Nicht egal: Wiener Mindestsicherungsgesetz diskriminiert Inländer
Wenn Ehegatten Mindestsicherung bekommen, dann normalerweise beide oder keiner - Sie bilden eine sogenannte "Bedarfsgemeinschaft". ("Solidargemeinschaft" wäre ein passenderer Begriff.) Interessanterweise gibt es aber eine Ausnahme im Gesetz: Wenn einer der Ehegatten Asylwerber ist, kann er beliebig hohes Vermögen haben, und der andere bekommt dennoch die volle Mindestsicherung, sofern er bedürftig ist. Erst wenn der Asylwerber anerkannter Flüchtling ist, fällt die Mindestsicherung für seinen Partner oder seine Partnerin weg.
Zur Verdeutlichung ein konkretes (fiktives) Beispiel:
1. Andreas ist Österreicher und besitzt 10 000 € Vermögen, aber kein laufendes Einkommen. Wegen seines Vermögens bekommt er keine Mindestsicherung. Berta, die weder Vermögen noch Einkommen hat, bekommt Mindestsicherung.
2. Andreas und Berta heiraten. Dann bekommt keiner von beiden mehr Mindestsicherung.
3. Hussein ist Asylwerber aus Syrien. Er besitzt 10 000 € Vermögen, aber kein laufendes Einkommen. Heiratet er Berta, bekommt sie weiterhin monatlich ca. 800 € Mindestsicherung ausbezahlt!
Wie kann das sein?
§ 12, Absatz 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sagt:
"Auf die Summe der Mindeststandards ist das verwertbare
Vermögen von anspruchsberechtigten [!] Personen der Bedarfsgemeinschaft
anzurechnen."
§ 5, Absatz 3 bestimmt:
"Personen, die nach den Bestimmungen des AsylG 2005 einen
Asylantrag gestellt haben, steht bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Verfahrens kein Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu."
Asylwerber sind also nicht anspruchsberechtigt und dadurch wird ihr Vermögen beim Partneranspruch nicht mitgerechnet!
Ich vermute, dass die Politiker ihre eigenen Gesetze nicht ganz verstehen. Wer immer § 5, Absatz 3 in das Gesetz hineinreklamiert hat, hat wohl nicht bedacht, dass der explizite Ausschluss von Asylwerbern unter Umständen zum Bumerang werden kann, der genau das Gegenteil bewirkt: Leistungspflicht der Stadt Wien, wo sonst keine Leistungspflicht bestünde.
Wie könnte das repariert werden?
Ganz einfach - beim Einkommen geht es ja auch: Dieses wird auch von Nicht-Anspruchsberechtigten bis zu einer Höhe von 75% des Ausgleichszulagenrichtsatzes mitgezählt (§ 10, Absatz 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes).
Was sagen die verantwortlichen Stellen dazu?
Die Hotline der MA 40 erwies sich als nutzlos, da man dort nur die Auskunft erhält, dass man einen Antrag stellen kann. (Dafür würde auch ein Tonband reichen.)
Birgit Hebein, Grüne Sprecherin für Soziales und Sicherheit, antwortete mir, dass der von mir dargelegte Fall nicht eintreten könne, weil in einer Ehe immer Unterhaltspflicht bestehe. Das ABGB sehe "für einen vermögenden Ehepartner oder Ehepartnerin eine Verpflichtung zum Unterhalt vor."
Ich bin kein Jurist, aber z. B. auf www.familienrechtsinfo.at steht, dass der
Unterhalt ein Prozentsatz des Einkommens ist. Auch in §§ 94ff des ABGB
lese ich nicht, dass ein Ehegatte sein Vermögen aufbrauchen muss, um
Unterhalt zu zahlen.
Außerdem behauptete Frau Hebein, "dass uns noch nie ein vermögender Asylwerber untergekommen ist." Das kann aber nicht sein, denn in Kriegsgebieten wie Syrien, wo Leute flüchten, leben nicht lauter Mittellose. 5000 € hat bald jemand zusammen. Die Leute haben ja tw. jahrzehntelang gearbeitet und flohen nicht wegen Geldmangel.
Von SPÖ-Stadtrat Peter Hacker, der für Gesundheit und Soziales zuständig ist, habe ich keine Antwort erhalten. (Ich mailte seinem Pressesprecher Norbert Schnurrer.)
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