die Hand und wedelt in der Luft, beide steigen in die Limousine und flitzen mit Blaulichtbegleitung weiter zum Jüdischen Museum. Das royale Händeschütteln wurde wegen Publikummangels kurzfristig abgesagt.
Camilla in der Hofreitschule
Nach einer Besichtigungstour und einem Gespräch mit Holocaustüberlebenden fährt das Paar weiter zum Weinbau Obermann in die Cobenzlgasse 102. Nach einer Weinverkostung geht es vom 19. Bezirk flugs zurück in die Innenstadt, wo Charles um 13:30 Uhr bei der OSZE zu einer "Round-table-Diskussion" eintrifft. Camilla nimmt unterdessen ihren mutmaßlich liebsten Termin des Wienaufenthalts wahr: Einen Besuch in der Spanischen Hofreitschule. Um 14:10 Uhr huscht die zierliche Britin immer noch in hellblau vom einfach beflaggten Auto (zwei Flaggen sind dem künftigen König vorbehalten) in die Stallungen. Auch hier warten Schaulustige und einige werden mit einem Handschlag für ihre Treue zur Monarchie belohnt. Nach drei Sekunden ist die herzliche Zuneigung allerdings schon wieder beendet und Camilla wird von Geschäftsführerin Elisabeth Gürtler in Empfang genommen.
Groß die Aufregung, nur die Pferde in den umliegenden Boxen zeigen sich von Camilla völlig unbeeindruckt. Anders die Zaungäste: Freude über die räumliche Nähe zur Herzogin macht sich breit. "Ich bin so aufgeregt! Sie hat mir die Hand gegeben und ich konnte einfach nichts sagen", kann der junge Maciej sein Glück nicht fassen. "Ich habe gestern fünf Stunden im Demel gewartet und das Paar dort aus nächster Nähe gesehen." Zu seiner Leidenschaft für das britische Königshaus steht der adrett gekleidete Mann. "Ich bin ein großer Fan und schaue alles, was mit den Royals zu tun hat. Die Queen kann ein großes Vorbild sein. Während wir alle locker sein wollen, wahrt sie die Distanz. Das ist etwas, was die Leute heutzutage nicht mehr haben."
Warten ohne Happy End
Nach zehn Minuten verlässt Camilla die Stallungen und begibt sich ohne Händeschütteln in den Vorführsaal. Der Tross der Schaulustigen begibt sich zum Eingang der Hofreitschule unter der Michaelerkuppel. Hier hat sich eine deutlich größere Menge angesammelt, die zu einem guten Teil aus deutschen Touristen besteht. Nach einer Wartezeit von einer Stunde und zwanzig Minuten - in der plötzlich die doppelt beflaggte Limousine mit dem Thronfolger unter der Kuppel durchrast - werden auch hier die Zuseher mit der britischen Zurückhaltung konfrontiert. Camilla winkt beim Verlassen der Hofburg zwar lächelnd der Menge zu, doch nach wenigen Augenblicken ist sie wieder in ihrem einfach beflaggten Wagen verschwunden. Der Konvoi setzt sich in Bewegung und Camilla hat ihren letzten Programmpunkt erledigt.
Fazit des hochherrschaftlichen Besuchs: Wien hat gesehen, dass Camilla klein und wie Charles sehr freundlich ist, dass übertriebene Sicherheitsvorkehrungen den Spaß an einem royalen Besuch trüben und dass der Wiener mit der britischen Zurückhaltung nicht allzu warm wird.
Hintergrund
Bericht:Prinz Charles und Herzogin Camilla beehren Wien
Stadtlich:Charles und Camilla in Wien - Staatsbesuch ohne Staatsbürger
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