Gerichtsurteil
Tageszeitung machte falsche Frau zum Mordopfer in Wien
Im September 2021 wurden die Leichen von zwei Frauen in einer Favoritner Wohnung gefunden. Es waren die Femizide Nummer 20 und 21 des Jahres. Die "Kronen Zeitung" veröffentlichte damals das Foto einer Wiener Pharmazeutin und bezeichnete sie als eines der Mordopfer, was jedoch nicht stimmte. Deswegen kam es jetzt zu einem Gerichtsurteil.
WIEN. Montag, 13. September 2021, gegen 16 Uhr. Die Polizei wurde zu einer Wohnung am Favoritner Belgradplatz wegen einer Streitschlichtung alarmiert. Dort befand sich ein 28-Jähriger, der vor Ort angab, zwei Frauen getötet zu haben. Es war die Femizide Nummer 20 und 21 des Jahres 2021. Die BezirksZeitung berichtete damals:
Der Mann ermordete seine Ex-Frau Shukri A. sowie Fadumo H., die ihre Freundin vor dem Gewalttäter schützen wollte. Einige Medien berichteten damals, dass H. die Freundin des Täters gewesen sei. Ihre engen Freundin, Suad M., schrieb damals auf ihrer Facebook-Seite "Ruhe in Frieden" und bat, dass man keine falschen Informationen veröffentlichen sollte, denn H. sei niemals die Freundin des Mörders gewesen.
Die "Kronen Zeitung" veröffentlichte drei bzw. vier Tage später das Foto von Suad M. von ihrer Facebook-Seite und schrieb als Bildtext, diese "musste den Besuch bei ihrer Freundin mit dem Leben bezahlen". Und dafür musste jetzt die Tageszeitung zahlen. Denn wie "Falter.Morgen" berichtet, verpixelte die Zeitung das Facebook-Profilfoto zwar, aber nur so schwach, dass M. laut Gerichtsurteil "sowohl für Freunde und Kollegen als auch für nur flüchtige Bekannte und Mitglieder der somalischen Community, die sie gar nicht persönlich kannten, eindeutig identifizierbar" gewesen sei.
Suad M. ist Somalierin und bekannt in der Community ihres Heimatlandes. Sie ist studierte Pharmazeutin und in der Community auch sehr aktiv, setzt sich für Frauenrechte und -gesundheit ein.
6.600 Euro Schadenersatz
In ihrem Urteil schreibt Richterin Barbara Maschler, zitiert von "Falter.Morgen": "Bei einer auch nur oberflächlichen Recherche hätte die Beklagte (die "Kronen Zeitung", Anm.) leicht feststellen können, dass die von ihr verwendeten Lichtbilder die Klägerin und nicht das tatsächliche Mordopfer Fadumo H. zeigten, dies insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin auf ihrem Facebook-Account über den Tod ihrer Freundin berichtete".
Bemessen auf die erlittene Kränkung, das grobe Verschulden der Beklagten, der großen Reichweite der Tageszeitung sowie der massiven Auswirkungen auf die Klägerin und ihr Umfeld, bekommt Suad M. insgesamt 6.600 Euro an Schadenersatz sowie die Gerichtskosten ersetzt.
Im Juli vergangenen Jahres wurde der Tatverdächtige, der 29-jährige Abdi S., damals nicht rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.
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