80 Jahre Kriegsende
Die Gräueltaten der letzten Kriegstage im Mürztal

- Konrad "Kurt" Kammerhofer mit seiner Gattin Erna bei einer privaten Familienfeier. Über seine dramatischen Erlebnisse hat er erst sehr spät zu erzählen begonnen.
- Foto: Privatarchiv George Smith
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Erinnerungen an die letzten Kriegstage vor 80 Jahren mit Chaos, Anarchie und Hinrichtungen: Ein Überlebender des Hofbaueralm-Massakers erzählt.
BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Am 8. Mai jährt sich das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. In den letzten Kriegstagen haben sich zuvor abscheuliche Gräueltaten im Mürztal ereignet, zumeist verursacht von den Handlangern des Nazi-Terrorregimes. Einiges ist dokumentiert, sehr vieles nicht. Es gibt überlieferte, zumeist mündlich weitergebende Berichte von Augen- und Zeitzeugen.
Sehr vieles hat der Chronist Engelbert Kremshofer in seinen Publikationen dokumentiert; auch der Kindberger Autor und Hobbyhistoriker Rudolf Schlaipfer ist in seinem Buch "Die Aumühl" auf Ereignisse zu Ende und auch während des Nazi-Regimes eingegangen; ebenso Franz Jäger, Historiker im steirischen Landesarchiv, in seiner Ortschronik zu Allerheiligen – er hat über das Massaker auf der Hofbaueralm am 27. April 1945 detailliert berichtet.

- Der Chronist Engelbert Kremshofer hat viele Schicksale von Widerstandskämpfern und jüdischen Zwangsarbeitern in seinen Büchern dokumentiert.
- Foto: Hackl
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Das Massaker überlebt
Ein Überlebender des Massakers auf der Hofbaueralm an der Grenze zwischen Breitenau und Kindberg ist der Kindberger Konrad "Kurt" Kammerhofer. Sein Neffe George Smith, Sohn eines britischen Soldaten und jetzt in Hadersdorf wohnhaft, hat die Erzählungen seines Onkels, der vor 20 Jahren verstorben ist und bis zu seinem Tod in Oberösterreich gelebt hat, verschriftlicht.
Generell herrschten anarchistische und chaotische Zustände. Das Nazi-Regime brach zusammen, die Wehrmachtfront zerbröselte, von Osten näherte sich die russische Armee. Es irrten, sich zumeist versteckend, viele "Partisanen" umher, so wurden damals als Übergriff all jene bezeichnet, die man nicht zuordnen konnten – als Widerstandskämpfer, Deserteure, Volkssturm-Verweigerer, geflüchtete Zwangsarbeiter und russische Kriegsgefangene.

- George Smith vor dem Marterl auf der Hofbaueralm.
- Foto: Zöscher
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Hier ein Auszug aus den Erzählungen des Kurt Kammerhofer:
Ende März 1945 entfernten sich mehrere Wehrmachtssoldaten während der Plattenseeoffensive der sowjetischen Armee, unerlaubt von der Truppe. Unter ihnen auch Konrad „Kurt“ Kammerhofer aus Kindberg.
Nach einigen Tagesmärschen fanden sie durch Ortskenntnis von Kurt in der Brandstatt notdürftig Unterschlupf. Durch Beobachtungen wurde einer der benachbarten Bauern aufmerksam auf die Fremden. Den Männern wurde mitgeteilt, dass sich auf der Hofbaueralm etliche ihresgleichen und entlaufene sowjetische Kriegsgefangene befanden. Mittlerweile stieß der 18-jährige Soldat Oskar Tösch aus Allerheiligen zu der Truppe und schloss sich ihnen an.
Durch die Beobachtung durch den vorgenannten Bauern wurden Volkssturmleute und Gendarmen in die Gegend zwischen Jasnitz und Stanz entsandt, um die sogenannten Partisanen aufzuspüren und festzunehmen.
Den kampferprobten Partisanen gelang es, einige dieser Volkssturmmänner und Gendarmen zu überwältigen, sie zu entwaffnen und das Wenige an Essen zu berauben. Später schlossen sich den Partisanen noch zwölf russische Zwangsarbeiter sowie Personen, welche den Dienst beim Volkssturm verweigerten, an.

