„Es war am letzten Drücker“ Mit Video
Die Familie Diethart über Entbehrungen, Willen und wie Schisprungstar Thomas dem Karrierende gerade noch von der Schaufel gesprungen ist. Das Interview als Video finden Sie am Ende des Beitrages.
Die Schlagzeilen waren unglaublich: Ein Flachland-Adler gewinnt die Vier-Schanzen-Tournee. Wann war das erste mal klar, dass Thomas Schispringer werden will?
Gernot: Thomas war vier. Damals sind Andi Goldberger und Dieter Thoma gesprungen. Da ist der Thomas immer auf der Bettbank herumgehüpft und hat geschrien: Papa, Papa, ich will Schispringer werden!“
Wenn ich im Tullnerfeld wohnen würde und mein Sohn sagt: "Papa, ich will Schispringer werden, würde ich wahrscheinlich sagen: "lern doch was gscheites..." Haben Sie das Ernst genommen?
Gernot. Am Anfang net. Das sind kleine Kinder. Aber er hat keine Ruhe gegeben. Und egal ob wir mit Schi oder Rollerskates unterwegs waren, er ist über jede Kante gesprungen. Mit neun Jahren waren wir bei einem Schi-Talentewettkampf am Semmering. Beim Rennen gab es eine Bodenwelle, die hätte man eigentlich durchdrücken sollen. Und genau dort ist er weggesprungen, hat das Tor versäumt und hat gesagt: „Du Papa, i werd eh Schispringer..."
Es war offenbar nicht so, dass da verbissene Eltern dahinterstanden, sondern Thomas war offenbar dafür geboren. Er wollte es und hat es durchgesetzt...
Gernot: Das kann man so sagen. Ich habe ja vom Schispringen keine Ahnung, vom Schifahren schon. Mit Zehn Jahren sind wir dann das erste Mal auf eine Schanze gekommen.
Wie macht man das? Ruft man da an und sagt wir würden gerne Schispringen?
Christa: Wir haben uns die Schanze in Eisenerz angeschaut. Unser Neffe ist Trainer bei den Langläufern. Und da durfte der Thomas erstmals über den Hügel runterfahren. „Und er hat gesagt: Maaa, das ist so super. Das möcht ich machen." Da mussten wir dann schauen, dass wir einen Verein finden. Und so sind wir nach Hinzenbach in Oberösterreich gekommen und haben angefangen zu trainieren.
Ganz ehrlich Frau Diethart: Waren Sie damals begeistert von dieser Entscheidung? Es zieht ja Konsequenzen nach sich...
Christa: Mir hat das nichts gemacht. Ich hab immer gesagt, wenn er das machen will, probieren wir es. Wenns nicht gepasst hätte, dann hätten wir wieder aufgehört. Aber ihm hats so Spaß gemacht, und wir waren gerne dabei und sind immer mitgefahren.
Das heißt: zweimal in der Woche 209 Kilometer hin und wieder retour. Da war auch die Nadine immer dabei.
Nadine: Genau, ich bin immer mitgefahren, als ich jünger war.
Fadisiert einen das nicht als größere Schwester, wenn man dem kleinen Bruder zuschauen muss?
Nadine: Nein. Überhaupt nicht. Mir hat das echt immer Spaß gemacht, dass ich zuschauen konnte.
Was macht man da, wie kann man sich das vorstellen? Der Vater wird mit Thomas unterwegs gewesen sein, und Ihr musstet schauen, wie Ihr euch die Zeit vertreibt.
Nadine: Ich habe meistens mit den Schwestern der anderen Schispringer gespielt.
Der Sprungzirkus ist offenbar wie eine Familie...
Nadine: Genau.
Und Wird man da nicht ausgelacht, wenn man da als Niederösterreicher auftaucht?
Gernot: Nein, wir wurden gut aufgenommen. Die Oberösterreicher waren eigentlich wie eine Familie. Wir haben auch bei den Familien hin und wieder nächtigen können.
Ich stelle mir vor, dass man sehr viel opfert, wenn man das ganze Familienleben dem unterordnet. Zweimal pro Woche nach Oberösterreich fahren, dann wieder zurück, sie haben dort im Zelt oder im Wohnwagen geschlafen. Ein Familienleben wie es viele andere haben, ist das ja nicht. Bleibt da etwas auf der Strecke, oder schweißt einen das mehr zusammen.
Christa: Uns hat das wirklich so viel Spaß gemacht, dass wir zusammen waren. Wir sind auch spazieren gegangen, waren im See baden, wir haben viel unternommen.
Sie haben das nicht als Entbehrung empfunden?
Christa: Na.
Auch nicht das Finanzielle? Man liest, sie hätten Kredite aufgenommen wo sich ein lässiger Sportwagen ausgegangen wäre?
Christa: Wir haben das gerne gemacht. Wir waren immer beinander und das war super.
Hat es jemals den Moment gegeben, Ihr Euch gefragt habt, ob das noch jemals etwas wird. Thomas ist ja mit 21 Jahren für einen Schispringer relativ spät groß rausgekommen.
Nadine: Na, den Gedanken habe ich nie gehabt. Gar nicht. Ich hab immer gewusst dass er es schafft.
Auch bei den Eltern? War nie der Zweifel da, ob das gescheit ist, was Ihr da macht?
Christa: Na. Er selber hat nie gesagt, dass er nicht mehr will. Wenns von ihm gekommen wäre dann vielleicht, aber er wollte das ja. Wir haben gesagt, solange es ihm Spaß macht. Wir haben gewusst dass er super drauf ist, und dass er es schaffen kann.
Thomas hat ja im Oktober die Industriekaufmann-Lehre abgeschlossen. Es war ja Zufall, dass er überhaupt in den Kader zur Vier-Schanzen-Tournee gekommen ist. Wie lange hätten Sie sich noch selbst diese Chance gegeben.
Gernot: Wenn man das genau Revue passieren lässt, dann wäre das heurige Jahr Deadline gewesen. Dadurch dass Thomas im Juli zum Bundesheer gekommen ist, hat er sechs Monate gekriegt. Wäre er heuer nicht in den Kader gekommen, hätte er beim Bundesheer abrüsten müssen.
Dann wäre er wahrscheinlich jetzt Industriekaufmann...
Gernot: Genau, dann wäre es vorbei gewesen. Denn du kannst das alles irgendwann nimmer finanzieren. Die Kurse sind ja nicht nur in Österreich, sie sind ja in Norwegen, Finnland, überall. Die Saison wäre also mit März beendet gewesen.
Also wirklich am letzten Drücker.
Denn irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo du sagst es geht nimmer. Du kriegst ja Unterstützungen nur ganz, ganz schwer. Wir sind ja in einem Land, das nicht so mit dem Schispringen verbunden wird. Bis auf den Landeshauptmann und das Land Niederösterreich, die geholfen haben, weil sonst wäre es eh schon viel früher vorbei gewesen. Aber sonst ist es in diesem Raum sehr schwer einen Sponsor aufzutreiben.
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