ICMPD-Klage in Wien abgewiesen
Jubel für Kid Pex und SOS Balkanroute
Am Dienstag wurde die NGO "SOS Balkanroute" sowie deren Gründer Peter Rosandić vor dem Wiener Handelsgericht von ICMPD geklagt. Der Vorwurf: Kreditschädigung mit der Bezeichnung "Guantanamo". Der Richter wies die Klage ab: Freispruch für "SOS Balkanroute".
WIEN. Der Rapper und Aktivist Petar Rosandić alias "Kid Pex" ist der Gründer sowie Obmann der NGO "SOS Balkanroute". Am Dienstagnachmittag, 18. Juli, wurde Rosandić sowie die NGO wegen möglicher Kreditschädigung vom in Wien ansässigen Internationalem Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) am Wiener Handelsgericht verklagt. Der Generaldirektor des ICMPD ist Michael Spindelegger (ÖVP), ehemaliger Vizekanzler und Ex-Parteichef.
Das Gericht wies die Klagen gegen Rosandić sowie die NGO ab. ICMPD hatte wegen des Wortes "Guantanamo" geklagt. So bezeichnete Rosandić eine Internierungsanstalt, die innerhalb des bosnischen Flüchtlingslager Lipa von ICMPD errichtet wurde. ICMPD-Anwältin Ulrike Zeller kündigte Berufung an. Der Streitwert beim gestrigen Prozess betrug 34.000 Euro plus 21.000 Euro Anwaltskosten.
Beim gestrigen Prozess waren viele Sympathisantinnen und Sympathisanten der "SOS Balkanroute" vor Ort. Der Saal im Handelsgericht war komplett gefüllt. Obwohl der Prozess im 7. Stock stattfand, konnte man nach Verkündung des Urteils Jubel von draußen wahrnehmen.
"Österreichs Guantanamo"
Die genaue Anklage des ICMPD beinhaltet von den beklagten Parteien - "SOS Balkanroute" und Rosandić - "APA-OTS"-Aussendungen sowie Tweets zu dem Camp Lipa. So veröffentlichte Rosandić unter dem Namen "Kid Pex" unter anderem einen Foto-Tweet, mit dem Text: "Das wird Österreichs Guantanamo". Darunter das Gesicht eines Geflüchteten in Lipa. Dies sei eine Anspielung auf die "Guantanamo Bay Naval Base", ein vielfach in Kritik stehendes sowie menschenrechtswidriges US-Gefangenenlager auf Kuba.
Vor dem Wiener Handelsgericht machte ICMPD-Anwältin Zeller gleich vorweg klar, sie wolle "nur" eine Unterlassung sowie einen Widerruf der Aussage erzielen und würde auf die des Weiteren geforderten Kosten verzichten. Für "SOS Balkanroute"-Rechtsanwältin Maria Windhager stehe dies aber nicht zu Option. Solch Aussagen zu unterbinden, sei ein Einschritt in die Meinungsfreiheit. "Das ist der Kern der Meinungsäußerung, auch die Überspitzung", so Rechtsanwältin Windhager.
"Ein illegales Gefängnis, ein Guantanamo"
In einem Punkt waren sich Kläger und Beklagte aber einig: Die Diskussion rund um welche Politik im Zusammenhang mit Migration die richtige wäre, habe vor dem Handelsgerichts nichts zu suchen. Die Uneinigkeit im Gericht herrschte vor allem in Bezug auf die Begrifflichkeit "Guantanamo". "Weil nun mal Guantanamo kein leichter Vorwurf ist", so ICMPD-Anwältin Zeller.
"Es wird oft der Begriff Guantanamo verwendet", so Windhager. Um ihre Aussage zu unterstreichen, legte Windhager im Gericht Beispiele vor, in denen unter anderem das Flüchtlingscamp Moria als Guantanamo bezeichnet wurde. Im Handelsgericht wurde in Folge viel diskutiert: über die Tätigkeiten von ICMPD, deren Internierungslager und die Migrationspolitik.
Auch ein Angestellter des ICMPD sowie Rosandić, welche beide als Zeugen geladen waren, brachten sich in die Diskussion ein. Rosandić stellte vor Ort nochmals fest: In Lipa "haben sie ein illegales Gefängnis, ein Guantanamo errichtet". Im Publikum wurde gelacht. Nach rund vier Stunden Verhandlung, in denen die beiden Zeugen befragt wurden, kam Richter Andreas Pablik zu einem Urteil. Er wies die Klage von ICMPD ab. Die Aussage "Guantanamo" sei ein Werturteil.
"SLAPP"-Klage vermutet
Windhager, eine auf Medienrecht spezialisierte Rechtsanwältin, vermutet hinter der Anzeige des ICMPD eine "SLAPP"-Klage wegen "unliebsamer Kritik". „SLAPP“ steht im Englischen für „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“. Für Windhager steht fest: Die Beklagten haben keine rechtswidrigen Äußerungen getätigt sowie die Fakten "nicht unrichtig oder verzerrt" dargestellt.
Im Zusammenhang mit dem gestrigen Prozess verfassten über 50 österreichische und internationale Initiativen und Organisationen einen offenen Brief um sich "solidarisch" hinter die "SOS Balkanroute" sowie den Gründer Rosandić zu stellen. Darunter: Caritas der Erzdiözese Wien, "Amnesty International Österreich" und die Diakonie Österreich. Darin steht unter anderem: "Wir verurteilen die Sanktionierung von Menschenrechtsarbeit und den Einschüchterungsversuch mit einer "SLAPP"-Klage gegen den gemeinnützigen Verein".
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