Herbert Beiglböck im Interview: "Begegnung ist eine Schlüsselfrage"

"Es gibt eine Grenze, sie ist aber noch nicht erreicht" – Caritas-Direktor Herbert Beiglböck. | Foto: geopho.com
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  • "Es gibt eine Grenze, sie ist aber noch nicht erreicht" – Caritas-Direktor Herbert Beiglböck.
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Seit Anfang September ist der gebürtige Hartberger Herbert Beiglböck (56) Direktor der steirischen Caritas und damit Nachfolger des Langzeit-Direktors Franz Küberl. Ein verantwortungsvolles Amt, mit der WOCHE sprach Beiglböck über seine Pläne und Ideen.

Drehen wir das Rad noch einmal zurück: Wie ist es zu dieser Bestellung gekommen?
Die Caritas war sicherlich immer eine Option auf meinem Lebensweg. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, wie vor rund einem Jahr der Bischof auf mich zugekommen ist und mir diese Verantwortung angeboten hat. Es war auch zeitlich sehr angenehm, weil es für mich eine Vorbereitungshase war, in der ich mich auf die Aufgabe einstellen konnte.

Wie haben Sie die Zeit genutzt
Ich habe mir sowohl national als auch international einiges angeschaut. Ich habe das Gefühl, ich bin gut vorbereitet in die Verantwortung gegangen und kann jetzt mit aller Kraft an dem arbeiten, was für die Caritas wichtig ist.

Wie geht's ganz persönlich mit dieser Verantwortung?
Es war eine Freude für mich, dass man es mir zutraut. Und ich habe eine Grundhaltung, die mich prägt: Ich übernehme gerne Verantwortung, ich gestalte gerne. Das kann man hier hervorragend. Es ist eine Aufgabe, die man mit Demut tragen muss, aber es gibt auch einen großen Gestaltungsspielraum.

Welche Themen haben Sie da ganz oben auf der Agenda?
Die Gesellschaft ist momentan gekennzeichnet durch krisenhafte Phänomene, auch wenn wir an sich gute Rahmenbedingungen haben. Arbeit und Arbeitslosigkeit sind da brennende Fragestellungen ebenso wie das Thema Armut. Und natürlich die Frage der Integration. Diese Herausforderungen müssen wir intensiv bearbeiten.

Welche Aufgaben stehen nach innen an?
In der Caritas geht es mir darum, die Organisation so effizient aufzustellen, dass möglichst viele Mittel bei den Menschen ankommen, die sie brauchen.

Ein schwierger Spagat, eine Organisation wie die Caritas wirtschaftlich zu führen?
Es ist eine Spannung, grundsätzllich allen helfen zu wollen, aber dabei auch die Grenzen spürt. Es ist auch eine Spannung, für Mitarbeiter eine soziale Verantwortung zu übernehmen und dennoch drauf zu schauen, dass wir effizient organisiert sind. Aber es ist gut bewältigbar.

Was ist der erste Eindruck vom Caritas-Team?
Wir haben viele engagierte Mitarbeiter, eine hervorragende Basis, auf der wir weiterbauen können.

Was können sich die Mitarbeiter von Ihnen erwarten?
Ich denke, ich bin ein Umsetzer. Einer, der auch strategisch und langfristig denkt. Ich erwarte mir Führungskräfte, die viel in Eigenverantwortung tun und entscheiden. Es ist meine größte Freude, wenn Mitarbeiter wachsen.

Aber es gab schon einfachere Zeiten, um Caritas-Direktor zu sein, oder?
Man hört oft den Satz: "Wenn wir das oder das bewältigt haben, dann wird's einfacher." Das ist nicht meine Erfahrung, jede Zeit hat eben ihre Herausforderungen. Unsere Herausforderung ist es jetzt, Solidarität und Unterstützung zu geben und einzufordern – in einer Zeit, in der das Grundwasser der Nächstenliebe abnehmend ist. Auf der anderen Seite haben wir Instrumente, die uns vor einigen Jahren nicht zur Verfügung standen. Und wir haben prinzipiell gute Rahmenbedingungen. Das muss man sich das immer wieder in Erinnerung rufen: Wir haben hohe Bildungsstandards, ein gutes Gesundheitssystem, wir haben Frieden und ein wunderschönes Land. Wenn man den Blick da ein klein wenig in diese Richtung dreht, dann kann man auch wieder sehen, dass wir das schaffen können.

