Vor 100 Jahren
Amtsblatt der BH Zwettl vom Donnerstag, 5. Juli 1923
Auswirkung der Warenumsatzsteuer auf die allgemeine Preislage.
Die Einführung der Warenumsatzsteuer läßt befürchten, daß Erzeuger und Händler ihrem Abnehmer bezw. dem letzten Käufer die Warenumsatzsteuer vorzeitig und in ungebührlich erhöhtem Ausmaße in Anrechnung bringen könnten. Derartige Preistreibereien wären umso leichter möglich, je weniger die komplizierten und umfangreichen Bestimmungen der neuen Warenumsatzsteuer dem Publikum bekannt sind, zumal deren verteuernde Wirkungen allgemein weitaus überschätzt zu werden pflegen. Da eine Nachbesteuerung vorhandener Vorräte von Waren, die der Phasenpauschalierung unterworfen wurden – und diese kommen für den Massenkonsum hauptsächlich in Betracht –, nicht stattfindet, wird im Kleinhandel an Letztverbraucher noch durch längere Zeit Ware abgesetzt werden, die entweder noch vollkommen unbesteuert oder doch noch nicht von der vollen Steuerwirkung getroffen ist. Das gleiche trifft auch für jene Importwaren zu, die schon vor dem 1. April 1923 im Inlande waren.
Warenumsatzsteuer gesondert in Rechnung stellen
Die Verpflichtung des steuerpflichtigen Erwerbsunternehmers, auf Verlangen seines Abnehmers diesem die Warenumsatzsteuer neben dem Entgelte gesondert in Rechnung zu stellen, soll dem Abnehmer der Ware die Handhabe für einen gewissen Selbstschutz gegen unberechtigte Preiserhöhungen bieten. Eine das tatsächliche Steuerausmaß übersteigende Angabe würde selbstverständlich strafrechtlich verantwortlich machen.
Eine volle Einbeziehung der Warenumsatzsteuer in die Preisbestimmung für der Steuer noch nicht unterworfene alte Vorräte ist gänzlich unzulässig. Selbst die im Preistreibereigesetze zugelassene billige Berücksichtigung erhöhter Nachschaffungskosten kann im Hinblicke auf die besonderen obwaltenden Verhältnisse höchstens die Einrechnung geringfügiger Differenzbeträge rechtfertigen.
Die Umsatzsteuer kann jedenfalls – und dies gilt insbesondere für die in die Phasenpauschalierung einbezogenen Waren – erst allmählich je nach der Umlaufgeschwindigkeit der betreffenden Warengattung zur vollen Auswirkung gelangen. Doch auch nach dieser Übergangszeit wird es sich, von Luxusartikeln abgesehen, nur um eine Steuerbelastung handeln, die in der Mehrzahl der Fälle 2 bis 3 % nicht erreicht, in den übrigen Fällen diese Sätze aber nicht wesentlich übersteigt.
Zur Aufrechnung (Überwälzung) der in Gestalt des Phasenpauschales entrichteten Warenumsatzsteuer ist nur derjenige Erwerbsunternehmer berechtigt, der das Pauschale entrichtet hat.
Mißbrauch der Warenumsatzsteuer anzeigen
Hierauf wird die Bevölkerung des Bezirkes zufolge Erlasses des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht vom 9. April 1923, Z. 20.316 (Abt. 19 – Inneres) mit der Einladung aufmerksam gemacht, bei ihren Einkäufen im eigenen Interesse darauf zu achten, daß seitens der Verkäufer den Abnehmern als Steuer nur jene Beträge zur Refundierung in Rechnung gestellt werden, die tatsächlich an Warenumsatzsteuer auch zur Entrichtung gelangen und jene Fälle, in denen der Verdacht eines Mißbrauches der Warenumsatzsteuer in preistreiberischer Absicht vorzuliegen scheint, dem zuständigen Gendarmerie-Posten-Kommando oder direkt der Bezirkshauptmannschaft anzuzeigen.
An die beteiligten Erwerbskreise aber wird der Appell gerichtet, durch korrektes Vorgehen in dieser Richtung das Sanierungswerk zu fördern.
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