Mordverdacht führt zu Vergewaltigungsprozess
13 Jahre Haft für Mostviertler "Clan-Chef"
„In dem Prozess haben sich Abgründe aufgetan, die man als Durchschnittsbürger kaum fassen kann“, so der Anwalt des Mostviertler Pensionisten, für den die Beweislage für einen Schuldspruch zu dünn war. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.
MOSTVIERTEL. (ip) Mordermittlungen im Zusammenhang mit dem spurlosen Verschwinden einer Mostviertlerin brachten rund 40 Jahre später das unfassbare Martyrium von zumindest zwei Frauen zutage, die von ihrem mittlerweile 65-jährigen Onkel teils jahrzehntelang grausamst misshandelt und vergewaltigt worden sein sollen (Alle Hintergrund-Infos am Ende des Berichts). Am Landesgericht St. Pölten wurde der Pensionist nun wegen zahlloser schwerer Sexualverbrechen zu 13 Jahren Haft verurteilt (nicht rechtskräftig).
Onkel soll Nichten missbraucht haben
Als Oberhaupt der Großfamilie mit nur schwer zu überschauenden Verwandtschaftsverhältnissen herrschte der "Clan-Chef" und nahm sich, laut Staatsanwältin Barbara Kirchner, vor allem auch sexuell wen und wann er wollte. Die Tragödie von drei Nichten, mittlerweile 50, 49 und 47 Jahre, begann bereits in den 70-er Jahren und endete zumindest für die 49-Jährige erst 2005 nach 30 Jahren.
"Die Spitze des Eisbergs"
Schwerst traumatisiert, laut Gutachter Werner Brosch einer Querschnittslähmung, bei der 49-Jährigen sogar der schlimmsten Form vergleichbar, brachen auch die beiden Hauptopfer erst vor zwei Jahren ihr Schweigen, als gegen den Beschuldigten intensive, bisher jedoch ergebnislose Ermittlungen zu seiner verschwundenen Lebensgefährtin stattfanden. Das dritte Opfer entging nur knapp dem Versuch des Onkels, es ebenfalls zu vergewaltigen, so zumindest der Vorwurf Kirchners, die überzeugt davon ist, „dass alles, was hier verhandelt wurde, nur die Spitze des Eisberges war!“
"Abgründe, die man als Durchschnittsbürger kaum fassen kann"
In dieser Parallelgesellschaft, die in dem kleinen Ort im Mostviertel entstanden sei, hätten vor allem Mädchen keine Möglichkeit zum Ausbrechen gehabt, meinte Opfervertreterin Elisabeth Januschkowetz, die an folgende Zeugenaussage erinnerte: „Er ist der brutalste Mensch, den ich kenne. Es gibt niemanden, der brutaler ist!“ Ihrer Forderung nach Schmerzensgeld, 100.000 Euro für das eine, 50.000 Euro für das zweite Hauptopfer wurde im Urteil entsprochen.
Angst vor dem gewalttätigen Mann bestimmte jedoch nicht nur das Leben dieser Frauen, hörte man den anderen Familienmitgliedern und Ex-Freundinnen, die als Zeugen vor dem Gerichtssaal warteten, zu. Gleichzeitig betonte Verteidiger Hubert Niedermayr, dass nicht nur der Beschuldigte für die familiäre Katastrophe verantwortlich sei. „In dem Prozess haben sich Abgründe aufgetan, die man als Durchschnittsbürger kaum fassen kann“, so der Anwalt, für den die Beweislage für einen Schuldspruch zu dünn war.
So berichtete eine der Zeuginnen, dass ursprünglich die mittlerweile verstorbene Großmutter als Clanoberhaupt die damals kleinen Mädchen jungen Männern zum Sex angeboten habe. Man könne also nicht sagen, wer für die Traumatisierungen der Frauen im Einzelnen verantwortlich sei. Gegen das Urteil legte Niedermayr sofort Nichtigkeit und Berufung ein.
Selten bis gar nicht käme es zu Vorwürfen dieses Ausmaßes, sodass ein achtjähriges Mädchen verzweifelt sogar in einen Suizid flüchten wollte, meinte die vorsitzende Richterin Doris Wais-Pfeffer, die die bisherige Unbescholtenheit des bis zuletzt leugnenden Pensionisten als strafmildernd zu werten hatte.
Die Hintergründe zum Fall finden Sie hier:
Mordermittlungen führten zu Vergewaltigungsprozess.
Onkel soll 30 Jahre vergewaltigt haben.
Mostviertlerin seit 40 Jahren verschwunden.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.