Wien Energie
Erster Hilferuf laut Stadtwerke-Vize Weinelt "im Juli 2022"
Mit Spannung wurde die dritte Sitzung der U-Kommission zur Causa Wien Energie erwartet. Zwei prominente Zeugen waren geladen: Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl und Vizedirektor der Stadtwerke Wien, Peter Weinelt. Letzterer berichtete dem Gremium, dass der "erste Hilferuf" an die Stadt Wien im Juli 2022 erfolgte.
WIEN. Am Montag, 16. Jänner, ging die Untersuchungskommission, welches das Geschehen rund um die Milliardenkredite für die Wien Energie beleuchten soll, in die dritte Runde. Als Zeugen waren Michael Strebl, Wien Energie-Geschäftsführer, sowie Peter Weinelt, stellvertretender Direktor der Wiener Stadtwerke vors Gremium geladen.
Damit wurden das Geschehen rund um die Kreditlinien für den Versorger erstmals direkt beleuchtet. Bisher kamen nämlich nur sachkundige Branchenexperten zu Wort. Die Befragung der beiden Manager sorgte bereits im Vorfeld für Diskussionen und Spekulationen – da die Gebarung ausgegliederter Unternehmen selbst nicht von dem Gremium geprüft werden kann. Dies verbietet die Stadtverfassung.
Weinelt: "Vorher nie der Fall gewesen"
Der Vorsitzende der Kommission, Richter Martin Pühringer, erläuterte zum Auftakt am Montag, dass es möglich sei, dass er so manche Frage aus diesem Grund nicht zulassen werde. Dies sei aber im Einzelfall jeweils zu prüfen, betont er. Weinelt, so erklärte der Vorsitzende, könne sich zudem entschlagen, wenn er Geschäftsgeheimnisse preisgeben müsse.
Zunächst legte der Stadtwerke-Direktor kurz die Situation der Märkte im Vorjahr dar. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sei es hier zu massiven Veränderungen – mit teils tausend prozentigen Preisanstiegen – gekommen. Damals sei auch erstmals ein physikalischer Lieferengpass im Raum gestanden, und nicht nur hohe Preise, so Weinelt. Dies sei vorher nie der Fall gewesen.
"Erster Hilferuf" im Juli
Geschehen seien jedenfalls Dinge, "die wir nicht für möglich gehalten haben". Im Sommer hätten die extremen Ausschläge dann zu hohen Sicherheitsleistungen an den Energiebörsen geführt (siehe unten).
Erstmals dramatisch wurde die Situation laut Weinelt im Juli 2022, als die Gazprom ankündigte, dass die Gaspipeline Nord Stream 1 nach der Wartung möglicherweise nicht mehr in Betrieb geht. "Da war für mich äußerster Handlungsbedarf", so der Energiemanager. Bei Jour fixen mit Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) sei über die Situation gesprochen worden. Man habe ihn laufend über die Märkte informiert. Auch Unterlagen habe man dem Stadtrat übergeben.
Es habe sich dabei etwa um Charts über die Entwicklung der Energiesituation gehandelt. Der Vorsitzende wollte konkret wissen, wann es den "ersten Hilferuf" an die Stadt gegeben habe. Weinelt berichtete hier etwa von einem Telefonat mit Hanke im Juli, wobei er das genaue Datum nicht mehr wisse, wie er erläuterte. Generell habe es jedoch zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Personen in der Stadt oder den Stadtwerken gegeben. Man habe sich auch mit der MA 5 (Finanz) beraten.
Mit Ludwig im Vorfeld nicht besprochen
Jedenfalls seien hohe Sicherheitsleistungen benötigt worden, da große Verwerfungen befürchtet wurden. Ende August sei dies kulminiert. Bei normalen Börsen hätte man in den Handel eingegriffen, zeigte er sich überzeugt. Es sei zu einem „enormen Preisauftrieb“ gekommen. Die Wien Energie benötige aber Gas, um Fernwärme erzeugen zu können, erläuterte Weinelt.
Man habe darum entsprechend vorsorgen müssen. Der Stadtrat habe die Stadtwerke unterstützt. Mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat Weinelt laut eigenen Angaben nicht über das Thema gesprochen. "Wie genau die Anträge an den Herrn Bürgermeister ausgesehen haben, kann ich ihnen nicht beantworten." Über die 700 Millionen Euro – also die erste in Notkompetenz erteilte Kredittranche – habe er im Vorfeld nicht mit ihm geredet.
