Kunstsymposion: Brauchtum und Kultur

Wissenschafter Matthias Marschik
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Das Gleisdorfer Kunstsymposion setzt heuer einen besonderen Akzent. Das „Kuratorium für triviale Mythen“ (Kunst Ost) schafft eine Querverbindung zur regionalen Alltagskultur, die viele überraschen wird.


Das bezieht sich auf ein Schwerpunktthema der Energieregion: Mobilität. Die Mobilitäts-Branche ist in der Region umfassend präsent und bildet so jene großen Prozesse der Veränderung ab, in denen das einstiege Armenhaus der Monarchie zu einem blühenden Lebensraum wurde.

Das hat nicht nur, aber sehr wesentlich zwei Wurzeln in der Welt der Technik: Die Volksmotorisierung und die Mechanisierung der Landwirtschaft nach em Zweiten Weltkrieg.

Es blieb bisher wenig beachtet, daß dieses Feld zu einem Handlungsraum jener außergewöhnlichen Talente wurde, die jede Gesellschaft reichlich hat; einfallsreiche und kreative Menschen, die im Berufsalltag oft nicht genug Möglichkeiten sehen, ihre Talente auszuleben.

Die oststeirische Mobilitäts-Branche reicht von der Erzeugung und dem Verkauf diverser Fahrzeuge über deren Service zu allerhand Transport- und Reisegeschäften. Dazu kommt eine rege Schrauber- und Sammler-Szene.

Von historischen Fahrrädern über alte Traktoren zur Youngtimer-Szene und einer kräftigen V8-Fraktion mit amerikanischen Klassikern reicht das Spektrum bis zu alten Lastwagen.

Deshalb wird bei der heurigen Version von „Mythos Puch“ ein besonderer Gast das Thema „Automobile als Kulturgut“ beleuchten. Lisl Mesicek, Doyenne der Österreichischen Gesellschaft für historisches Kraftfahrwesen, besucht die Region und bietet einen Vortrag zum Thema an.

Am Nachmittag davor tagt ein Round Table, bei dem der Zusammenhang dieses Genres mit der Volkskultur erörtert wird: "Handwerk und Volkskultur in der technischen Welt". Der anschließende Themenabend wird dann auf besondere Art ausklingen.

Kulturwissenschafter Matthias Marschik, zuletzt Gast beim Gleisdorfer Kunstsymposion 2013, präsentiert sein gemeinsam mit Autos Thomas Karny verfaßtes Buch „Autos, Helden, Mythen“ (Eine Kulturgeschichte des Automobils in Österreich), das heuer erscheint.

Die Wurzeln dieser Kulturpraxis sind älter als vieles, was wir heute unter „klassischem Brauchtum“ verstehen, denn Bräuche sind etwas Lebendiges, das sich stets neu formt. Die Volkskultur in der technischen Welt hat ihre Wurzeln in der Industriellen Revolution. Ein sehr populärer Teilbereich läßt sich in seiner Entstehung sogar genau datieren.

Als im Jahr 1882 „Der Grazer Bicycle-Club“ gegründet wurde, ging es den Gründern darum, „Graz einen Sport zu geben, der nicht nur den mit Gold gefüllten Taschen der oberen Zehntausend zugänglich ist“, läßt Volkskundlerin Hilde Harrer in ihrer Diplomarbeit „Grazer Fahrradvereine 1882-1990“ wissen.

Im März 1882 veranstaltete der Club in der Grazer Industriehalle seine „I. Akademie“. Das war, laut Harrer, ein festliches Saalfahren vor zahlendem Publikum. Ab dieser Zeit läßt sich die Entfaltung eines zunehmend differenzierten Brauchtums rund um die neue Fahrzeugart verfolgen, das schließlich auch in die Welt des Automobilismus übergeht.

Dazu gehören spezifische Veranstaltungsarten und Feste, Gedichte und Liedgut, Bekleidungs-Eigenheiten mit der Ausformung markanter Moden, Preise, Kunstwerke und Erinnerungsstücke, eigentümliche Heraldik, Nippes und Fahrzeugschmuck, kurz, es bildete sich eine beachtliche Kultur der „Velocipedisten“ und der „Autler“ heraus.

Diese Kultur hat heute ihre zeitgemäßen Entsprechungen. Egal, ob Roman Hold seine kunstfertig entworfenen Unikate baut, Bernhard Naumann Vorgefundenes einfallsreich modifiziert, Karl Haar mit seinen Schülerinnen und Schülern einen alten Motor aus den 1930er Jahren wieder zum Laufen bringt, Valentin Eggbauer zum „Cruising“ einlädt, Franz Pollhammer das nächste „Gaudi Maxi-Rennen“ bekannt gibt, oder die „Alltagsklassiker“ den „Car-Freitag“ ausrufen, hier regieren Emotionen, Enthusiasmus und vor allem auch besondere Kompetenzen.

Es ist eine kontrastreiche Szene, die altes Wissen erhält, wie es in den heutigen Betrieben teilweise nicht mehr genutzt wird und daher verloren geht. Es ist ein einfallsreiche Szene, die angesichts alter Funde zum Restaurieren eine Wissens-Archäologie betreibt, ohne das so zu nennen.

Wenn etwa ein Hochrad aus dem 19. Jahrhundert neu eingespeicht werden muß oder ein Vorkriegsautomobil nicht mehr läuft, muß erforscht werden, welche technische Lösung tauglich, aber auch angemessen ist. Und wer sich zum Kauf eines besonderen Stückes aufrafft, was oft erhebliche Mittel fordert, wird dazu recherchieren, was Zeit- und Sozialgeschichte über das Artefakt sagen.

So sind die Schrauber und Sammler, die Cruiser und Liebhaber die Kollegen der Kunst- und Kulturschaffenden in der Wissensarbeit, im Erforschen von Zusammenhängen und in der Inszenierung besonderer Werke.

+) Mythos Puch 2015: [link]
http://www.van.at/myth/puch/2015/index.htm

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