"Sextortion" im Bezirk Braunau
Erpressung mit Sex-Videos im Netz
Im Jahr 2021 gab es landesweit einen enormen Anstieg der Cyber Kriminalität. Laut Kriminalstatistik sogar um 30 Prozent. Darunter auch Fälle von sogenannter "Sextortion".
BEZIRK, Ö. Auch im Bezirk Braunau steigen Fälle von Betrugs- und Erpressungsdelikten im Netz. Die Corona-Pandemie hat ihr übriges zu einem Trend beigetragen, der sich bereits über mehrere Jahre abzeichnete. Gerade im Bereich "Sextortion" dürfte die Dunkelziffer immens sein.
Erpressung mit Video
Eine Betroffene aus dem Bezirk, die anonym bleiben möchte, hat kürzlich eine E-Mail erhalten. Auffällig war, dass der Absender ihre eigene E-Mail Adresse war.
"Seit vielen Jahren bin ich in den Sozialen Medien kaum noch aktiv. Ich verberge meine Fotos und privaten Informationen vor Unbekannten. Gerade weil ich im Bereich Webdesign arbeite, und mich dementsprechend mit Datenschutz befasse, hätte ich nicht gedacht, dass ich Ziel eines solchen Angriffs werden könnte",
erzählt die Betroffene.
Die Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen halfen der Betroffenen nicht gegen das "Hacken" ihres E-Mail-Kontos:
"In der E-Mail stand, dass der "Hacker" meine Kundendaten und alle meine persönlichen Informationen habe. Außerdem habe "er" einVideo von mir, auf dem ich mich selbst befriedige", erzählt die Betroffene. "Dieses würde er an alle meine Kunden sende, wenn ich nicht innerhalb von 48 Stunden 1.500 Euro in Bitcoins an die Person sende." Betroffene aus Bezirk Braunau
Und dabei dachte der Erpresser an Alles: In der Nachricht enthalten war die Anleitung, wie man Bitcoins kauft und überweist:
Ein Fall von "Sextortion"
"Sextortion ist eine Kombination der Worte "Sex" und "Extortion", was auf Englische "Erpressung" bedeutet. Es bezeichnet eine Betrugsmasche im Internet, bei der ähnlich wie im oben genannten Fall mit intimen Aufnahmen erpresst wird.
Vornehmlich werden hierbei Männer per Social Media Messenger von hübschen Frauenkontaktiert. Es wird ein wenig "angebandelt" und dann kommen die Damen schnell zur Sache. Während diese sich dann im Videochat entblößen und die Männer zur Masturbation animieren, wird insgeheim eine Videoaufnahme erstellt. Anschließend wird das Opfer mit der Veröffentlichung des Videomaterials erpresst.
"Die Dunkelziffer bei "Sextortion" kann man nicht erahnen. Betroffene melden sich selten, weil ihnen die Angelegenheit so unendlich peinlich ist. Aber das Netz vergisst nicht, und obwohl wir bei der Polizei alles versuchen, können wir nicht verhindern, dass Videos im Internet verbleiben. Die Server stehen oft in Ländern außerhalb unseres Zugriffs."
Günter Schiefegger, Kriminaldienstreferent Bezirkspolizeikommando Braunau
Ist meine Kamera gehackt?
Aufnahmen von Videochats zu erstellen ist einfach. Keinesfalls sollte man Unbekannten intimes Foto- oder Videomaterial zugängig machen. Aber kann sich ein Hacker tatsächlich Zugriff auf die Handy- oder Laptop Kamera verschaffen?
Tatsächlich wurde 2019 eine Sicherheitslücke bei Android Smartphones von Google und Samsung entdeckt:
- Apps konnten unbemerkt auf die Kamera zugreifen, auch wenn der Nutzer die Berechtigung nicht erteilt hatte. Die Gefahr soll allerdings mit einem Update ausgeräumt worden.
- Sogenannte "Trojaner" können in der Lage sein, Audio- und Videoaufnahmen zu starten, sobald Pornoseiten aufgerufen werden. Diese sollen dann an einen Server geschickt werden.
Aber was tun?
Das Abkleben der Kamera ist wohl der sicherste Schutz gegen ungewollte Aufnahmen von Webcams und Smartphone-Kameras. Virenschutzprogramme und regelmäßige Betriebssystem-Updates helfen ebenso. Vor allem sollte man aber die Finger von Apps und E-Mails lassen, die aus zweifelhaften Quellen stammen.