Bei der Befragung von Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl gab dieser zu den Spekulationsvorwürfen vor dem Gremium zu Protokoll: "Wir fahren dabei eine besonders risikoarme und konservative Strategie. Spekulation und Leerverkäufe sind bei Wien Energie durch interne Vorgaben ausdrücklich verboten. Die Einhaltung dieser internen Vorgaben wird strikt kontrolliert. Auch namhafte Expert*innen bestätigen, dass kein spekulatives Handeln vorliegt".
Des weiteren gab er ein Bild über die Geschehnisse im Sommer 2022 ab, die sich im Hintergrund der sich anbahnenden Marktturbulenzen abspielten. "Mitte Juli stand unmittelbar die Gefahr eines absoluten Gas-Lieferstopps im Raum. Wir sind an unseren Eigentümer herangetreten, um die Versorgung Wiens auch im Krisenfall abzusichern". Die turbulente Situation am Markt fand schließlich ihren Höhepunkt am sogenannten "Black Friday" am 26. August.
Um die Liquidität auch bei einer weiteren Extrementwicklung in der Folgewoche sicherzustellen, wurden schließlich auch die Bundesmittel beantragt. Bis heute blieb das Darlehen des Bundes laut Wien Energie unangetastet, die Mittel der Stadt Wien wurden bereits im Dezember vollständig zurückgezahlt (die BezirksZeitung berichtete).
Stimmen der Parteien
Durch die Aussagen des Stadtwerke-Vizedirektors bestärkt, kommentierte Thomas Reindl, der im Gremium den Fraktionsvorsitz für die SPÖ innehat: "Die Aussagen von Energiemanager Peter Weinelt haben uns ganz klar vor Augen geführt, dass schnelles Handeln im Sommer alternativlos war. Nachdem es ernste Konsequenzen für die Energieversorgung von 2 Millionen Wienerinnen und Wienern gegeben hätte, zeigt sich einmal mehr, dass Eile geboten war. Alles andere wäre grob fahrlässig gewesen. Aus jetziger Sicht war es die Pflicht hier mittels Notverordnung rasch zu agieren".
Sein Kollege im Gremium, ÖVP Wien-Chef Markus Wölbitsch interpretierte die Aussagen von Weinelt freilich anders. So habe der Stadtwerke-Manager im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den 15. Juli 2022 von Vorsorge gesprochen. "Daher gab es im Gegensatz zur Erzählung der Wiener SPÖ offensichtlich keinen Notfall, der die Maßnahmen, die der Bürgermeister in Anspruch genommen hat, notwendig gemacht hätte", so Wölbitsch in einer Aussendung. Er schlussfolgerte aus der Montagssitzung: "Die heutige Befragung von Peter Weinelt hat vor allem eines gezeigt: Der SPÖ-Finanzskandal wird immer größer und die Erzählung der SPÖ bekommt immer weitere Kratzer".
Dass mit dem Finanzstadtrat, aber nicht mit dem Bürgermeister selbst darüber gesprochen oder ein entsprechendes Papier diesbezüglich angefertigt wurde, kritisierte der blaue Fraktionsvorsitzende in der Kommission, Maximilian Krauss (FPÖ): "Es ist ein Skandal, dass Bürgermeister Ludwig 1,4 Milliarden Euro offenbar im Blindflug und ohne genaue Kenntnis des Tatsachensubstrates vergibt“.
"Es liegt in der Verantwortung des Bürgermeisters, sich allumfassend zu informieren und sich nicht allein auf das Wort seines Stadtrates zu verlassen, wenn es um 1,4 Milliarden Euro Steuergeld geht", rügt Maximilian Krauss (FPÖ) das Verhalten der Verantwortlichen in der Aussendung.
Ludwig vergab Kredite per Notkompetenz
Die Wien Energie hatte aufgrund der Turbulenzen am internationalen Energiemarkt im Sommer 2022 1,4 Milliarden Euro von der Stadt erhalten, um Margin-Zahlungen (eine Art Sicherheitshinterlegung bei Börsengeschäften, vor allem bei Termingeschäften), die an den Energiebörsen fällig wurden, zu stemmen.
Einen Aufschrei der Oppositionen gab es, nachdem Bürgermeister Ludwig die städtischen Gelder im Rahmen der ihm zustehenden Notkompetenz vergeben hat. Aus diesem Grund brachten ÖVP und FPÖ gemeinsam im Oktober einen Antrag zur U-Kommission, der seit Dezember jene politischen Prozesse hinter der Kreditvergabe beleuchtet.
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