- Die Hofbauerhütte ist heute ein beliebtes Ziel für Wander- Schneeschuh- oder auch Schitouren.
- Foto: Steininger
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Ein waghalsiger Ausflug
Eines Tages kam Kurt auf die Idee, sich nach Hause nach Kindberg zu begeben, um seinen Eltern sagen zu können, dass er noch lebe und sich fast zu Hause befinde.
Beim Weg zu seinen Eltern, mitten in der Nacht begegnete er einen Nachbarn seiner Eltern welcher fragte: “Kurt, bist es du?“ Kurt antwortete nicht und drehte um und ging wieder zurück auf die Hofbauerhütte. Seine Eltern wurden tags darauf auf den Gendarmerieposten in Kindberg zum Verhör gebracht.
Nach einiger Zeit auf der Hofbauernhütte wurde der Mannschaft vom Bauern Hiermanner ein Kalb angeboten, worauf sich ein Teil der Männer auf den Weg machten. Währenddessen machten sich eine Truppe von Volkssturmmännern daran, die Hofbauerhütte zu stürmen.
Am 27. April 1945 wurde die Hütte von rund 100 Männern umstellt. Ohne Aufforderung der Kapitulation wurden zwei Handgranaten in die Hütte geworfen. Daraufhin stürmten die Partisanen aus der Hütte. Einige waren tot und verwundet. Andere wurden niedergeschossen.
Kurt, Franz Wimmer und Edi Oelmann und Tösch krochen aus der Hütte und rannten unter Feuerbeschuss in den angrenzenden Wald, wobei Tösch tödlich getroffen wurde.
Welche nicht entkommen konnten, wurden tags darauf in Kindberg oberhalb des Freibadgeländes erschossen. Unter anderem auch Karl Bischofberger. Kurt konnte sich mit einem Russen in den Retschgraben in der Brandstatt retten. Dort verbrachte er einige Tage und kleidete sich zivil ein.
Von dort ging es mit dem Russen in Richtung Schanz bzw. Fischbach, wo schon die Russen waren. Von einem Panzer, worauf mehrere Soldaten saßen, sprang einer bei der Kreuzung Herzogbergsiedlung herunter, blickte umher und ging los. Seine Mutter erkannte Kurt, und umarmte ihn. Seine russische Steppjacke, voll mit Läusen. Er aber war zu Hause.
Racheaktionen der Partisanen
Es gab aber auch Racheaktionen der "Partisanen": Zwei Tage später wurde nahe der Hofbaueralm am Eibeggsattel zwei Angehörige des Volkssturms – Franz Zöscher aus Hadersdorf und Fritz Thomüller (damals Bürgermeister von St. Marein/Mürztal) von einem Widerstandskämpfer erschossen. Ein Gedenkstein erinnert an diese Tat. (Quelle: Franz Jäger – Ortschronik Allerheiligen). Der Freiheitskämpfer kam zwar 1954 in Untersuchungshaft, wurde aber 1957 freigesprochen.
Für die Freiheitskämpfer wurde übrigens am Marterl neben der Hofbaueralmhütte eine Gedenktafel im Postkartenformat angebracht – mit folgendem Wortlaut: "O Wanderer, der vorübergeht denk, warum dies Kreuz hier steht. Fünf Menschen schlug die letzte Stunde hier und bitten um ein Gebet von dir." – Mehr nicht, kein Hinweis auf die verübten Massenermordungen.
Ermordungen in Spital/Semmering
Massenerschießungen aber gab es auch in Spital am Semmering: Ende April erschossen 15-jährige Hitlerjungen am Tratenkogel in der Gemeinde Prein an der Rax nahe an der Landesgrenze zur Steiermark, 39 ukrainische Zwangsarbeiter, die von ihren Arbeitgebern bereits entlassen worden waren und in Zelten auf das Kriegsende warteten. An diesen Morden soll auch der Volkssturm Kapfenberg beteiligt gewesen sein.
Am 16. April 1945 wurden auf dem Beeralpl, zwischen der Großen Scheibe und dem Tratenkogel in Spital am Semmering 33 Zwangsarbeiter und Deserteure von Volkssturmmännern und Hitlerjungen ermordet. Die Opfer wurden später in Mürzzuschlag beerdigt. (Quelle: Engelbert Kremshofer – "Gerettet in der Steiermark")
Zeitzeugenberichte gesucht
Vieles ist dokumentiert, aber weitem noch nicht lückenlos. Sollte es in Ihrem Umfeld, noch Zeitzeugenberichte oder mündliche Überlieferungen geben, so können diese gerne an markus.hackl@meinbezirk.at geschickt werden. Rund um Christian Zöscher aus Alt-Hadersdorf bildet sich gerade eine Arbeitsgemeinschaft, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt und sich auch um eine historische Aufarbeitung bemüht. In weiterer Folge sollten Gedenkstätten und Hinweistafeln an Originalplätzen installiert werden. (Kontakt Christian Zöscher, Tel. 0676/8960360.
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