Ist es schon zu einem Vorfall gekommen, hilft es die Nachrichten, E-Mails, Kommentare oder Chat-Protokolle per Bildschirmfoto zu speichern, dann aber sofort zu löschen. Je nach Schwere des Falls sind unterschiedliche Stellen für Cyber Crime zuständig. Im Zweifel kann man sich jedoch immer an die örtliche Polizeidienststelle wenden.
Hier eine Liste möglicher Anlaufstellen:
bundeskanzleramt.gv.at/themen/cybersicherheit/ansprechstellen.html
Vergehen der Polizei melden
Auch wenn Scham die Betroffenen belastet, betont Michael Babl, Presseprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich:
"Die Polizei ruft auf, dass man jede Drohung, Erpressung oder Nötigung meldet. Ein Screenshot von den Kommentaren im Sozialen Netzwerk oder von der E-Mail kann der Polizei helfen, die Vergehen zu verfolgen. Auch verwendete Synonyme kann die Kriminalpolizei ausforschen."
Anstieg um knappe 30 Prozent
Dass die Covid-Pandemie Cyber Crime zusätzlich befeuerte, bestätigen der Cybercrime Report 2020 des Bundesinnenministeriums und die Kriminalstatistik 2021.
"Knapp 46.200 Anzeigen wegen Internet-Kriminalität wurden 2021 festgestellt", sagte Innenminister Karner.
Das bedeutet eine Zunahme von knapp 30 Prozent zum Vorjahr. Meist handelt es sich um Betrugsdelikte, die sich in den virtuellen Raum verlagert haben. Bereits im Vorjahr wurde im Bereich Cyber Crime ein Anstieg von 26,3 Prozent verzeichnet. Der Innenminister kündigt deswegen an, dass es den Polizeiinspektionen Spezialisten an die Seite gestellt werden.
Reform bei der Polizei angekündigt
Der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl kündigt an, dass die Kollegen 24/7 von den Spezialisten unterstützt werden sollen.
"Wir werden was die Internet Kriminalität angeht völlig neue Wege gehen, uns neu aufstellen. Und auch die Bekämpfung von Kinderpornografie ist uns ein großes Anliegen. Kinder zu schützen ist ein Schwerpunkt dieser Reform"
OÖ Landespolizeidirektor Andreas Pils
Im Bundeskriminalamt wurde die Einheit der Cyber-Spezialisten auf 100 Polizistinnen und Polizisten aufgestockt.
"Gemeinsam mit der Justizministerin werde ich auch die bestehenden Strafen, vor allem die Strafrahmen und Straftatbestände, evaluieren", so Innenminister Karner.
Höchststand bei Online-Kindesmissbrauch
Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit:
"Wir nähern uns bei Cyber Crime der 50.000 Anzeigen-Marke. Fast 50 Prozent davon entfallen auf Betrugsdelikte. Österreichweit 1.921 Anzeigen von Online Kindesmissbrauchs sind ein trauriger Höchststand der letzten zehn Jahre"
Aber auch im Bereich der Erpressungsdelikte sollen laut Ruf 1.800 Anzeigen vorliegt, wobeier hier auf eine schwer abzuschätzende Dunkelziffer verweist. Hierzu steht in der Kriminalstatistik 2021:
Der Großteil der Fälle betrifft den Einsatz von Schadsoftware mit anschließender Lösegeldforderung für die Datenentschlüsselung. Hier zählten vor allem Unternehmungen zu den Opfern. Andererseits sind die Fälle von Sextortion stark angestiegen.
Prävention und Meldestelle
Im Rahmen des Projekts „Cyber.Sicher“ informieren Präventionsbedienstete, wie man sich vor Computer- und Internetkriminalität schützen kann. In Form von Einzelberatungen oder einfach verständlichen Vorträgen wird der Basisschutz für internetfähige Geräte im täglichen Gebrauch erklärt.
Darüber hinaus wird auf die Gefahren im Internet und Trends im Netz hingewiesen. Soziale Netzwerke und Kindersicherheit werden ebenso erklärt wie die notwendigen Maßnahmen, die bei einem Schadensfall zu setzen sind. Zielgruppe hierfür sind Vereine und Institutionen, sowie einzelne Privatpersonen.
Wer ein Vergehen melden möchte kann sich an die Meldestelle für Internetkriminalität per E-Mail wenden: against-cybercrime@bmi.gv.at
Weitere Informationen zu Internet-Verbrechen kann man über die Internetseiten saferinternet.at oder Sicheres Österreich erhalten.
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Quellen:
Cybercrime Report 2020
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