Im WOCHE-Interview: Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer

4Bilder

Geerdet im besten Sinne des Wortes: Das beschreibt Franz Titschenbacher recht gut, den 52-jährigen Irdninger. Seit etwas mehr als 2 Jahren ist er Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer: "Eine interessante Zeit, mit vielen positiven Erlebnissen", sieht er es selbst. "Und so bunt, wie die Landwirtschaft bei uns ist: Wein, Obst, Milch, Fleisch, Veredelung in allen Formen – kein anderes Bundesland ist so vielfältig wie die Steiermark." Davon ist er überzeugt, auch wenn er die Situation keinesfalls schön reden will: "Es ist extrem herausfordernd, der russische Importstopp hat für enorme Marktverzerrungen gesorgt, von denen auch die Steiermark nachhaltig betroffen ist." Am Beispiel Milchpreis erläutert: Dringend notwendig für die Bauernschaft wäre ein Preis von 41 Cent pro Liter gewesen, gerade einmal 30 bis 32 Cent sind derzeit zu erwirtschaften, ähnlich sind die Relationen bei Fleisch und Obst.

"Will man eine bäuerlich geprägte Landwirtschaft noch?"

Damit sei auch klar, dass die Grundstimmung nicht besonders gut sei. "Dazu kommt, dass uns auch Gesetze rund ums Bauen und den Grundwasserschutz das Leben schwer machen." Insgesamt müsse sich die Gesellschaft eine entscheidende Frage stellen: "Wollen wir in der Steiermark, in Österreich eine von Bauern geprägte Landwirtschaft noch?, spitzt Titschenbacher die Situation zu.

"Realistische Zuversicht"
Der ehemalige Irdninger Bürgermeister ist jedenfalls davon überzeugt, dass es die Bauern bei uns noch lange brauchen wird. Daher ist sein Zugang vor allem einer über den Nachwuchs: "Es ist unsere ureigenste Aufgabe, den jungen Menschen Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen." Gelingt das? "Ja, mit einem realistischen Blick und Zuversicht ist das möglich. Wir müssen alle Beteiligten ins Boot holen und gemeinsam wieder ein Grundvertrauen entwickeln. Nur damit kann man Zukunft gestalten.

Frei und in der Natur

Nachfrage: Und was ist das Besondere an dem Beruf des Bauers? Die Antwort kommt mit dem Brustton der Überzeugung: "Eingebettet in den Jahreskreislauf der Natur, hat man die freie Entscheidungskraft über seine Arbeit – ein geerdetes Arbeiten in der freien Natur, ein Mitgestalten unserer Umwelt." Und wie hat sich dieses Berufsbild über die Jahrzehnte verändert? "Nach dem Krieg war der Bauer vor allem Sicherer der Ernährung, dann hat man konsequent versucht, den Ertrag zu steigern. Ende der 60er-Jahre waren dann die Grundbedürfnisse gedeckt, dann kam die Zeit der Überschussproduktionen", fasst Titschenbacher einen wesentlichen Zeitraum zusammen.
Nächster großer Einschnitt: der EU-Beitritt. "Ein wesentlicher Punkt waren die Ausgleichsmechanismen, die in schwierigen Situationen das Überleben gesichtert haben. Und heute stehen wir in erster Linie vor der Herausforderung, höchste Qualitätsstandards zu gewährleisten", spannt Titschenbacher den Bogen ins Jahr 2016.

Best- statt Billigstprinzip

Und was wünscht sich der oberste Bauer des Landes von den Steirerinnen und Steirern für die Zukunft? "Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre es, dass die Steirerinnen und Steirer bei ihrer täglichen Kaufentscheidung den Einsatz, die Arbeit und die Umsichtigkeit unserer Bauern mitbewerten – und dass sie nicht das Billigste, sondern das Beste kaufen."

Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.