Wie wehrt man sich dabei gegen die immer stärker werdende Polarisierung?
Ein Weg ist, das spüren wir in unseren Pfarren, die Begegnung. Wo diese ermöglicht wird, verändert sich das Bild. Eine Zielsetzung, die ich schon mitbringe, ist es, breit Begegnung zwischen jenen zu fördern, denen es gut geht und jenen, die in der Not sind. Dabei geht es nicht nur um Flüchtlinge. Es gibt ja auch ein verzerrtes Bild der Armut von Österreichern. Begegnung ist eine Schlüsselfrage.

Weil ...?
Weil dann die Behutsamkeit, auch in der Wortwahl, von selbst kommt. Wenn ich jemanden kenne, dann spreche ich auch nicht mehr so abwertend, dann bin ich im Urteil nicht mehr so scharf, sondern differenzierter. Es gibt keinen großen Wurf, sondern viele kleine Schritte. Das ist auch Spannungsfeld zur Politik, weil dort oft nur Schlagzeilen dominieren.

Darf man in der Flüchtlinsgfrage sagen: Mehr schaffen wir nicht?
Ja, wir können als Gesellschaft nur so viel tun, wie wir auch verkraften können, um die Stabilität der Gesellschaft zu sichern. Aber es muss so viel sein, wie wir tun können. Und diese Grenze haben wir noch nicht erreicht.

Was liegt sonst noch oben auf?
Die Pflege ist ein wichtiger Bereich. Wir haben hier eine exzellente Qualität, die wir weiter entwickeln wollen – hin zu regionalen Kompetenzzentren in Fragen des Alters. Ein Wunsch an die Politik ist es dabei, gute Rahmenbedingungen für mobile Betreuung und betreutes Wohnen zu finden, für diese Vorstufen zum Seniorenheim.

Stichwort Arbeit:
Wir tragen da schon viel bei, haben rund 640 Menschen in Beschäftigungsprojekten und wir werden da weiter wachsen.

Zum Beispiel?
Wir überlegen uns da neue Geschäftsfelder, zum Beispiel im Bereich des Handels. Es wird einen erweiterten Arbeitsmarkt mit öffentlicher Unterstützung brauchen.

1-Euro-Jobs?
Der Integrationsminister hat die Problematik angesprochen, es gibt Menschen, die derzeit am Arbeitsmarkt nicht unterkommen – Flüchtlinge wie Österreicher. Er hat das Problem richtig erkannt, die erste Lösung, die 1-Euro-Jobs halte ich für unglücklich.

Sie setzen auf bewährte Stärken der Caritas – wo werden Sie neue Wege gehen?
Die Caritas muss stärker in der Fläche in der ganzen Steiermark spürbar werden, Regionalisierung ist hier ein wichtiger Faktor. Ziel ist es, schon im nächsten Jahr ein Modell zu haben, dass wir unsere Einrichtungen in den Regionen bündeln. Und wir werden – auch als Signal – selbst im Bereich des leistbaren Wohnens tätig werden.

Das heißt konkret?
Wir werden zwei Häuser in Graz renovieren und dort leistbares Wohnen anbieten. Klassische Mietwohnungen zu leistbaren Mietpreisen.

Letzte Frage: Herbert Beiglböck privat?
Ich bin ein familiärer Mensch, das ist ein Stück weit auch Rückzugsgebiet, eine andere Welt.

Hobbys?
Drei Schlagwörter: Fischen, Schwammerl suchen, Bewegung.

Zur Person:

Herbert Beiglböck wurde 1960 in Hartberg geboren. Nach dem Theologiestudium wurde er Generalsekretär der Katholischen Jugend Österreich in Wien, ab 1993 fungierte er als Generalsekretär der Katholischen Aktion Steiermark und war 1997 bei der zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung als Lokalsekretär tätig. Bischof Egon Kapellari bestellte ihn 2004 zum Wirtschaftsdirektor der Diözese. Seit 1. September 2016 ist er Direktor der steirischen Caritas.

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