Terror in Wien
Verteidiger sehen keine Beweise für Schuld der Mandanten
715 Tage nach dem Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien startete der Prozess gegen sechs Männer, die dem getöteten Attentäter geholfen haben sollen. Die Urteile sind frühestens für Februar 2023 zu erwarten.
WIEN. Vier Tote, 23 teils schwer Verletzte, viel Angst und Panik: So sieht die traurige Bilanz des Terroranschlags vom 2. November 2020 in Wien aus. 715 Tage später begann am Dienstag, 18. Oktober, am Landesgericht für Strafsachen der Prozess gegen sechs Angeklagte, die dem getöteten Attentäter Kujtim F. im Vorfeld tatkräftig geholfen haben sollen.
In ihrem Eröffnungsplädoyer hielt die Staatsanwältin fest: "Es geht um die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte". Angesprochen sind sechs Männer im Alter zwischen 22 und 32 Jahren. Und die Staatsanwältin weiter: "Ich bin davon überzeugt, dass jeder Einzelne von Ihnen weiß, was er am Abend des 2. November 2020 gemacht hat". Die sechs Männer hätten "ursächlich zur Ausführung der Tat beigetragen" und damit "auf den öffentlichen Frieden abgezielt", heißt es.
Der Attentäter soll mit der Hilfe der Angeklagten an seine Waffen und Munition gelangt und in seinen terroristischen Absichten bestärkt worden sein. Ein vollautomatisches Sturmgewehr samt passender Munition sowie eine Pistole soll ihm ein 32-Jähriger besorgt und übergeben haben. Stunden vor dem Anschlag sollen der 32-Jährige und ein 24-Jähriger sich in die Wohnung von Kujtim F. begeben und diesem bei den letzten Vorbereitungen, insbesondere bei der Aufbereitung der Tatwaffen sowie der Herstellung einer Sprengstoffgürtelattrappe geholfen haben.
Verteidiger: "Es ist kein Beweis da, nur Indizien"
Dass nicht mehr Menschen in der warmen Novembernacht getötet worden sind, sei nur "einem großen Glück zu verdanken", sagte die Staatsanwältin. Am Dienstag wurde u. a. ein vom Attentäter vor dem Anschlag aufgenommenes Bekennervideo gezeigt, das einer der Angeklagten weitergeleitet und das dann IS-Medien übernommen hatten.
"Die sechs Angeklagten haben im Ermittlungsverfahren stets geleugnet, etwas von den Plänen gewusst, oder Kujtim F. unterstützt oder geholfen zu haben. Doch es gibt eine Vielzahl an Beweisen und Indizien"
Die Verteidiger der angeklagten mutmaßlichen Mithelfer wiesen die Vorwürfe der Anklagebehörde zurück. "Es ist kein Beweis da. Es sind nur Indizien. Aber die Indizienkette ist nicht schlüssig, sie bröckelt da und da", sagte Rechtsanwalt Manfred Arbacher-Stöger, der einen Mann vertritt, der den Attentäter in seinen Terrorabsicht bestärkt und begleitet haben soll. Laut dem Anwalt habe sein Mandant den Attentäter gekannt, es gebe jedoch keinen Beweis, dass er je in dessen Wohnung war. Und auch die Videos habe er bekommen und weiter verbreitet – "mehr" jedoch nicht.
Ein 24-Jähriger wird vom Verteidiger Rudolf Mayer vertreten. Sein Mandant war mit dem späteren Attentäter vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Grund: Sie haben IS-Propagandamaterial verbreitet und zudem versucht, nach Syrien zu gelangen, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen. Unter der Anrechnung der U-Haft wurden die beiden im Dezember 2019 aus dem Haft entlassen.
"Ein IS-Mann hat im Namen der IS-Miliz einen Terroranschlag verübt und damit nicht nur die Angehörigen, die Familie und die Freunde der Opfer, sondern uns alle, ganz Österreich ins Herz getroffen."
Drei Männer plädieren auf nicht schuldig
Laut "Kurier.at" gaben alle Angeklagten aussagen zu wollen. Drei Angeklagte bekennen sich teilschuldig, drei plädieren auf nicht schuldig. Die Schuld bezieht sich jedoch nur auf die Beschaffung der Waffen und nicht auf die Beteiligung am Terroranschlag.
Die Angeklagten werden ihre Aussagen nicht vor dem 1. Dezember machen können, wenn der Prozess weitergeht. Vorgesehen sind 19 Verhandlungstage, die Urteile werden nicht vor Februar 2023 erwartet. Den Erwachsenen (älter als 21 Jahren) drohen bei anklagekonformen Verurteilungen bis zu 20 Jahre oder lebenslange Haft. Zwei der sechs Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt jünger als 21 Jahre waren, müssen mit maximal 20 Jahren Haft rechnen.
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