Industrie 4.0: Ringen um Zukunftsfähigkeit
Wir sind uns einig, dass diese Gesellschaft in einem enormen Umbruch steckt, der an Dimension und zunehmendem Tempo alles übertrifft, was wir bisher kannten. Im Kern ist das ein Weg in die Vierte Industrielle Revolution.
Das war der Anlass für ein Gespräch mit Direktor Josef Tändl von der Volksbank Gleisdorf. Was einer Betrachtung jüngster Technologiesprünge gewidmet war, wurde dann aber eine Unterhaltung über persönliche Wahrnehmungen an sich selbst und anderen.
Tändl stammt aus der ländlichen Welt, wurde 1961 geboren, kannte also noch die Ausläufer der einstigen Kargheit, der stellenweise Armut in der Oststeiermark. Da mussten alle anpacken, um gerade das Nötigste zu sichern. Das Leben war einst ein ständiges Ringen.
Ab dem Ende der 1960er fegte wirtschaftlicher Aufschwung solche düsteren Seiten des Lebens für die meisten Menschen hinweg. Tändl weiß freilich, dass dieser Wohlstand, wenn man den Blick auf die Welt richtet, geborgt ist, da und dort auf Kosten anderer besteht.
Zugleich spricht er über die kommenden Herausforderungen des Zurücksteckens. Wie gehen wir mit Verzicht um? Sind wir alle ausreichend in der Lage zu sagen, was für uns genug ist, wann es für uns genug ist?
Das wirft unter anderem Sinnfragen auf. Hier wird der Prokurist sehr nachdenklich. Er weiß von etlichen Menschen zu erzählen, die würden sofort Gehaltseinbußen hinnehmen, wenn sie dafür an der Arbeit mehr Freude finden könnten.
Tändl stellt klar, wenn es für einen Sinn macht, ist man belastbarer, als wenn es einem eher sinnlos vorkommt. Man kann seinen Job besser machen, wenn Freude daran erhalten bleibt. Wodurch sind denn nun so belastende Momente im Zunehmen, wenn wir eigentlich ein bevorzugtes Leben führen?
Man könnte auch fragen, warum es uns manchmal so schlecht geht, wo es uns doch so gut geht. Tändl nennt einen der Gründe mit einem Wort, das mir neu war. Angstgetriebene Kosten. Damit meint er Kosten, die entstehen, weil Menschen oder Systeme ihre Angst bannen wollen und das mit Regelwerken versuchen, die einem Zeit rauben, aber in der Sache kaum etwas bringen.
Es ist eine Art steigende Überreglementierung vieler Lebensbereiche, die vielleicht ein Gefühl der Sicherheit schaffen soll, wo einem der Lauf der Dinge immer unsicherer vorkommt.
Zur Verdeutlichung sagt Tändl: „Als ich in meinem Beruf begonnen hab, ging vieles mit Augenmaß. Da konnte man ein Bankgeschäft abwickeln, indem man jemandem gegenübersaß, ihn einschätzte, das war alles überschaubar. Heute habe ich dagegen einen enormen Aufwand an Dokumentation.“
Dokumentation. Das ist so ein zentrales Wort in allen Berufswelten. Ich habe einen Geschäftsmann einmal sagen gehört: „Wenn Rechtsmittel hintergangen oder missbraucht werden, hilft der beste Vertrag nichts.“ Das illustriert vielleicht mehr als deutlich, was Tändl in diesem Zusammenhang beschäftigt. Worauf kann man Vertrauen gründen?
Ein Mehraufwand an Papierkram bringt vermutlich keinen größeren Gewinn an Sicherheit. Wir bleiben darauf angewiesen, dass Menschen gute Absichten haben, wenn sie ein Geschäft beschließen. Kontrolle ist gut, aber sie hat natürliche Grenzen der Leistungsfähigkeit.
Jenseits dieser Grenzen wird Papierkram, wird der Verwaltungsaufwand zur leeren Geste. Also sprachen wir über eine für jede Generation neue zu stellende, zentrale Frage: Wie sollen sich Eigennutz und Gemeinwohl zueinander verhalten? Wenn nämlich zu viel Egoismus das Gemeinwesen abstürzen lässt, verlieren alle.
Den Angelpunkt dieser Kräftespiele muss man nicht erst suchen. Tändl schüttelt ihn natürlich auch aus dem Ärmel: Verteilungsgerechtigkeit.
Damit sind wir wiederum bei der Frage, ob ich weiß, was für mich genug ist, oder ob ich in Maßlosigkeit befangen bleibe. Und das, daran lässt Tändl keinen Zweifel, regelt sich jenseits befriedigter Grundbedürfnisse über Sinnfragen.
Das heißt, wenn ich nicht hungern muss oder andere fundamentale Nöte leiden, dann wird ein sinnerfülltes Leben wohl der beste Garant sein, dass ich nicht gierig alles an mich reiße, sondern aus eigener Anstrengung satt werden kann, materiell wie immateriell.
Tändl deutet an, dass man dazu freilich auch wissen müsse, was man mag, was einem gefällt, was einen mit Zufriedenheit erfüllen kann. Denken Sie bloß nicht, das sei allen Menschen klar. Hier ist also von einem hohen Maß an Selbstverantwortung die Rede, von einer Haltung, in der man nicht dauernd anderen die Schuld zuschreiben möchte, wenn einem selber etwas misslingt.
Vielleicht sind diese Fragen brisanter denn je, wo neue Automatisierungswellen begonnen haben, unsere Berufswelten völlig zu verändern. Weiterhin werden zahlreiche Jobs in den nächsten Jahrzehnten verschwinden, weil Maschinen sie machen. Für mäßig begabte und dabei schlecht ausgebildete Menschen gibt es schon heute kaum noch bezahlte Arbeit. Tändl meint dazu: „Neue Arbeitsplätze zu schaffen, Alternativen zu finden und diesen Menschen eine Perspektive zu geben, wird die größte Herausforderung überhaupt.“
Europa verliert alte Vorteile gegenüber einer Weltwirtschaft, in der etwa Asien immer bestimmender wird. Wir stehen jetzt schon vor brisanten Fragen, über die zu reden in unserer Gesellschaft noch kaum begonnen wurde.
Lesen Sie zum Thema Automatisierung auch "Robert der Roboter": [link]
+) Gleisdorf Zentrum [link]
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